Was hat es eigentlich mit diesen gelangweilten Affen auf sich – und wieso solltet ihr den Bored Ape Yacht Club kennen?

Statussymbol für die Krypto-Elite, Geldwäscheinstrument oder der Vorreiter eines neuen Kunst- und Popkultur-Imperiums? Der sogenannte Bored Ape Yacht Club wurde bereits als vieles gehandelt. Denn die NFT-Serie des US-Start-ups Yuga Labs hat sich binnen weniger Monate von einem YOLO-Projekt zu einem internationalen Phänomen entwickelt, das Millionen von Euro bewegt und auch große Namen begeistert.

Von Michael Förtsch

Für viele Zuschauer im Publikum und zu Hause vor dem Fernseher war es offenbar ein ziemlich verwirrender Moment. Im Januar 2022 war Paris Hilton in der Tonight Show bei Jimmy Fallon zu Gast. Zunächst redeten beide über die vorangegangene Hochzeit der Millionenerbin und Sängerin. Oder auch, wie sehr sie den Song Just The Way You Are von Bruno Mars liebt. Aber dann schwenkte das Gespräch plötzlich um zu NFTs – Non-Fungible Tokens – und es kam heraus, dass Hilton den Late-Night-Moderator in den wilden und vielfach wirren Markt der Blockchain-Einträge eingeführt haben soll. „Ich bin rein gesprungen“, sagte Jimmy Fallon. „Du hast mir gezeigt, was abgeht: Dann hab ich einen Affen gekauft.“ Hilton entgegnet, dass sie sich ebenfalls einen Affen gekauft habe. Fallon hielt kleine Karten mit Bildern von Comic-Affen hoch. Einer mit Ledermütze und Sonnenbrille. Der andere mit gestreiftem T-Shirt und Kapitänsmütze.

Aus dem Publikum im Studio war in diesem Moment ein eher verhaltenes Tuscheln und schüchternes Klatschen zu hören. Worüber Hilton und Fallon gerade redeten, das war offenkundig nur einigen der Zuschauer klar. Die anderen waren schlichtweg irritiert. Denn der sogenannte Bored Ape Yacht Club ist ein Phänomen, das sich binnen kürzester Zeit im Hype rund um NFTs aufgebaut hat und mehrheitlich im Internet stattfindet. Allerdings ist das BAYC abgekürzte NFT-Projekt inzwischen auch ein mehrere Milliarden Euro schweres Krypto-Imperium, das seine vier Gründer zu Millionären machte und als möglicher Vorbote einer neuen Kunst-, Kultur- und Veranstaltungsbranche gilt – und daher sowohl gefeiert, kritisiert als auch von zahlreichen Menschen und Firmen neugierig beobachtet wird.

Was ist eigentlich der Bored Ape Yacht Club?

Als im Jahr 2021 ein bis dato vollkommen unbekanntes Start-up namens Yuga Labs sein erstes NFT-Projekt startete, hätte keiner damit rechnen können, dass es derart groß werden würde. Nach dem Beginn des Hypes um NFTs versuchten zahlreiche Künstler, Kollektive und Unternehmen, schnell davon zu profitieren. Die meisten dieser Versuche scheiterten recht glanz- und ereignislos oder wurden erst gar nicht beachtet. Zumeist weil sie einfallslos und uninspiriert waren und es schlichtweg nicht schafften, Aufmerksamkeit zu erregen. Oder weil es sich um dreiste Betrugsversuche handelte, deren Hintermänner sich schnell mit einigen Tausend Euro in Kryptowährung davon machten.

Viele kopierten lediglich die Formel von bereits bekannten und einträglichen NFT-Experimenten wie CryptoPunks – ein Set von 10.000 einzigartigen Pixel-Portraits, das 2017 von einem heute als Larva Labs bekannten Unternehmen aus New York City gestartet wurde. Die kleinen Bilder wurden von einem Künstlerduo mittels eines Algorithmus generiert, der die Charaktere so mit Frisuren, Haut- und Haarfarben sowie Accessoires wie Brillen und Ohrringen ausstattete, dass jeder ein Unikat ist.

