Urplötzlich scheint eine neue Technik den Kunst- und Kulturmarkt umzukrempeln. Sogenannte Non-Fungible Tokens – oder: NFTs – sollen digitale Kunstwerke einzigartig machen. Und erzielen Preise in Millionenhöhe. Auch für kleine Künstler sind sie offenbar eine Möglichkeit, von ihrer Kunst nun auch leben zu können. Aber wo kommen diese NFTs her, wo kann man sie kaufen und warum werden sie auch kritisiert?
Von Michael Förtsch
Es ist ein Moment, wie ihn der Kunsthandel noch nicht erlebt hat. Am 11. März 2021 wurde Everydays: The First 5000 Days von Mike Winkelmann alias Beeple beim Auktionshaus Christie’s versteigert. Zwei Wochen dauerte die Auktion, doch schon in den ersten Stunden kletterten die Gebote zunächst auf Hunderttausende und dann mehrere Millionen Euro. Kurz vor Auktionsschluss schossen sie noch einmal in die Höhe – bevor der Zuschlag bei 58,86 Millionen Euro fiel. Mike Winkelmann stürmte damit unmittelbar in die Top 3 der teuersten noch lebenden Künstler, wie Christie’s schreibt. Der US-Amerikaner rangiert damit in der gleichen Sphäre wie Jeff Koons, David Hockney und Gerhard Richter. Nur: Everydays: The First 5000 Days ist keine abstrakte Skulptur, kein Porträt oder Landschaftsgemälde, das man sich einfach an die Wand hängen kann. Es ist ein vollkommen digitales Werk, das erste, das jemals bei Christie’s versteigert und mit der Kryptowährung Ether bezahlt wurde.
Everydays: The First 5000 Days besteht aus zahlreichen einzelnen Bildchen – von Joe Biden als Spinnenmonster, einem Soldat in futuristischem Kampfanzug oder Tom Hanks, der das Coronavirus mit einem Faustschlag besiegt. Diese sogenannten Everydays hat der Grafikdesigner aus Charleston, USA nicht erst extra erstellt, sondern bereits seit 2007 frei auf Twitter, Tumblr und Instagram veröffentlicht. Von dort fanden sie ihren Weg auf etliche andere Plattformen, wo sie weiter geteilt wurden. Was der Käufer ersteigerte, war daher auch nicht im eigentlichen Sinne eine Sammlung von digitalen Kunstwerken, nicht einmal das Urheber- und Markenrecht an den Arbeiten. Zwar bekam er eine hochaufgelöste Kollage aller Bilder. Aber vornehmlich kaufte der Bieter ein sogenanntes Non-Fungible Token – oder kurz: NFT – auf der Blockchain.
Das Token von Everydays: The First 5000 Days repräsentiert die Sammlung digitaler Kunstwerke auf der Blockchain der Kryptowährung Ether. Und selbst wenn die digitalen Kunstwerke ohne Probleme kopiert und geteilt werden können, sind die NFTs vollkommen einmalig und nachprüfbar stets an nur eine Wallet-Adresse der Blockchain gebunden. Ganz ähnlich wie Geldscheine oder Münzen, die stets nur in einem Portemonnaie sein können. Sie sind dadurch nicht nur eine aus Metadaten bestehende Repräsentanz der Kunstwerke, sondern auch eine Art „Du bist der, der sagen kann, dass dieses Kunstwerk dir gehört“-Übereinkunft zwischen dem Künstler oder der Künstlerin, demjenigen, der es kauft und jedem, der das NFT danach erwirbt. Das ist eher eine Handschlagvereinbarung, die wenig bis nichts mit dem Besitz- oder Eigentumsrecht einer nationalen Gesetzgebung zu tun hat.
