NFT-Ausstellung in München: „Langfristig bin ich überzeugt, dass wir viel mehr NFTs im physischen Raum sehen werden“

In der Münchner Innenstadt findet sich derzeit die erste Galerie in Bayern, die ausschließlich NFTs kuratiert. Sie besteht aus einem Schaufenster, das über die kommenden Wochen wechselnde Werke zeigen soll. Dabei geht es nicht nur darum, die Werke zu präsentieren, sondern auch darum, eine kritische Auseinandersetzung mit NFTs anzustoßen.

Von Michael Förtsch

Wer auf dem Marienplatz steht, der kann es kaum übersehen. Seit über 300 Jahren existiert dort das Wirtshaus zur alten Hauptwache – besser bekannt ist es aber als Donisl. Links neben dem Wirtshaus führt eine kleine Gasse entlang, die Donisl Passage. In der strahlt es derzeit aus einem breiten Schaufenster. Es ist mit mehreren Monitoren bestückt, auf denen digitale Kunstwerke flimmern: ein auf dem Rücken liegendes Pissoir aus groben Pixeln, die Mona Lisa mit einer ominösen Maske in Form des Bitcoin-Symbols oder auch ein pulsierender Wust aus Farben und Formen. Bei den Kunststücken handelt sich um NFTs – also digitale Werke wie Bilder, Animationen oder auch Videos, die mit einem Eintrag auf einer Blockchain wie Ethereum oder Tezos verewigt wurden. Die frei einsehbare Ausstellung trägt den Titel Dawn of the Metaverse und ist die erste Galerie in Bayern, in der ausschließlich NFT-basierte Kunst präsentiert wird.

Organisiert und kuratiert wird die vom 7. Mai bis 26. Juni laufende NFT-Schau vom Münchner Philosophen und Künstler Max Haarich und Gleb Divov, einem Digitalunternehmer und Künstler aus Litauen. Die Idee sei, mit jedem Kunstwerk jeweils einen Aspekt des Metaversums zu beleuchten – bei dem NFTs eine Kerntechnologie darstellen sollen. „Wir als Gesellschaft stehen gerade am Anfang und können das Thema der Metaversen noch in so viele Richtungen weiterdenken, die um ein hundertfaches kreativer und revolutionärer sind als manche der aktuell verkauften Konsumwelten“, sagt Haarich gegenüber 1E9. „Bei der Auswahl der Künstlerinnen und Künstler achten wir auf eine ausgewogene Mischung internationaler und lokaler sowie etablierter und aufstrebender Künstlerinnen und Künstler.“ Je für zwei Wochen sollen jeweils fünf Werke gezeigt werden, die dann gegen fünf neue ausgewechselt werden.

Kritische Auseinandersetzung

Die Ausstellung Dawn of the Metaverse findet im Rahmen des Münchner NFT Mai statt, einer Reihe von Veranstaltungen und Debatten, die sich Non-Fungible Tokens und ihrem Einfluss auf Kunst und Kultur widmet. Dabei wollen Haarich und Divov mit ihrer Ausstellung NFTs nicht einfach bewerben, sondern eher zur Diskussion rund um die durchaus streitbare Technologie beitragen. Und auch die teils ungesunde Ökonomie, die sich um sie geformt hat. „Aktuell sehen wir die negativen Konsequenzen sehr deutlich“, sagt Haarich. „Anfang bis Mitte letzten Jahres war aufgrund des extrem schnell zufließenden Kapitals fast jeder beliebige NFT-Mint finanziell erfolgreich oder zumindest stabil. Im aktuellen Bear-Market konzentriert sich das sinkende Kapital immer extremer in den Top-Projekten.“

Die Verkäufe von virtuellen Landstrichen im Bord-Ape-Yacht-Club-Universum Otherside setzten Millionen Euro um. Aber fast alle anderen NFT-Kollektionen fielen derzeit im Wert. Eben auch, weil zahlreiche Nutzer sie verkaufen, um in gehypte Projekte zu investieren. „Jeder Coin, der dort investiert wird, kann nicht mehr so schnell an eine aufstrebende Künstlerin oder einen Künstler gehen“, sagt Haarich. „Das finde ich in gewisser Hinsicht unfair, denn aus meiner Sicht sind es gerade die Künstlerinnen und Künstler, die in unzähligen Nachtschichten Millionen digitaler Kunstwerke produziert haben, durch die der Space überhaupt erst entstand. Teilweise müssen sie nun der Gentrifizierung ihres NFT-Space hilflos zuschauen.“

