GoldenNFT Project: Mit Krypto-Kapitalismus die Einwanderung hacken

Das Peng! Kollektiv ist bekannt für subversive Aktionskunst, die auch mal vor den Kopf stoßen kann. Mit der Aktion GoldenNFT will die Künstlergruppe nun zeigen, dass sich Einwanderungsregeln mit Kapitalismus hacken lassen. In einigen europäischen Staaten gilt nämlich: Wer zahlt, darf rein. Peng! will den Hype um NFTs nutzen, um Familien aus Afghanistan in die Europäische Union zu bringen.

Ein Beitrag von Stefan Danders aus der 1E9-Community

Was ist eigentlich Kunst? Und was ist ihre Aufgabe in der Gesellschaft? Darauf gibt es sicherlich so viele Antworten wie Künstler. Eine der Antworten könnte sein, dass Kunst den Finger in die Wunde legen soll. Das tut zumindest das Peng! Kollektiv, wenn es Missstände in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft entlarvt. Von der Waffenlobby bis zur Pharma-Industrie zeigen die sogenannten Penguine auf, worüber geredet werden sollte. Führen wir die Metapher des Fingers und der Wunde weiter, reden wir bei der aktuellen Kampagne mindestens über eine gesellschaftliche Fleischwunde: Es geht um die Flüchtlingskrise und den Umgang mit Menschen auf der Flucht. Ein Missstand, der mehr als eine vorübergehende Krise darstellt.

Diese Fleischwunde eitert schon längst. Das durch einen Großbrand zerstörte Flüchtlingslager Moria stand sinnbildlich für das Elend, das damit einhergeht – und die Nachfolgerlager machen es wenig besser. Es wirkt, als hätten wir uns damit abgefunden, lieber auf einem Bein weiter zu humpeln, als die Ursachen der Krise zu behandeln. Eine immer rigidere Grenzpolitik der Europäischen Union schottet konsequent ab. Sowohl unter Zuhilfenahme von Hochtechnologie als auch durch gewaltsame Pushbacks. Es manifestieren sich Zustände, die eher an düstere Dystopien erinnern, wie sie sich in Cyberpunk-Romanen oder Serien-Produktionen wie Black Mirror zeigen.

Zynisch wird es, wenn man sich bewusst macht, dass die EU die Ankömmlinge dann als Bürger*in empfängt, wenn sie zahlen können. Wer genug Geld auf den Tisch legt, der kann in nicht wenigen Staaten – darunter Spanien, Portugal und Griechenland – die reguläre Einbürgerung umgehen und sich eine Staatsbürgerschaft erkaufen, indem er beispielsweise in Immobilien investiert. Kapitalkraft entscheidet also, für wen Grenzen gelten und für wen nicht. Dieser Weg ist extrem kostspielig und wird daher gerne „goldenes Visum“ oder „goldener Pass“ genannt. Für die meisten Flüchtlinge ist das natürlich keine Option.

Es sei denn, es gäbe da eben diese spekulative Blase in einem wenig regulierten Kunstmarkt und ein Kollektiv, dass dessen Potential erkennt und zu nutzen weiß. Das Kollektiv Peng! arbeitet für die Aktion GoldenNFT mit dem Journalisten und Aktivisten Milad zusammen. Er hat die Ungerechtigkeiten in Moria auf Lesbos am eigenen Leib erfahren und unter anderem für die BBC dokumentiert. Gemeinsam mit Milad haben sich die Penguine entschlossen, in einem Experiment auf die Ungerechtigkeiten und Missstände hinzuweisen und gleichzeitig für einige Menschen die Flucht zu beenden.

Der Plan: den Hype um Krypto-Währungen und NFTs – Non-Fungible Token – nutzen. Daher wurde eine Kollektion NFT-Kunstwerke aufgelegt, die in 5.555 Exemplaren zu je 0,05 Ether angeboten wird. Von dem Erlös werden im Namen von Flüchtlingen „südeuropäische Immobiliengeschäfte“ getätigt und dadurch so vielen Menschen wie möglich ein goldenes Visum besorgt. Der initiale Verkaufserlös ist aber nur ein Teil der Rechnung. Werden die NFTs weiterverkauft, erhält Peng! zehn Prozent des Weiterverkaufspreises. Diese Einnahmen sollen ebenso genutzt werden, um Pässe für Flüchtlinge zu erkaufen.