Es handelt sich bei einem NFT also um das kryptographisch verbriefte und unterzeichnete Recht, damit angeben zu können, dass man der Inhaber einer Animation, eines Textes oder eines Fotos ist, das womöglich Millionen Menschen auf ihren Rechnern oder Smartphones haben. Das ist ein äußerst esoterisches Konzept, das den Sinn hat, in einer digitalen Welt, in der schon aufgrund technischer Gegebenheiten alles kopiert und repliziert werden kann und muss, eine Verknappung von Gütern zu ermöglichen, was wiederum eine Wertschöpfung ermöglicht. Ganz im Sinne des Kunsthistorikers und Philosophen Walter Benjamin, der beklagte, dass mit der technischen Reproduzierbarkeit das Besondere, die „Aura“ und die Einzigartigkeit von Kunst verlorengehe.
Wo kommen NFTs her?
Die Idee, einzigartige digitale Güter zu erstellen, lässt sich bis in die 1970er zurückverfolgen. Erste Versuche, solche Werte auf einer Blockchain zu erstellen gab es dann 2012. Mit Hilfe der Skript-Sprache von Bitcoin gelang es Entwicklern, den Fluss einzelner Bitcoin auf der auf Bitcoin aufgebauten Plattform Counterparty nachzuverfolgen und sie zu markieren. Jenen Colored Bitcoins wurde eine Farbe oder Bezeichnung zugesprochen. Diese digitalen Wereinheiten, das war die Idee, könnten als Repräsentanz für echte Güter wie Grundstücke stehen, als Stempelkarten oder digitale Wertmarken dienen. Sonderlich viel Aufmerksamkeit erregt oder durchgesetzt hat sich das Konzept allerdings nicht.
Moderne NFTs haben ihren Ursprung daher eher in einem Projekt namens Etheria, das auf der Krypto-Konferenz DEVCON1 im Jahr 2015 vorgestellt wurde. Der Entwickler Cyrus Adkisson hatte damit eine virtuelle Landschaft geschaffen, deren Parzellen nicht austauschbar, sondern einmalig und nur vom Inhaber auf einen neuen Eigner übergeben werden können. Realisiert worden war das mit einem Smart Contract. Diese Idee griff später ein Projekt names CryptoPunks auf. Das von zwei Künstlern gegründete Start-up Larva Labs bot damit im Jahr 2017 10.000 einzigartige Pixelgesichter nach Vorbild von Old-School-Adventures wie Maniac Mansion an, die ein Algorithmus erstellt hatte. Jedes einzelne davon war in Form eines Hash-Wertes auf der Ethereum-Blockchain gespeichert und von Larva Labs ausgegeben worden – zum Teil auch kostenlos. Ihre virtuelle Einzigartigkeit machte die Pixelgesichter zu Sammlerstücken. Daher wurden sie bald schon für mehrere Zehntausend Euro gehandelt.
Wir waren so überrascht wie alle anderen auch.
Mack Flavelle
Wenig später folgte das von der kanadischen Firma Axiom Zen entwickelte Sammelspiel CryptoKitties. Dabei werden virtuelle Katzen gesammelt und miteinander verpaart, um Kätzchen zu bekommen. Wie die CryptoPunks ist jede der Katzen ganz einmalig. Schnell wurden sie für geradezu absurde Summen gehandelt. Zeitweise war CryptoKitties die aktivste Anwendung auf der Ethereum-Blockchain. „Wir waren so überrascht wie alle anderen auch“, sagte CryptoKitties-Entwickler Mack Flavelle in einem Forbes-Artikel. Die Mechanik inspirierte die Architekten der Blockchain zu einem Standard, dem ERC-721-Protocol, der eben jene Mechanik Ende Januar 2018 fest in das Grundgerüst von Ethereum implementierte – in Form der Non-Fungible Tokens. Daher sind NFTs derzeit vor allem mit der Ethereum-Blockchain handelbar. Aber die Entwickler anderer Blockchains wie NEO, TRON, Phantasma, WAX und auch Microsoft arbeiten an oder nutzen bereits eigene Non-Fungible-Token-Mechaniken.