Auch sonst, sagt Haarich, stehe er als Künstler und Kurator der Technologie durchaus zwiespältig gegenüber. „NFTs bieten aus meiner Sicht ein unglaubliches Potenzial in vielen Bereichen, aber bringen eben auch unübersehbare Herausforderungen für Ökologie, Wirtschaft und Gesellschaft“, so Haarich. „Ich nutze NFTs selbst wann immer möglich nur auf energieeffizienten Blockchains wie Tezos oder Oasis. Ich nutze aber auch ganz bewusst NFTs als Medium meiner Auseinandersetzung mit NFTs, weil ich damit direkt in dem Gesellschaftsbereich bin, für den meine Arbeiten gedacht sind.“

Für die Ausstellung, erklärt Haarich, hätten er und Gleb Divov es sich aber „etwas leicht gemacht“. Da vor allem das Erstellen, Verkaufen und Transferieren von NFTs energielastige Transaktionen darstellt, haben sie nur NFTs in ihre Ausstellung genommen, die bereits geprägt waren. „Und wir verkaufen selbst keine NFTs beziehungsweise überlassen wir es den Künstlerinnen, ob sie ihrem gezeigten NFT einen Preis geben, auf Angebote warten, oder es einfach nur zeigen möchten ohne Verkaufsabsicht“, so Haarich. „Das heißt, streng genommen verursacht die Ausstellung selbst überhaupt kein NFT-bedingtes CO2 und somit gab es für uns keinen Grund bestimmte NFT-Ökosysteme auszuschließen.“

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Für die reine Kunstrezeption ist es völlig egal, ob die gezeigten Digitalkunstwerke an ein NFT geheftet sind oder nicht.

Max Haarich

Die Kunst darf für sich stehen

Den zahlreichen Debatten um Non-Fungible Tokens und popkulturellen Phänomenen wie den Bored Ape Yacht Club zum Trotz ergab eine Studie des Digitalverbands Bitkom, dass 68 Prozent aller Deutschen noch nie etwas von NFTs gehört haben. Laut Max Haarich und Gleb Divov sei das aber eher eine Chance als ein Problem. „Für die reine Kunstrezeption ist es völlig egal, ob die gezeigten Digitalkunstwerke an ein NFT geheftet sind oder nicht“, sagt Haarich. „Der Unterschied kommt erst zu tragen, wenn man sich über die Provenienz des Werkes informieren möchte oder einen Ankauf in Betracht zieht.“

Außerdem hofft Haarich, dass Dawn of the Metaverse auch eine „edukative Dimension“ entfaltet. „[Die Ausstellung] liegt im Herzen Münchens am Marienplatz 1 und bietet uns damit die Chance auch zufälligen Passantinnen und Passanten die NFT-Welt näherzubringen“, sagt er. Er hoffe und glaube, dass „Leute die Bilder interessant finden und mehr über diese Welt erfahren“ wollen. Aber zuvorderst gehe es um die digitale Kunst, die durch den „physischen Raum“ eine zusätzliche Dimension bekommt. „Die Galerie ermöglicht uns ganz gezielt bestimmte Werke aus der Unendlichkeit der Blockchain herauszuheben“, umreißt Haarich. „Langfristig bin ich überzeugt, dass wir viel mehr NFTs im physischen Raum sehen werden, sobald Displays – egal ob LED-Screens oder Smart Textiles – günstiger und energieeffizienter werden.“

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Weird… also letztlich doch normale Kunst, nur eben auf Monitoren, also könnte man die Abstraktion gewinnen, NFT ist Kunst auf einer neuen Form ‚Leinwand‘. Da fällt mir doch glatt die Hyperbel, oder auch Superlativ der ‚2deep4me‘ Phrase ein: 3deep5me. :woozy_face:

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Na ja, - nichts Neues unter der Sonne! So reiht sich NFT Kunst auch nur ein, in die übliche Kunstschiene!
War der Anspruch ursächlich nicht ein Anderer?

Naja, nicht nur. Die NFTs werden auf der Website des Projektes verlinkt. Und einige NFTs sind durchaus mehr als Kunst oder haben eine weitere digitale Ebene. Bei einem pixeligen Donut, war es glaub ich, ist der Besitzer des NFT berechtigt, bei einer Donut-Kette kostenlos Donuts abzugreifen.

Ebenso gibt es NFTs, die etwa mit physischen Werken verknüpft sind oder die als Backstage-Pass und Avatar in virtuellen Räumen funktionieren.

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