Tatsächlich folgt auch Yuga Labs’ Bored Ape Yacht Club genau dem Muster von CryptoPunks. Die Reihe besteht aus 10.000 einzelnen Portraits, die jeweils einen Affen zeigen. Jedoch ist jeder dieser Affen einzigartig. Manche Affen befinden sich vor einem grünen Hintergrund, andere vor einem orangefarbenen. Manche tragen 3D-Brillen, fletschen die Zähne, haben Laser-Augen, ein Leopardenfell, nuckeln an einer Zigarre oder einem Stück Pizza. Oder sie sind in einen Anzug gehüllt und tragen einen Sturzhelm mit US-Flagge. Insgesamt sieben Merkmale gibt es, in denen sich die Affen unterscheiden – und entsprechend der Kombination selten sein – können.

Am 29. April 2021 ging der Bored Ape Yacht Club offiziell an den Start. In den ersten Stunden tröpfelten die Verkäufe zunächst – zumindest für ein großes NFT-Projekt. Aber dann wurden binnen eines halben Tages alle Affen-NFTs verkauft. Oder genauer: von den Interessenten über eine Website ge-minted und damit in die Ethereum-Blockchain geschrieben worden – für 0,08 Ether pro Stück, zu dieser Zeit rund 160 Euro. Verantwortlich dafür waren unter anderem NFT-Sammler und -Influencer wie Pranksy, der gleich 250 der Affen-Portraits erwarb und BAYC dann auf Twitter anpreiste – und dann noch über 1.000 weitere kaufte. Welchen Affen wer bekam, das wurde erst nach der Prägung des jeweiligen NFTs sichtbar. Dieser erste Verkauf brachte dem Team auf einen Schlag 1,6 Millionen Euro.

Und dann ist’s über Nacht explodiert.

Emperor Tomato Ketchup

Gehandelt wurden die BAYC-NFTs in den ersten Tagen noch zurückhaltend, aber bis Ende Mai 2021 wechselten sie laut CryptoSlam über 8.300 Mal den Besitzer. Viele davon zunächst für Beträge von 200 bis 500 Euro. Mitte Mai stiegen die Preisschilder auf der NFT-Plattform OpenSea aber schon auf über 1.500 Euro und mehr. Binnen weniger Wochen wuchs das Interesse an den NFT-Affen rapide und schoss dann Ende 2021 unerwartet in die Höhe.

„Alles lief langsam“, zitiert The Rolling Stone einen der Yuga-Labs-Co-Gründer, der nur unter dem Namen Emperor Tomato Ketchup auftritt. „Und dann ist’s über Nacht explodiert.“ Bei jedem Verkauf stieg der Preis, der dafür aufgerufen wurde – und zwar massiv. Statt für einige Hundert Euro wurden die Bored Apes plötzlich für Zehntausende und dann für mehrere Hunderttausend Euro von mehrheitlich anonymen Personen gehandelt – wobei Yuga Labs jeweils 2,5 Prozent des Weiterverkaufspreises einstrich, eine Mechanik, die bei NFTs üblich ist und für Künstler und Unternehmen zu einen nachhaltigen Geschäft machen soll.

Im September 2021 hatte der Affe mit der Nummer 3749 auf der Plattform LooksRare für 740 Ether – zu diesem Zeitpunkt 2,6 Millionen Euro – den Besitzer gewechselt. Der bislang teuerste Affe trägt die Nummer 8817 und wurde im Oktober 2021 beim Auktionshaus Sotheby’s für 3,1 Millionen Euro verkauft. Ende 2021 soll Yuga Labs durch diese massiven Preisteigerungen und Besitzerwechsel über 115 Millionen Euro umgesetzt haben.

Zudem berichteten nun auch Nachrichtensender wie CNN und ABC, Zeitungen wie The New York Times und auch Magazine wie Vogue über das Phänomen, dessen kulturellen Niederschlag und die unglaublichen Summen, die es in Bewegung brachte. Ebenfalls bekannten sich auch zunehmend Prominente dazu, Fans vom Bored Ape Yacht Club zu sein. Neben Paris Hilton und Jimmy Fallon sind das unter anderem die Sänger Post Malone und Justin Bieber, die Rapper Snoop Dogg und Eminem, die Sängerin Madonna, die Schauspielerin Gwyneth Paltrow, der Unternehmer Mark Cuban und Sportstars wie Josh Hart, Ben Simmons und Serena Williams.