Um die NFTs hat sich innerhalb der letzten zwei Jahre ein echter Markt gebildet. 2020 sollen laut Nonfungible.com bereits über 250 Millionen US-Dollar mit NFTs umgesetzt worden sein – viermal so viel wie im Jahr davor. 2021 wird diesen Wert locker toppen: Allein im Februar wurden 86 Millionen US-Dollar umgesetzt. Mitverantwortlich dafür könnte auch die Corona-Krise sein. Unzählige Menschen sitzen zu Hause fest. Und darunter sind auch viele kreative Menschen, die nach Möglichkeiten suchen, um mit ihren Werken nun abseits von Ausstellungen, Konzerten und Auktionen Geld zu verdienen – oder, wie manche, erstmals überhaupt ihre Arbeit über kulturelle oder nationale Grenzen hinweg anbieten zu können. Wieder andere hielten nach Anlagemöglichkeiten Ausschau. Oder einfach nach einer Ablenkung.
Auf unterschiedlichsten Plattformen werden Gifs und Videoanimationen, Fotos, Grafiken, Texte aber auch virtuelle Landstriche in digitalen Welten wie Decentraland feilgeboten. Teils zu Festpreisen, teils für Gebote, teils auch im Tausch. Manche der Plattformen wie Foundation und SuperRare verstehen sich als digitale Gegenstücke zu traditionellen Galerien und Auktionshäusern. Sie kuratieren und lassen Kunstschaffende nur auf Einladung ihre Werke ausstellen. Auf anderen Plattformen wie OpenSea, Rarible oder TreasureLand darf jeder (oder so gut wie jeder) mehrheitlich unkontrolliert NFTs anbieten. Sie gleichen dadurch eher Trödel- und Straßenmärkten. Entsprechend wild und kurios können die NFTs sein: Es werden einzelne Pixel verkauft, private Fotos und Kunstwerke von längst verstorbenen Künstlern wie Da Vinci.
NFTs als Chance für kleine Künstler
Tatsächlich erleben einige unabhängige und zuvor unbekannte Künstlerinnen und Künstler durch das Versteigern und Verkaufen von NFTs plötzlich ungeahnte Aufmerksamkeit – und das Gefühl, mit und von ihrer Kunst leben zu können. Darunter ist der belgische 3D-Künstler Stijn Orlans, der auf Foundation das Render-Bild einer 3D-Landschaft namens Solitude für 2.854 Euro versteigerte und weitere Arbeiten für ähnlich hohe und höhere Beträge auf SuperRare. „Das hat mich total umgehauen, weil ich so etwas noch nie mit normaler Arbeit für Kunden verdient habe“, sagt er. Dabei war er, wie er gegenüber 1E9 anführt, zunächst sehr skeptisch, was NFTs angeht. Er habe im Oktober 2020 das erste Mal davon gehört und bei Freunden herumgefragt, „ob das wirklich eine vertrauenswürdige Sache ist“.
Ich habe einige Leute gesehen, die so viel verkauft haben, dass sie wohl nie mehr auch nur einen Tag in ihrem Leben arbeiten müssen.
Stijn Orlans
Da er über die Jahre „einen ganzen Stapel an Werken“ angehäuft habe, die „nur auf meiner Festplatte Staub sammelten“, habe er den NFTs mal eine Chance gegeben. „Es konnte ja nicht schaden, es auszuprobieren“, sagt er. Seit er nun sein erstes Bild verkaufen konnte, habe er durchaus eine kleine Fan-Gemeinde bekommen, die aktiv auf seine Bilder bietet, explizit Angebote macht und seine Bilder teilt und bewirbt. Daher will er in Zukunft auch weitere Arbeiten als NFTs zum Verkauf stellen.
Ob er dauerhaft davon leben kann, da ist Stijn Orlans unsicher. „Aber für einige Leute ist das bestimmt möglich“, sagt er. „Ich habe einige Leute gesehen, die so viel verkauft haben, dass sie wohl nie mehr auch nur einen Tag in ihrem Leben arbeiten müssen.“ Dazu kommt, dass sich auf Plattformen wie Foundation, OpenSea, Rarible oder SuperRare für NFTs Tantiemen festschreiben lassen. Das heißt: Bei jedem Wiederverkauf erhält der Künstler – oder derjenige, der seine digitale Wallet kontrolliert – zwischen 2,5 und zehn Prozent des Weiterverkaufspreises. Für ihn als einfachen Grafiker, meint Orlans, mache der NFT-Markt das Leben wohl definitiv einfacher. Vorerst zumindest.
