Im deutschen Teletext findet gerade eine Weltpremiere statt: Mit TeleNFT läuft die erste Ausstellung von NFT-Kunstwerken im über 40 Jahre alten Medium Teletext. 15 international bekannte Künstlerinnen und Künstler steuerten pixelige Arbeiten bei, die am Ende für einen guten Zweck versteigert werden sollen.
Von Wolfgang Kerler
Viel Platz hatten die Kreativen nicht, um sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Rolle technologischer Fortschritt eigentlich im Kontext von ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Krisen spielt: genau 78 mal 69 Pixel. Auch farblich konnten sie sich nicht austoben, denn neben schwarz und weiß erlaubt das Medium nur sechs Farben.
Dass trotz dieser Limitierungen eine vielfältige, inspirierende und oft auch witzige Ausstellung entstehen kann, lässt sich zurzeit – nach einer kleinen Erklärung, worum es in dem Projekt geht und was NFTs eigentlich sind – ab Seite 480 des Teletexts von SAT.1 bewundern. Zum Teil per Hand vorgezeichnet, zum Teil von Künstlicher Intelligenz erschaffen, aber immer mit der Software TIUS für den Teletext aufbereitet, beschäftigen sich die 15 gezeigten Arbeiten mit Themen wie der Förderung und Verbrennung von fossilen Brennstoffen, die den Klimawandel anfeuern, dem steigenden Meeresspiegel, der ganze Inseln bedroht, mit Schwarzen Löchern oder der Leere, die unser TV-Konsum zurücklässt.
Gleich mehrere Werke thematisieren außerdem die beiden Medien selbst, also NFTs und den Teletext. Der KI-Künstler Quasimondo, alias Mario Klingemann, kombinierte für Time is what we die of ein von einer Künstlichen Intelligenz generiertes Zitat mit selbstgeschriebenem Code, um „mit den Limitierungen und Möglichkeiten des Teletext-Systems“ zu spielen, wie es in der Beschreibung heißt. Der Wiener Digitalkünstler Nissla, alias Bernhard Nessler, spielt mit Too bored to right-click auf die immer wieder aufflammende Diskussion an, wieso man sich ein NFT kaufen sollte, um sein Eigentumsrecht an einem digitalen Kunstwerk zu verbriefen, wenn man es doch einfach per Rechtsklick auf die Festplatte herunterladen kann.
Auch der Konzeptkünstler @MaxHaarich, der das Projekt TeleNFT zusammen mit Gleb Divov initiierte und kuratierte, griff die Debatte um den NFT-Hype auf. Er kreierte die Arbeit Urinal, die mit weißen Pixeln auf schwarzem Grund ein Pissoir zeigt, das auf dem Rücken liegt. Sie referenziert damit auf das Objekt Fountain des französischen Künstlers Marcel Duchamp, das einen heftigen Streit darüber auslöste, was eigentlich Kunst ist und was nicht, als es 1917 gezeigt wurde. Denn es bestand aus einem gewöhnlichen, um 90 Grad gedrehten Pissoir auf einem Sockel. „Während Duchamp vor 100 Jahren bewies, dass alles Kunst sein kann, beweisen NFTs heute, dass alles ein digitaler Vermögenswert sein kann – sogar eine Teletext-Seite“, erklärt Max Haarich den Gedanken, der ihn zu Urinal inspirierte.
Erst Podcasts über Festnetztelefon, jetzt NFTs im Videotext
NFTs, also Non-Fungible Tokens, halten auf einer Blockchain unabänderlich und für alle sichtbar den Eigentümer eines digitalen Objekts fest, zum Beispiel eines Kunstwerks. Zwar kann die dazugehörige Bild- oder Videodatei weiterhin unendlich oft kopiert und Internet verbreitet werden, durch das NFT lässt sich aber nachweisen, wem es tatsächlich gehört oder zumindest, in wessen digitaler Brieftasche es liegt. Dadurch ermöglichen sie den Handel mit ganz unterschiedlichen digitalen Gütern – vom Grundstück in einer Gaming-Welt bis zur virtuellen Sammelkarte.
Der schon 2020 beginnende Hype um NFTs hatte seinen ersten Höhepunkt im März 2021, als die Bildersammlung Everydays: The First 5000 Days des Digitalkünstlers Beeple für fast 59 Millionen Euro versteigert wurde. Ziemlich schnell hatte Max Haarich, der schon früh in die NFT-Kunstszene einstieg, dann auch der Einfall für TeleNFT. Die Ausstellung knüpft nämlich an ein Projekt an, bei dem es ebenfalls darum ging, digitale Inhalte für Menschen zugänglich zu machen, die noch analoge Medien nutzen. „Vor zwei Jahren hatten David Lipgens und ich die Idee, Podcasts übers Festnetztelefon anzubieten, damit sich auch Leute ohne Internet Podcasts anhören können“, sagt Max Haarich im Gespräch mit 1E9. „In einem nächsten Schritt wollten wir die Podcasts dann eigentlich noch im Teletext bewerben.“
Das mit der Teletext-Werbung klappte zwar nicht mehr, aber zumindest fanden die beiden heraus, dass der befreundete Münchner Code-Artist Matthias Waldorf, der ebenfalls mit einem Kunstwerk beteiligt ist, die TIUS-Software für Teletext geschrieben hatte, die schon in vielen Ländern Europas in im Einsatz war. „Und als ich dann mit NFTs aktiv wurde, habe ich den einfach angehauen: Hey, was hältst du davon, wenn wir einfach NFTs in den Teletext bringen und gleichzeitig den Teletext auf die Blockchain.“ Als dann auch noch ProSiebenSat.1 bereit erklärt hat, einen Seitenbereich für die Aktion zur Verfügung zu stellen, startete Max über Twitter im vergangenen Sommer einen Aufruf, über den er die 15 Künstlerinnen und Künstler erreichte, deren Arbeiten nun zu sehen sind.
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Jetzt Mitglied werden!„Beim Thema für die Ausstellung war klar, dass auch Umwelt und Klimaschutz zentral sein sollen“, sagt Max. Schließlich würden NFT-Projekte immer wieder dafür kritisiert, dass sie zu viel Energie verbrauchen. Das ist dann der Fall , wenn NFTs auf einer Blockchain wie Ethereum gemintet, also erschaffen, werden, die viel Rechenleistung erfordert und einen entsprechend hohen CO2-Fußabdruck hat. Um das zu vermeiden, entschieden sich die Künstlerinnen und Künstler für die Tezos-Blockchain, die mit viel weniger Energie auskommt.
In Kürze soll der Verkauf der NFTs beginnen, dessen Erlös sich alle beteiligten Kreativen teilen. Das Finale der ganzen Aktion soll dann die Versteigerung des namensgebenden TeleNFTs werden, in dem alle 15 Beiträge in einer Endlosschleife zusammengefasst sind – „als Verweis auf die Dauerhaftigkeit eines Blockchain-Eintrags“, wie die Kuratoren schreiben. Das damit verdiente Geld soll vollständig für ein Naturschutzprojekt gespendet werden.
Wer jetzt nicht mehr genug von Pixelkunst kriegen kann, sollte sich übrigens auch noch das MUTA ansehen, das Museum of Teletext Art, das ebenfalls Partner von TeleNFT ist. Denn in den über 40 Jahren seines Bestehens wurde der Teletext schon oft von Kunstschaffenden als Medium entdeckt, und Dank TeleNFT bleibt er uns nun ewig erhalten.
Titelbild: Die Arbeiten aus der TeleNFT Ausstellung
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