Woher kommt der Bored Ape Club

Das Kernteam hinter Yuga Labs und damit dem Bored Ape Yacht Club besteht aus vier Personen. Die agierten zunächst vollkommen pseudonym. Erst 2022 enttarnte Buzzfeed nach einer Recherche zwei der Gründer: nämlich Greg Solano und Wylie Aronow, die auf Twitter unter den Namen Gargamel und Gordon Goner auftreten. Die zwei anderen Gründer sind nur als No Sass und Emperor Tomato Ketchup bekannt – sie sollen die technische Entwicklung der Yuga-Labs-Projekte verantworten. Das Vierergespann soll bereits seit langem befreundet sein. Solano und Aronow sollen sogar zusammen in Miami, USA aufgewachsen sein. Beide sind, wie Aronow in einem Gespräch mit Rolling Stone sagte, „sprichwörtliche Bros“.

Die Idee zum Bored Ape Yacht Club kam angeblich, als die Gruppe den wachsenden Erfolg von Kryptowährungen und NFTs sah – und wie sich auf Twitter, Facebook, Discord und anderen Social-Media-Kanälen große und kleine Gemeinschaften formten. Unter anderem bestehend aus Menschen, die plötzlich und sehr schnell reich wurden, weil sie aus Berechnung, Risikofreude oder auch einfach purem Glück früh eingestiegen waren – etwas, das als Aping in, also Hinein-Affen bezeichnet wird. Eben jene Krypto- und NFT-Reichen lebten nun gelangweilt von einem zum anderen Tag. Ihre Zeit verschwendeten sie damit, Memes zu posten, neue Kryptowährungen und NFT-Projekte zu debattieren und sich mit Menschen im Internet zu streiten.

Diese Menschen brauchen einen echten Club, dachten sich die Yuga-Labs-Gründer. Eine alberne, selbstironische, aber auch irgendwie wohlige Gemeinschaft stellte sich das Team dafür vor. Kombiniert und koordiniert mit NFT-Kunst, die das Spiegelbild der Gemeinschaft darstellt – zumindest irgendwie. Und so kamen sie auf die gelangweilten Affen. „Wir mögen Affen“, sagte Aronow in einem Interview dazu. Eines der Vorbilder für diese Affen und die Ausrichtung des NFT-Projektes als solchem scheint das 1993 gegründete japanische Modelabel A Bathing Ape in Lukewarm Water – kurz A Bathing Ape oder: BAPE – zu sein, das ebenso ironisch gegen seine Zielgruppe stichelt (und mittlerweile selbst ein NFT-Projekt gestartet hat): junge, selbstzufriedene Japaner, die aus einem wohlhabenden Elternhaus kommen, bei Starbucks rumsitzen und gerne überteuerte Klamotten kaufen.

Erdacht wurde das Aussehen der gelangweilten Affen nicht von den vier Yuga-Labs-Gründern, sondern von der Künstlerin All Seeing Seneca. Zumindest deren Körper und Kopf hat sie gezeichnet, der bei allen Exemplaren „Linie für Linie“, wie Seneca sagt, der gleiche ist – selbst, wenn diese verschiedene Muster, Farben oder Klamotten tragen. Einen Affen, der „abgerissen und müde vom Leben ist, aber all das Geld und all die Zeit der Welt hat“, habe sie zeichnen wollen. Nach einigen verschiedenen Fassungen und Stilrichtungen landete sie bei dem, was nun auf den NFT-Sammelkarten zu sehen ist. Die zahlreichen Accessoires und verschiedenen Münder wurden von zusätzlichen Künstlern beigesteuert. Gemessen am Erfolg von BAYC sei sie allerdings „definitiv nicht ideal“ entlohnt worden, sagte Seneca später in einem Interview.

Aber der Bored Ape Yacht Club sollte nicht nur eine Reihe von NFT-Kunstwerken darstellen. Die einzelnen NFT sollten gleichsam „[als] die digitale Identität [der Käufer]“ funktionieren, wie Greg Solano gegenüber The New Yorker sagte. Und noch viel mehr sollten sie als eine Art Mitgliedsausweis dienen. Eben für eine Gemeinschaft, ein virtuelles Clubhaus und irgendwann noch mehr: Partys, Videospiele, Gewinnspiele und was sonst noch machbar sein könnte. „Wir haben all diese NFT-Sammlungen gesehen, die sonst keinen Nutzen haben“, so Aronow. Er glaube, dass mit NFTs als dieser revolutionären Blockchain-Technologie mehr anzufangen sein müsste. Nicht sofort … aber nach und nach. Und genauso wurde es auch auf der Website des Projektes angekündigt.