Orlans habe in den Monaten vor dem Hype überlegt, ob er seine Kunst aufgeben solle, um als Ingenieur zu arbeiten. „Jetzt könnte mir dieser neue NFT-Trend die Möglichkeit geben, hauptberuflich als freiberuflicher Künstler tätig zu sein, ohne einen regulären Job nebenher machen zu müssen“, sagt der Belgier. Er genieße die kreative Freiheit, die ihm dieser digitale Kunsthandel ermöglicht, und arbeite an Werken, die ihm wirklich etwas bedeuten, statt Aufträgen von Agenturen nachzujagen. Unter anderem arbeite er gerade an einer fünfteiligen Reihe von kleinen Animationen, die er extra für den NFT-Markt gestaltet.
Mein Impuls war, [The Kitty Cat Dance] anzubieten, bevor es irgendein anderer Bastard tut.
Steve Ibson
Eine etwas andere Intention hatte Steve Ibson, der als Maler und Grafikdesigner arbeitet – und eigentlich berühmt ist. Vor fast 17 Jahren hatte er ein Video ins Internet gestellt, das heute fester Bestandteil der Internetkultur ist: The Kitty Cat Dance. Die tanzende Katze, die er ursprünglich auf seine eigene Website hochgeladen hatte, findet sich auf T-Shirts, in Videos und sogar auf Werbeanzeigen wieder. Allerdings ohne, dass Steve Ibson jemals dafür bezahlt worden wäre. „Mein Impuls war, [The Kitty Cat Dance] anzubieten, bevor es irgendein anderer Bastard tut“, sagt er gegenüber 1E9. Es sei ein Weg, um auf der Blockchain festzuschreiben, dass er der Schöpfer des Memes ist, und nach Jahren zumindest einen kleinen Anteil vom finanziellen Erfolg seines Werkes zu bekommen. Ganz ähnlich wie es Christopher Torres mit der Gif-Animation Nyan Cat getan hat, die im Februar für fast 500.000 Euro verkauft wurde.
„Zusätzlich dachte ich mir, dass, wenn ich auch nur einen Tausender mache, könnte ich mir eine neue Kamera kaufen“, sagt Ibson. Letztlich ging die tanzende Katze für 2 ETH an einen anonymen Käufer – also für 2.925 Euro. „Laut meinen Kalkulationen sind das etwa zweieinhalb Kameras, das ist also okay für mich“, so Ibson weiter, der bereits plant, weitere Kunstwerke als NFTs zu verkaufen. Denn auch er sieht darin eine neue Möglichkeit für Kunstschaffende, direkt ein Publikum anzusprechen.
Aber es sind nicht nur Fotografen, 3D- und Animationskünstler oder Maler aus großen Industriestaaten, die mit NFTs plötzlich eine unerwartete Einnahmequelle haben. Sondern auch Künstler aus afrikanischen, südamerikanischen und osteuropäischen Ländern, die nun Käufer und Kunstliebhaber aus der ganzen Welt ohne Galerien und Ausstellungen erreichen können. Unter ihnen ist beispielsweise Itzel Yard aus Panama, die ihre Grafikanimation Sewing and Alterations für rund 970 Euro verkaufte. Insgesamt sind all diese Künstler und Künstlerinnen jedoch eher eine Ausnahme.
Zahlreiche Werke und deren Erschaffer gehen in der großen Schwemme der Abertausenden von Angeboten, die sich insbesondere auf den offenen Plattformen wie OpenSea finden, vollkommen unter. Verschiedenen Schätzungen zufolge sind es weniger als zehn Prozent der dort Aktiven, wenn überhaupt, die mit NFTs Interessenten finden und Geld verdienen können. Auf Chat-Kanälen wie Telegram und Discord formen sich daher bereits Gruppen von NFT-Künstlerinnen und -Künstlern, die sich gegenseitig unterstützen und bewerben, um mehr Aufmerksamkeit und Interesse zu generieren.
