Sie war nichts wert. Doch nun hat sie Menschen plötzlich zu Millionären gemacht. Die Kryptowährungen Dogecoin stellte in diesem Jahr die Finanzwelt auf den Kopf – mit Hilfe von Elon Musk. Aber wo kommt sie eigentlich her und wer steckt hinter der digitalen Brieftasche, in der ganze 28 Prozent aller Dogecoins stecken?
Von Michael Förtsch
Es sollte eigentlich nur ein Scherz sein. Als der IBM-Entwickler Billy Markus und der Adobe-Software-Mitarbeiter Jackson Palmer im Dezember 2013 die Kryptowährung Dogecoin starteten, rechneten sie nicht damit, jemals nennenswerten Erfolg damit zu haben. Niemals. Schließlich handelte es sich um eine Kryptowährung, die auf einem Meme aufgebaut war, dem Doge, einem treudoof dreinblickenden Shiba-Inu-Hund namens Kabosu, dessen Bild die Kindergärtnerin Atsuko Sato ins Internet hochgeladen hatte. „Ich dachte nicht groß darüber nach“, erinnerte sich Jackson Palmer 2019 in einem Interview. „Es war nur ein Gag, ein Gag, der hauptsächlich zwischen mir und meinen Freunden ablief. Wir wollten uns damit über Kryptowährungen lustig machen.“
Wir wollten uns damit über Kryptowährungen lustig machen.
Jackson Palmer
Nach dem Erfolg von Bitcoin im Jahr 2013 schien es für Palmer und seine Freunde nämlich so, als würden alle paar Minuten neue Kryptowährungen auftauchen. Eine davon dubioser und überflüssiger als die andere. Und auch der Doge bestimmte das Jahr 2013 – der Hund mit einem Gesicht, dem niemals jemand etwas Böses oder gar Betrügerisches zutrauen würde. „Es war für mich klar, dass die beiden Dinge zusammenkommen müssen“, so Palmer daher. Der Dogecoin sollte die erste Kryptowährung sein, der man vertrauen könnte. Wie auch nicht, bei diesem Hundeblick? Also schrieb Palmer zunächst einen Tweet über dieses „nächste große Ding“ und setzte eine Website auf. Zu diesem Zeitpunk noch ohne, dass eine echte Kryptowährungen absehbar war. Das wäre es auch beinahe gewesen.
Aber dann wurde Palmer vom Entwickler Billy Markus kontaktiert, der sich bereits seit einiger Zeit mit Kryptowährungen befasste. Er hatte schon an einer vom Nintendo-Game Animal Crossing inspirierten Bitcoin-Kopie namens Bells gearbeitet, die aber komplett unterging. Er bot daher an, aus dem erfolgreichen Scherz ein „echtes Ding“ zu machen, sei es auch nur, um dem Gag die Krone aufzusetzen. Palmer fand das gut. Also baute der IBM-Entwickler die Kryptowährung zusammen. Er nutzte dafür einfach die quelloffenen Protokolle der bereits existenten Währungen Litecoin und Luckycoin und setze einige „Parameter, die ich für einigermaßen sinnvoll hielt“, erinnerte er sich 2018. Alles in allem wäre Dogecoin in gerade mal drei Stunden entstanden, gestand Markus gegenüber Newsweek.
Es war eine wirklich gelungene Satire. Doch sie blieb es nicht lange. Zwar war Dogecoin, als er am 6. Dezember 2013 seinen Launch feierte, kaum etwas wert und weit von den Kursen anderer Kryptowährungen entfernt. Aber binnen weniger Tage luden sich bereits mehrere Hunderttausend Menschen die digitale Brieftasche Dogecoin Core herunter und begannen die virtuellen Hundemünzen zu schürfen. Von nahezu nichts stieg der Kurs bis zum 1. Januar 2014 auf immerhin 0,00031 Euro-Cent. Das war, nun ja, auch nur etwas mehr als nichts, aber wer einige Tausend Dogecoin sein Eigen nannte, hatte damit dennoch geldwerte Einheiten in seiner Brieftasche. Und das hatten bald viele. Bei Social-Media-Diensten wie Reddit und Twitter wurden die Hundemünzen daher gerne auch verschenkt. Mal Dutzende, mal Hunderte oder gar Tausende auf einmal. Rückblickend dürften sich manche der Wohltäter ziemlich in den Hintern beißen.