Die technische Entwicklung des Projektes startete im Februar 2021. Wobei das Team das Ökosystem der Ethereum-Blockchain durch learning by doing kennenlernte. Keiner von ihnen hatte zuvor mit einer Blockchain oder Smart Contracts gearbeitet. Als „schrottig“ und „friemelig“ beschreiben die Entwickler daher so manche Code-Zeile, auf der das Milliarden-Projekt aufsetzt. Anfangs finanzierten sie sich mit Ersparnissen und Rücklagen. Aber die Gruppe war dennoch gewillt, die Idee zu verwirklichen – selbst, wenn sie grandios scheitern sollte. Alleine schon, weil es eine fantastische Geschichte abgeben würde. „Wir könnten wenigstens sagen: So haben wir unseren Sommer verbracht“, sagte Aronow. „Wir haben den Bored Ape Yacht Club gebaut und es war eine totale Katastrophe.“

Ein Distinktionsmerkmal

Gescheitert sind Yuga Labs und der Bored Ape Club aber bei weitem nicht. Selbst seit der große Hype um NFTs seit Beginn des Jahres 2022 abklingt, sind die Affen-NFTs weiterhin sehr beliebt und werden zu Unsummen gehandelt. Wieso genau und was den Reiz der Affen ausmacht, das lässt sich nicht eindeutig bezeichnen. Laut dem Kulturreporter Kyle Chayka von The New Yorker sei zumindest zu Beginn der Club- und Gemeinschaftsaspekt durchaus ein Faktor gewesen, der auch für das steigende Interesse am BAYC gesorgt hat. Auf Twitter, Instagram und anderen Social-Media-Kanälen änderten NFT-Käufer ihr Profilbild in das ihres Affen – und regten dadurch Nachfragen und Diskussionen an.

Bored-Ape-Yacht-Club-Mitglieder präsentierten ihr NFT als nerdiges Statussymbol. „Es ist aber noch mehr ein Distinktionsmerkmal“, sagt ein Bored-Ape-Käufer. „In den ersten Wochen nach dem Launch hast du damit, ohne ein Wort sagen zu müssen, alle wissen lassen, dass du früh dabei warst. Dass […] du glaubst, dass [Bored Ape Yacht Club] es schaffen wird.“ Der Affen-Avatar funktionierte dadurch auch als Signal und Prüfsumme für andere Käufer. „Wenn ein Käufer seinen Twitter-Profilbild zu einem Bild eines neuen NFT-Clubs ändert, ist das ein Zeichen der Zugehörigkeit und auch ein Signal an andere Käufer im Club, ihm in den sozialen Medien zu folgen“, schreibt Kyle Chayka. Ein Affen-NFT repräsentiert soziales Kapital.

Mittlerweile stehen die Affenbilder in den kleinen Avatar-Feldern der Social Networks aber auch für etwas anderes: für Wohlstand, ein Gefühl für Trends, ein – zumindest hinsichtlich des Kaufs eines Bored Ape – Händchen für potentiell gute Investitionen oder einfach nur viel Glück. Wer früh einen Bored Ape gekauft und spät verkauft hat, hat damit seinen Einsatz vervielfacht, und wer sich jetzt einen Bored Ape kauft, der muss bereits eine Zahl mit mehreren Nullen dahinter auf dem Konto oder in der digitalen Brieftasche haben.

Passend dazu startete Twitter Ende Januar 2022 als Teil seines Bezahlprogramms Twitter Blue die Möglichkeit, nicht nur einen Screenshot eines NFTs einzubinden, sondern dieses direkt aus der digitalen Brieftasche zu laden – und so zu beweisen, dass derjenige nicht nur ein Blender ist, sondern ihm das NFT wirklich gehört. Der NFT-Avatar wird dann nicht in dem bekannten Kreis angezeigt, sondern in einem abgerundeten Hexagon. Instagram will bei dieser Praxis bald nachziehen.

Ein gewichtiger Teil des Erfolgs vom Bored Ape Yacht Club ist aber insbesondere pure Spekulation. Gekauft werden die Affen-NFTs eben nicht nur, weil sich Käufer damit identifizieren und Teil einer virtuellen Gemeinschaft sein wollen. Sondern weil sie auf weitere Wertsteigerungen setzen und hoffen, die NFTs irgendwann mit massivem Gewinn wieder zu verkaufen oder anderweitig davon zu profitieren. Unter diesen Spekulanten sind nicht nur Privatpersonen, sondern auch immer öfter finanzstarke Fonds, Firmen und Sammlerkollektive.