Blockchain-Einträge für Millionensummen
Die wirklich großen Gewinner des Trubels, der sich derzeit um NFTs entwickelt hat, sind nicht die Kleinen der Kreativwirtschaft, sondern diejenigen, die schon vorher bekannt und einflussreich waren. Beispielsweise bot der bekannte DJ Steve Aoki ein 36-Sekunden-Video als NFT an, das mit seiner Musik unterlegt ist. Gekauft hat es der ehemalige T-Mobile-USA-Chef John Legere für 745.931 Euro. Als Dreingabe gab es noch einen digitalen Bilderrahmen, der die Animation in Endlosschleife spielt. Der Twitter-Gründer Jack Dorsey verkaufte das Recht an seinem ersten Tweet für 1.630 Ether – umgerechnet 2,44 Millionen Euro. Ersteigert hat es Sina Estavi, der Chef des Krypto-Start-ups Bridge Oracle. Die ehemalige Schauspielerin Lindsay Lohan verkaufte hingegen ein mit einem Filter bearbeitetes Foto ihres Gesichts für 10 Ether – also 15.000 Euro –, das zwischenzeitlich für mehr als das Doppelte weiterverkauft wurde.
Die Sängerin Grimes kreierte gemeinsam mit ihrem Bruder Mac Boucher sechs Animationen und Videoclips unter dem Titel WarNymph Collection, die Teils in mehrfacher Ausfertigung erhältlich waren. Binnen 20 Minuten erlöste sie damit mehrere Millionen Euro. Der Captain-Kirk-Darsteller William Shatner verkaufte digitale Sammelkarten für über 100.000 Dollar. Der Musikproduzent 3LAU verkaufte ein Album von NFTs für über 3 Millionen Euro. Auch der als Deadmau5 bekannte Musiker Joel Thomas Zimmerman, der Rick-and-Morty-Erfinder Justin Roiland, die National Basketball Association, der Sportartikelhersteller Nike, und die Formel 1 machten mit NFTs Hunderttausende von Euro. Darin sehen viele eine Spekulationsblase. Denn die Preise, die für die digitalen Sammelstücke gezahlt werden, wären vollkommen von jeglichem messbaren Wert oder einer kreativen Schöpfungshöhe losgelöst, argumentieren manche Kritiker.
Künstler, Philosoph und 1E9-Mitglied Max Haarich vergleicht den NFT-Hype mit der Tulpenmanie im 17. Jahrhundert, bei der „plötzlich Tulpenzwiebeln zum Preis von Wohnhäusern gehandelt wurden“. Aber er fügt auch an: „Ist und bleibt es nicht völlig absurd solche Unsummen für etwas zu zahlen, nur weil man auf einmal nachvollziehen kann, wer die Autorin ist? Nun ja, die Frage könnte man vielleicht der Dame stellen, die ein schwarzes Quadrat für 250.000 USD gekauft hat.“ Der Hype um NFTs ist laut Haarich „sowohl historisch als auch hysterisch“.
Auch für den Unternehmer und Investor Marc Andreessen steht das NFT-Phänomen dem echten Kunstmarkt nur wenig nach – oder auch den Sammlerszenen, die Unsummen für Sportschuhe, Baseballkarten oder Memorabilia aus Filmen und Theaterproduktionen ausgeben. „So ein paar Sportschuhe kann 200 Dollar kosten, besteht aber nur aus 5 Dollar an Plastik“, so Andreesen in einem Clubhouse-Gespräch. Der Künstler Steve Ibson sieht das ähnlich, warnt aber trotzdem, dass sich nicht sagen lässt, wie lang der derzeitige Trend und die Spitzenpreise anhalten werden. Mit dem Ende der Pandemie könnte das Interesse wieder abflachen.