Den 5.555 NFTs liegen 16 sogenannte Genesis-NFTs von namhaften Künstlern zugrunde. Diese sind in der Summe enthalten. 5.539 NFTs sind sogenannte Collectibles, die ein Script auf Basis dieser Ursprungsausgaben generiert hat. Der erste Verkauf von Peng! erfolgt „verdeckt“. So kann niemand erkennen, ob ein Genesis-NFT oder ein Collectible erworben wird. Werden die NFTs später weiterverkauft, ist das aber offensichtlich. Entsteht nun ein Hype könnte die Provision von zehn Prozent dafür sorgen, dass eine beträchtliche Summe für weitere Aufenthaltsrechte erlöst wird. Im ersten Zug erhält die Familie von Milad durch die Erlöse ein goldenes Visum. Die Kosten für eine 5-köpfige Familie sollen grob 630.000 Euro betragen.

Medial hat die Aktion bereits einige Aufmerksamkeit erregt. Neben Spiegel und Zeit berichteten mehrere öffentlich-rechtliche Sender. Dies bleibt auch das Hauptaugenmerk – Anregung zum Diskurs über Missstände und Ungerechtigkeit. Nun darf man gespannt sein, ob neben dem erzielten medialen Echo der Krypto-Kunsthandel auch die entsprechenden Mittel realisiert. Es sind Werke von sehr bekannten Künstler*innen, die zum Teil hier ihre ersten NFTs überhaupt anbieten – darunter Nadine Kolodziey, The Yes Men und Sibylle Berg. Ein Sammlerwert ist also durchaus gegeben.

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Es gäbe sicher Ansätze, mit denen geflüchteten Menschen unmittelbarer und in größerer Breite geholfen werden könnte. Und bei denen die Blockchain-Technologie effektiver genutzt werden könnte. Aber das Ziel von Peng! ist nun mal ein anderes. Diese Gruppe ist kein Thinktank für Distributed-Ledger-Technologien, sondern bekannt dafür und geübt darin, den Finger in die schwärenden Wunden der Gesellschaft zu legen.

Disclaimer: Dieser Artikel ist keine Investmentberatung. Er dient rein der Information und soll niemanden zu einem Kauf von NFTs oder Krypto-Kunst anregen. Da ich den Trend der NFT-Kunst seit diesem Artikel von Michael neugierig verfolge, habe ich bei diesem Projekt zwei (verdeckte) NFT erworben.

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Teaser-Bild: Gretta Louw

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Was bleibt ist Kunst
Kleine Ergänzung zu dem Artikel

Der von dem Kollektiv erhoffte Run auf die NFT blieb leider (bisher) aus. Es wurden von >100 Käufern mehr als 400 NFTs geminted und so eine Spendensumme von mehr als 100.000 € erlöst.
Aber der Betrag für fünf „Golden Visa“ ist derzeit leider nicht kurzfristig absehbar.
Die Initiatoren von Peng! betrachten das Ziel, Aufmerksamkeit für die Ungerechtigkeit, als erreicht und ziehen sich aktuell zurück. Die Erlöse sollen nun genutzt werden um ggf. der Familie auf anderen Wegen zur Einbürgerung zu verhelfen. Gelingt dies nicht, wird der Betrag an etablierte NGOs gespendet.
Meine Meinung: eigentlich schade, dass digitale Sneaker als „ digitales Sammelbild“ für mehrere Tausend Euro gehandelt werden und die 13 verbliebenen Kunstwerke von zum Teil sehr bekannten Künstlern unter den „verdeckten“ Collectibles liegen bleiben.

Ich habe auf diesem Weg wie erwähnt meine ersten Erfahrungen im NFT Umfeld sammeln können und sortiere die Eindrücke noch.
Sehr deutlich geworden ist mir, dass für viele Interessierte die technischen Barrieren (Wallet, Gas-Fee, Minting) noch sehr hoch sind. So haben die Berichterstattung und sogar eine Empfehlung von Klaas Heufer-Umlauf für viel Zuspruch gesorgt, aber proportional wenig (kaufende) Unterstützer aktiviert.

Da NFTokens viel mehr können, als nur getypte Sammelbilder zu sein und vom Konzept her für Metaversen gemacht sind, sehe ich das Thema noch in der Findungsphase. Auch die Transaktionsgebühren und das Tempo der Ethereum Blockchain halten einige Anwendungsszenarien klein. Aber weitere Layer bieten bereits Alternativen und auch Ethereum befindet sich ja in einem Evolutionsprozess.
Ich bleibe insofern optimistisch auch wenn wir bei GoldenNFT schon die Aufmerksamkeit von Kandidaten wie Cozomo bräuchten oder einen anderweitig getriggerten Hype.

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