Wenn aus Spaß plötzlich Geld wird
Ab Mitte 2019 war ein Dogecoin bereits durchschnittlich zwischen 0,002 und 0,003 Euro-Cent wert. Ein Wert, der sich ziemlich stabil hielt und selbst Finanzexperten nachhaltig überraschte. Heute (Stand 21.04.2021) ist ein Dogecoin hingegen ganze 27 Cent wert. Mehr als 130.000 Prozent mehr als in den ersten Tagen der Währung. Das ist insbesondere der Community selbst zu verdanken, die sich um die Scherz-Kryptowährung gebildet hat und ihr aus Spaß an der Freude – for the lulz – mehr Sichtbarkeit verschaffte. 2014 sammelte die vor allem auf Reddit vereinte Gemeinschaft über 50.000 US-Dollar, um die Jamaikanische Bobmannschaft zur Winterolympiade zu schicken. Im gleichen Jahr wurden 67,8 Millionen Dogecoin – zu diesem Zeitpunkt 55.000 US-Dollar – eingesammelt, um den NASCAR-Fahrer Josh Wise zu sponsoren, der dann tatsächlich mit einem mit dem Shiba-Hund beklebten NASCAR-Auto an mehreren Rennen teilnahm. Ebenso wurden Dogecoin-Spenden-Marathons abgehalten, um Geld für Hilfsprojekte in Kenia und anderen Ländern zu sammeln.
Inmitten der Corona-Pandemie des Jahres 2020 entdeckten viele TikTok-Nutzer plötzlich die Spaß-Währung – und machten daraus die DogecoinTikTokChallange . Die Herausforderung, die ursprünglich der TikToker jamezg97 gesetzt hatte: Jeder solle 25 US-Dollar in Dogecoin investieren und gemeinsam werde man so daraus 10.000 US-Dollar machen. Das klappte natürlich nicht. Aber dennoch schoss der Kurs über zwei Tage hinweg um über 1.900 Prozent in die Höhe. Auch so manche professionellen Kryptoinvestoren machten mit. Darunter der Gründer des DeFi-Unternehmens Compound Robert Leshner, der genug „skin in the game“ habe, um den Trend genau zu verfolgen.
much currency. very value. so wow.
Allen voran aber war es der Tesla-Chef und SpaceX-Gründer Elon Musk, der Dogecoin immer wieder einen Push versetzte. Erstmals bezeichnete er Dogecoin 2019 als seine „fav cryptocurrency“ – und jagte dessen Kurs damit um mehrere Cent-Bruchteile nach oben. Im Dezember 2020 schrieb er: „One word: Doge“. Und nachdem Im Januar 2021 Reddit-Nutzer des Subreddit /wallstreetbets die Aktie von GameStop in die Höhe schießen ließen, machte bald darauf die Idee die Runde, das auch mit Dogecoin zu tun. Elon Musk postete daraufhin Ende Januar auf Twitter ein Bild von Dogue , eine Anspielung auf das Vogue -Magazin, was die Community als Unterstützung ihrer Sache interpretierte und den schon steigenden Kurs regelrecht explodieren ließ. Am gleichen Tag schoss der Wert der Währung auf zwei Cent.