Dass NFTs jedoch insgesamt nur ein kurzzeitiges Phänomen sind, das wieder verschwinden wird, glauben Ibson und andere Kunstschaffende trotzdem nicht. Dafür seien die Umwälzungen zu stark und das Ökosystem, das sich etabliert hat, zu spannend, reich und faszinierend. „NFTs wird es noch lange geben, aber Preise wie jetzt, werden sich wohl in der Regel irgendwann nicht mehr so einfach erziehen lassen“, schätzt Ibson. NFTs würden wohl ein Bestandteil des digitalen Alltags werden, wie es Kryptowährungen schon für viele und Social Media für einen Gros der jungen Generationen sind.
Schlecht für das Klima?
Dass Non-Fungible Token gekommen sind, um zu bleiben, mag die Kunstszene begeistern. Andere sehen die NFTs allerdings auch kritisch – oder sogar als Katastrophe. Da NFTs auf Blockchains basieren, sind sie, wie auch Kryptowährungen, ein wahrer Energiefresser. Einträge und Zahlungen auf Blockchains werden mit komplexen Berechnungen verifiziert, die in einer Art Wettrennen von Millionen Rechnern unter Hochlast durchgeführt werden – das ist das sogenannte Proof-of-Work. Laut einer Formel der zwischenzeitlich geschlossenen Website CryptoArt.wft kann ein NFT mehr als dem monatlichen Stromverbrauch eines Zweipersonenhaushaltes und einer CO2-Emission von über 200 Kilogramm entsprechen. Wirklich belastbar sind diese Zahlen jedoch nicht. Sie basieren auf Schätzungen, Annahmen und Teils auch auf Missverständnissen über die Funktionsweise insbesondere der Ethereum-Blockchain. Dass Blockchains jedoch wahre Energiefresser sind, das lässt sich nicht relativieren oder wegdiskutieren.
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Jetzt Mitglied werden!Die Künstlerin Joanie Lemercier hat aufgrund von Umweltbedenken ihren Verkauf von NFTs eingestellt. Ebenso hat die Künstlerwebsite ArtStation ihre Pläne, ihren Nutzern direkt über die Website Werke als NFTs anbieten zu können, vorerst auf Eis gelegt. Zahlreiche Nutzer hatten Bedenken angemeldet und protestiert. Auch der Tanz-Katzen-Animator Steve Ibson, der, wie er gegenüber 1E9 sagt, bereits seit 15 Jahren vegan lebt, auf öffentliche Verkehrsmittel setzt und „auch anderen typischen Öko-Kram“ macht, sieht das Problem. Allerdings findet er Moralappelle mancher Künstler bigott, die „den Verkauf von NFTs verurteilen, aber weiterhin billige T-Shirts verkaufen“. Auf NFTs zu schimpfen und Blockchains abzuschalten sind für Steve Ibson keine Option. Der Energiehunger der Blockchain-Technologie sei stattdessen ein Problem, für das eine Lösung gefunden werden muss.
Ein erster Schritt soll mit einem Update der Ethereum-Blockchain gemacht werden, das den Energieverbrauch angeblich um 99 Prozent senken soll. Dabei wird das Wettrennen der Rechner abgeschafft und jeweils ein einzelner Rechner gewählt, der die Aufgabe übernimmt. Das Konzept wird schon bei der Blockchain von Peercoin eingesetzt. Manche Kryptoforscher wie Medio Demarco glauben sogar, dass sich zwar nicht das Energieproblem, aber der Einfluss auf das Klima von selbst erledigen könnte. Letztlich wäre der einzig gewinnbringende Weg, eine Blockchain am Leben zu erhalten, auf billigen Strom zu setzen. Und billiger Strom sei immer öfter Strom aus Solar-, Wind- und Wasserkraft. Früher oder später würden die Blockchains dadurch vollends aus erneuerbaren Energien gespeist. Ob das wirklich so kommt? Das ist zumindest mehr als fraglich. Aber wenn, dann hätten auch tanzende Katzen, William-Shatner-Sammelkarten und dystopische Donald-Trump-Zeichnungen dazu beigetragen. Was für ein faszinierender Gedanke.
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Teaser-Bild: Beeple