Aus diesem Grund wächst die Kritik am Bored Ape Yacht Club – auch durch Künstler und NFT-Sammler. Der Club- und Community-Gedanke sei binnen weniger Monate durch Gewinnsucht und aussichtsreiche Verkäufe abhandengekommen, heißt es. Die Affenbildern seien mehrheitlich zur Geldanlage oder zum Spekulationsobjekt einer kleinen Elite verkommen, die aufgrund des enormen Energieverbrauchs der Ethereum-Blockchain zudem ein klimaschädliches Ökosystem befördere. Für jene rund 6.400 Menschen, die jetzt einen oder mehrere Affen-NFTs besitzen, gehe es entweder ums Geld oder „um das Ego“, schreibt der Kunst- und Kulturkritiker Jonathan Jones in The Guardian. „[Der Bored Ape Yacht Club] ist eine zynische Schöpfung.“

Laut den Yuga-Labs-Gründern sei die Spekulation mit den Bored-Ape-NFTs etwas, das auch nicht in ihrem Sinne sei. Aber natürlich profitiert Yuga Labs sowohl mittelbar als auch unmittelbar von den Geldmengen, die in die Wetten mit und um die Affenbilder fließen – und zwar massiv. Und sowohl das Geld als auch die Beachtung will Yuga Labs für ein großes Experiment nutzen.

Ein neues Disney?

Etwas weniger als 40.000 Euro soll der Bored Ape Yacht Club von der Idee bis zum Start der NFT-Reihe gekostet haben. Mittlerweile wird der Wert des als Lifestyle-Firma umschriebenen Start-ups Yuga Labs aus Alexandria, Virginia auf über 3,6 Milliarden Euro geschätzt. Es hat Investitionen von 410 Millionen Euro eingesammelt – und damit die Rechte an den NFT-Serien CryptoPunks und dessen Nachfolgeprojekt Meebits von Larva Labs gekauft. Die Firma hat heute mehrere Angestellte, die Social-Media-Aktivitäten, Finanzen und Partnerschaften mit anderen Unternehmen koordinieren. Denn Yuga Labs und der Bored Ape Yacht Club werden als potentielles Medien- und Markenimperium gehandelt. Eine Art Disney des Web3, das einen neuen Umgang mit geistigem Eigentum und Charakteren erproben will.

Zu diesen Schöpfungen gehören neben den gelangweilten Affen mittlerweile auch deren Mutanten-Doppelgänger. 10.000 davon wurden Ende 2021 versteigert. Bis zu 10.000 weitere können erzeugt werden, in denen Bored-Ape-NFT-Besitzer ihren Originalaffen mit einem Mutanten-Serum-NFT infizieren, das sie von Yuga Labs in ihre digitalen Wallets geschickt bekommen haben. Dazu kommt mit dem Bored Ape Kennel Club auch eine Reihe „vierbeinigen Begleitern, die jeder Affe haben sollte“. Die Gewinne aus deren Verkäufen sollen zu 100 Prozent an Wohltätigkeitsorganisationen gehen.

Wer eines der Bored-Apes-NFTs besitzt, kann damit nicht nur auf – mehr oder minder – exklusive Bored-Ape-Partys gehen, in einem exklusiven Discord-Chat mit den teils prominenten Bored-Ape-Fans diskutieren oder ist automatisch als Gast für das Ape Fest 2022 eingeplant, sondern bekommt von Yuga Labs auch das Recht zugestanden, das eigene NFT kommerziell auszuschlachten. Die Affen, ihre Mutanten-Doppelgänger und Hunde – und mittlerweile auch Larva-Labs-Cousins – dürfen nach Rücksprache mit Yuga Labs auf T-Shirts gedruckt, als Tapetenmuster verkauft oder als Comic-Figur vermarktet werden. Ebenso dürfen sie auch an alle möglichen Unternehmen lizenziert werden. Entsprechend gibt es bereits Bored-Ape-Bier, Bored-Ape-Skateboards und Bored-Ape-Cannabis. Mit Bored & Hungry ist ein Fastfood-Restaurant geplant, das vom Bored Ape Yacht Club inspiriert ist und im April 2022 in Long Beach, Kalifornien eröffnen soll.