Als Elon Musk dann am 6. Februar über Dogecoin als „zukünftige Währung der Erde“ abstimmen ließ und sich auch Snoop Dog und Gene Simmons als Dogecoin-Fans outeten, kraxelte der Kurs bis zum 8. Februar auf ein Hoch von 7 Cent. Die Aussage von Musk, dass Börsen wie Coinbase das Kaufen und Verkaufen von Dogecoin ermöglichen sollten, der April-Scherz (vielleicht ist es aber auch keiner), er werde Dogecoin „wortwörtlich auf den Mond“ bringen, oder einfach nur ein Bild von einem Hund auf dem Mond, das er postete, sorgten immer wieder für kurzfristige Kurssprünge. Die Dogecoin sprang dadurch zunächst auf 10, 20, 30 und dann sogar auf 36 Euro-Cent am 16. April. „Ich denke, einen Verbündeten wie Elon Musk zu haben, ist ehrlich gesagt ziemlich unglaublich“, sagte Billy Markus nach diesen Musk-Tweets gegenüber der Newsweek .
Seitdem ist Dogecoin immer wieder gestiegen und kurz abgestürzt, hält sich jedoch über 20 Cent, selbst nachdem andere Kryptowährungen ab dem 17. April 2020 teils drastisch einbrachen. Die Community krönt jeden dazu gewonnen Cent-Wert mit Videos und Memes, in denen sie Dogecoin, Elon Musk, aber vor allem sich selbst feierte. Vor allem alteingesessene Finanzexperten wurden durch all das überrumpelt und tun sich schwer, das Phänomen zu verstehen und zu erklären.
Wer ist der mysteriöse Dogecoin-Milliardär
Viele, die Dogecoin seit den ersten Jahren die Treue hielten oder auch selbst Hundemünzen schürften, sind inzwischen wohl ganz unverhofft zu Geld gekommen. Denn in zahlreichen Wallets finden sich Hunderttausende oder sogar Millionen von Dogecoin, die nun ein kleines oder sogar beachtliches Vermögen darstellen, wenn sie gegen eine echte Währung getauscht würden. Tatsächlich wurde so manch einer durch seine Spaßinvestition über Nacht zum waschechten Millionär und ließ sich entsprechend von der Community feiern. Andere begannen, wie sich auf Twitter und TikTok lesen und sehen ließ, hektisch ihre Festplatten und USB-Sticks nach den Wallets zu durchsuchen, die sie über Jahre nicht angetastet hatten, die aber nun einen frühzeitigen Ruhestand ermöglichen könnten.
Eine der digitalen Brieftaschen im Dogecoin-Netzwerk ist jedoch anders als alle anderen: In ihr befinden sich 36 Milliarden Dogecoin und damit 28 Prozent der Digitalwährung – mit einem Wert von 2,81 Milliarden Euro. Wem die Brieftasche mit der Adresse DH5yaieqoZN36fDVciNyRueRGvGLR3mr7L allerdings gehört, das ist unklar – und ein Rätsel. Insgesamt sind rund 50 Prozent aller Dogecoin in nur 12 Wallets deponiert. Den Dogecoin-Gründern gehört angeblich keine davon. Beide hätten sich die Dogecoin geteilt, die in den ersten fünf Minuten nachdem Start von Markus geschürft worden waren. Mehr nicht. Palmer nahm sich dazu bereits 2015 eine Pause von Dogecoin und der Kryptowelt– und besitzt nach eigenen Angaben kaum noch Dogecoin. Auch Markus ist nur noch peripher am Projekt beteiligt und gab an, seine Wallet schon vor Jahren geleert zu haben, um sich ein Auto zu kaufen.
Viele Dogecoin-Fans mutmaßen, dass Elon Musk der Mann hinter der dicken Brieftasche ist. Denn diese wurde am 5. Februar 2019 angelegt und damit in dem Jahr, in dem Musk damit begann, für Dogecoin zu werben. Dazu wurden mehrfach Einzahlungen von genau 28.061.971 Dogecoin getätigt. Eine Zahl, die zufälligerweise mit dem Geburtstag von Musk übereinstimmt, dem 28. Juni 1971. Allerdings war es auch Musk, der in seinen Tweets kritisierte, dass einige wenige Wale – wie die Besitzer von großen Mengen Kryptowährung genannt werden – ein Gros der Dogecoin besitzen. Die „zu hohe Konzentration ist das einzige wirkliche Problem“ von Dogecoin, schrieb er und bot sogar an, für die Auflösung der virtuellen Brieftaschen zu bezahlen. Sowieso ist nicht bekannt, ob Musk Dogecoin nur aus Spaß bewirbt, oder ob er tatsächlich so ernsthaft in die Kryptowährungen investiert hat, wie er es mit Tesla bei Bitcoin tat.