Der Sportartikelhersteller Adidas hat den Bored Ape Nummer 8774 gekauft und diesen gemeinsam mit Affen des NFT-Sammlers gmoney in Adidas-Sportanzüge gesteckt, um eigene NFT-Projekte und physische Produkte zu bewerben, die vom Bored Ape Yacht Club und Web3 inspiriert sein sollen. Der Musikproduzent Timbaland hat angekündigt, mit sechs Bored-Ape-NFTs eine virtuelle Band nach Vorbild der Comic-Band Gorillaz aufzubauen. Der Musikverlag Universal Music hat ganz ähnliche Pläne. Mit Kingship soll eine konkurrierende Affenband aufgestellt werden. Für die wurde im März 2022 der Bored Ape Nummer 5537 für 125 Ether – zu diesem Zeitpunkt rund 329.000 Euro – ersteigert.

Die Talent- und Sportagentur Creative Artists Agency hat wiederum mit dem pseudonymen NFT-Sammler 0xb1 einen Vertrag geschlossen, um dessen Bored-Ape-NFTs mittels Lizenz- und Partnerschafts-Deals etwa in TV-, Film- und Musikproduktionen oder auch Werbung zu vermarkten. Interesse daran scheint vorhanden. Die Affen sind jenseits ihrer Optik blank saltes, die sich mit einer Persönlichkeit, einer Hintergrundgeschichte, Talenten und einer Stimme ausstatten und zu Charakteren aufbauen lassen – und auch nahezu frei und ohne Einschränkungen aufgebaut werden dürfen.

Yuga Labs’ NFT-Sammelsurium funktioniert auf diese Weise als Gegenmodell zu sonstigen Unternehmen, deren Wert und Tun zu einem Gros aus der Verwaltung und Nutzung von bekannten fiktiven Charakteren, Figuren und Markenzeichen besteht. Wie beispielsweise Disney mit seinen Star-Wars- und Marvel-Welten, Nintendo mit Videospielcharakteren wie Mario und Yoshi oder auch Sanrio, das Hello Kitty, und Hasbro, das My Little Pony vermarktet. Sie überwachen streng, in welche Produkten die Charaktere auftauchen, in welchen Filmen, Serien und Werbe-Clips sie eine Rolle spielen und für welche Zwecke sie sonst adaptiert werden. Nicht selten werden schnell Anwälte eingeschaltet, wenn Fans eigene Produkte oder Hobby-Projekte mit ihnen arrangieren.

Alles, das Leute mit den Affen erschaffen, lässt die Marke wachsen.

Wylie Aronow

Der Bored Ape Yacht Club soll laut seinen Machern als eine offene und dezentrale Marke funktionieren. „Alles, das Leute mit den Affen erschaffen, lässt die Marke wachsen“, sagt Wylie Aronow. Die Fans und NFT-Besitzer sollen den Bored Ape Yacht Club und andere Yuga-Labs-Marken bekannter machen. Ganz ähnlich wie Memes sollen die Affen, CryptoPunks und Co. sich zunächst einen unverrückbaren Platz in der Internetkultur erkämpfen und dann mehr und mehr in die Realität gehievt werden. Marketing- und Medienexperten wie Anthony McGuire sehen durchaus die Möglichkeit, dass es in wenigen Jahren etwa Bored-Ape-Sportmannschaften geben könnte.

Auf die Otherside

Das Team hinter den gelangweilten Affen arbeitet auch mit den nunmehr mehreren Hundert Millionen Euro schweren Ressourcen daran, deren Sichtbarkeit, Einfluss und auch Nachhaltigkeit zu steigern. Dafür sollen zuvorderst die bisherigen Affenbesitzer bei Laune gehalten und für ihre Investitionen stetig belohnt werden. Für sie wurden bereits Partys veranstaltet, eine digitale Schatzsuche organisiert, bei der der Gewinner fünf Ether ergattern konnte, ein YouTube-Kanal mit Musik-Dauer-Livestream gestartet und ein Mobile-Game entwickelt, in dem Affen gegen Mutanten antreten (das zum Zeitpunkt der Artikelveröffentlichung von Apple für den Start im AppStore noch nicht freigegeben ist). Eine Merchandise-Modelinie im Bored-Ape-Yacht-Club-Stil ist bereits erhältlich.