Wenn die Community diese Dinge verkörpert, ist das der wahre Wert.
Billy Markus
Einige Dogecoin-Fans und Reddit-Nutzer glauben Musk und vermuten einen gänzlich anderen hinter der dicken Dogecoin-Brieftasche. Und zwar keine Einzelperson, sondern ein Unternehmen: Robinhood Crypto, die Kryptoinvestmentsparte der Aktienplattform Robinhood. Hier können Einzelpersonen, aber auch Banken und andere Unternehmen in Kryptowährungen investieren. Die dicke Wallet diene als Tresor, als Cold Storage, dessen Inhalte möglichst unangetastet bleiben sollen, ist die Mutmaßung. Mindestens eine der weiteren dicken Brieftaschen soll ebenso zu Robinhood gehören – als Wallet, mit der aktiv gehandelt wird. Auch für einige weitere Brieftaschen gibt es zumindest durchaus stichhaltige Verdächtige: Jeweils eine gehört demnach den Kyptobörsen Kraken und Binance. Eine weitere sei eine gehackte Brieftasche des längst vergessenen Krypto-Start-ups Cryptsy. Und eine sei wohl eine Investition des Rappers Lil Nas X.
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Ob nun Robinhood, Elon Musk oder vielleicht doch ein gänzlich Unbekannter hinter der dicken Dogecoin-Brieftasche steht: Ihr Wert dürfte weiterwachsen. Und zumindest laut den optimistischsten Dogecoin-Fans, die an den langfristigen Erfolg der Währung glauben, könnte diese Wallet ihren Besitzer zu einem der reichsten Menschen oder einem der wertvollsten Unternehmen der Welt machen. Und zwar dann, wenn, wie gehofft wird, Dogecoin in diesem Jahr die 1-US-Dollar-Marke knackt und dann „bis zum Mond“ steigt – was heißt: Werte erreicht, die mit denen von ernsthaften Kryptowährungen vergleichbar sind.
Einer findet diese Debatten um und die Fokussierung auf den Geldwert aber gar nicht gut. Und zwar der Dogecoin-Entwickler Billy Markus. In einem ausführlichen Beitrag auf Reddit fragte er, ob „Dogecoin das wirklich verdient“. Er könne die Wertsteigerungen absolut nicht nachvollziehen und wie diese immer wieder gefeiert werden. Es werde ihm sogar unwohl dabei, wenn jemand große Summen in Dogecoin tausche und hofft, damit ein Vermögen zu machen. Für ihn liege der wahre Wert von Dogecoin ganz woanders – nämlich in den „positiven Dingen, die Dogecoin in die Welt bringt“. Die digitale Münze mit dem treudoofen Shiba Inu sei nicht dafür da, Gier und Wohlstand zu befeuern. Daher sei er „nicht wütend, aber enttäuscht“, wenn er sehe, was gerade passiert.
Ihm zufolge gehe es beim Dogecoin um „Freude, Freundlichkeit, Lernen, Geben, Empathie, Spaß, Gemeinschaft, Inspiration, Kreativität, Großzügigkeit, Albernheit, Absurdität“ und auch darum, anderen zu helfen. Wie mit den Community-Projekten, die es immer wieder in der Vergangenheit gab und auch immer noch gibt. „Wenn die Community diese Dinge verkörpert, ist das der wahre Wert“, so der Gründer. „Diese Dinge sind es, die Dogecoin für mich zu etwas wertvollem machen.“ Die digitale Währung mit dem treudoofen Hund solle „eine Kraft des Guten sein“.
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Teaser-Bild: Michael Förtsch