Im März 2022 brachte Yuga Labs dann den ApeCoin an den Start, eine eigene Kryptowährung, die als Token auf der Ethereum-Blockchain existiert. Jeder NFT-Besitzer bekam einen Anteil davon kostenlos per sogenanntem Airdrop in seine Wallet. Die Münzen gewähren den Nutzern Mitbestimmungsrechte über eine automatisierte Firma – eine sogenannte DAO – und dadurch Einfluss auf die Richtung, die der Bored Ape Yacht Club einschlagen soll. Vor allem soll der ApeCoin aber bald als Zahlungsmittel in allen neuen Projekten von Yuga Labs dienen. Und Ideen für solche hat das Start-up offenbar so einige, wie eine Präsentation verrät, die Yuga Labs für Investoren vorbereitet haben soll – und die geleaket wurde. Dass sie echt ist, bestätigte Greg Solano, führte aber an, dass manche Inhalte bereits veraltet seien.

Bereits mit einem Animationsvideo angekündigt ist eine virtuelle Welt – ein Metaverse –, die auf den Namen Otherside hören soll. Viel mehr als Second Life, Decentraland oder Metas Horizon soll es ein Videospiel mit Rollenspielaspekten werden: eine Geschichte, Rätsel, Aufgaben und gemeinschaftliche Zusammenarbeit soll es bieten. Denn, wie es in der Präsentation heißt, sind die bisherigen Metaverse-Projekte alle „irgendwie langweilig“. Ein MetaRPG – ein Role-Playing Game – wird Otherside daher in der Präsentation genannt. Und das soll sowohl die gelangweilten Affen, die CryptoPunks als auch andere NFT-Kunstfiguren zusammenführen. Die Otherside-Welt solle für andere Entwickler von NFT-Serien offenstehen – dadurch sollen auch jene sich begeistern können, die finanziell und kulturell keinen Zugang zum Affenthema finden.

Dabei sollen natürlich die Eigenheiten der NFT-Kultur in dieses Metaverse übertragen werden. Es soll einzigartige Figuren, virtuelle Kleidungs- und Schmuckstücke geben. Und auch der Verkauf und Besitz von rund 70.000 virtuellen Landstrichen wird in Aussicht gestellt, die die Nutzer dann mit eigenen Inhalten bebauen und füllen könnten. „Ich bin im Moment ein Metaverse-Maximalist.“, sagt Yuga-Labs-Co-Gründer Wylie Aronow in einem Interview mit Rolling Stone. Er glaube, dass Welten und Erfahrungen, wie sie Ready Player One zeichnet, nicht mehr in weiter Ferne liegen. Yuga Labs soll bereits in Gesprächen mit mehreren Videospielentwicklern sein, um diese Vision umzusetzen.

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Das für Blockchain-Videospiele bekannte Studio Animoca soll bereits an einem Mario-Kart-artigen Rennspiel und ein weiterer Entwickler an einem Arena-Shooter arbeiten, die in Otherside integriert werden könnten. Ebenso sollen bereits die 10.000 Originalaffen des Bored Ape Yacht Club als 3D-Modelle gestaltet werden. Gleichsam wollen die Affenväter ihre Kreationen in bereits bestehende Videospiele und andere digitale Räume bringen – beispielsweise in den Third-Person-Shooter Fortnite, in dem auch schon Marvel- und DC-Superhelden einen Gastauftritt gefeiert haben. Jeder, der einen NFT-Affen besitzt, das wünschen sich die Yuga-Labs-Gründer, soll mit eben diesen ins Gefecht ziehen. Dass das tatsächlich gelingt, will Yuga Labs aber noch nicht versprechen.

Sowieso lässt sich nicht sagen, ob die Macher vom Bored Ape Yacht Club auch nur irgendeine der großen Ideen realisieren können. Sie gehen mit viel Geld und wenig Erfahrung eine gigantische Wette ein. Sie wollen aus einem vollkommen unerwarteten Kulturphänomen, das noch keiner wirklich entschlüsseln konnte, binnen kürzester Zeit ein digitales und radikal anderes funktionierendes Medien- und Popkultur-Ökosystem aus dem Boden stampfen. Dabei droht jederzeit, dass die Begeisterung für die Affenbilder so schnell in sich zusammenfällt, wie sie einst aufgekommen ist. Das Motto scheint dabei das gleiche, das den Bored Ape Yacht Club erst möglich machte. Selbst, wenn die großen Ambitionen und Pläne scheitern, wird zumindest eine unterhaltsame Geschichte dabei herumkommen.

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