SolarCoin: Diese Kryptowährung soll Solarstrom kostenfrei machen

Vor sieben Jahren wurde mit SolarCoin eine Kryptowährung gestartet, die den Ausbau von Solaranlagen fördern sollte. Denn ausgezahlt werden die digitalen Münzen pro erzeugter Megawattstunde an Strom. Das Ziel der Community ist es nun, den SolarCoin so wertvoll zu machen, dass er die Erzeugung von Solarstrom praktisch kostenlos macht.

Von Michael Förtsch

Um den Klimawandel abzubremsen, muss die Stromerzeugung weltweit umgestellt und neu gedacht werden. Das Verfeuern von Öl, Kohle und Gas ist für knapp die Hälfte der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. In manchen Ländern sorgt die Energiewirtschaft sogar für bis zu 85 Prozent des CO2-Ausstoßes. Statt aus fossilen Brennstoffen muss Energie also so schnell wie möglich aus grünen Quellen wie Wind-, Wasserkraft und Sonnenschein gewonnen werden. Das passiert auch. Aber nicht schnell und massiv genug, wie immer wieder festgestellt wird. Es braucht mehr Windräder und Wasserkraftwerke. Aber auch mehr Photovoltaikanlagen – also: Solarkraftwerke. Denn die können eine große Hebelwirkung bei der Energiewende haben. Sie sind in ihrer Konstruktion simpel, können fast überall aufgebaut und auch von kleinen Initiativen, Unternehmen oder Einzelpersonen finanziert werden.

Der Digitalunternehmer und Investor Nick Gogerty startete vor nunmehr sieben Jahren mit einem kleinen Team ein gewagtes Experiment. Sie hofften, dass sie mit einem Anreiz mehr Menschen und Unternehmen dazu bringen könnte, große und kleinere Solarkraftwerke zu bauen. Dieser Ansporn war und ist auch jetzt noch eine Wette auf die Zukunft – in Form einer zum Start des Projektes noch vergleichsweise exotischen Kryptowährung. So eine starteten Gogerty und sein Team damals: den SolarCoin. Der basierte zu Beginn auf der Technik der Kryptowährung Litecoin, ist mittlerweile aber auf das moderne und mit dem Ökosystem von Ethereum kompatible Blockchain-System von Energy Web umgezogen. Nicht geändert hat sich, dass die Kryptowährung von Beginn an anders als Bitcoin oder Litecoin funktioniert.

Die Währungseinheiten werden bei SolarCoin nicht generiert, indem komplexe und energieaufwendige Rechenaufgaben von Computern gelöst werden. Stattdessen werden sie einfach ausgezahlt. Und zwar an jeden, der Solarstrom generiert. „Es gibt jeweils einen SolarCoin für eine Megawattstunde an Strom, der mit Sonnenenergie erzeugt wurde“, erklärte Gogerty das ziemlich simple Konzept der Kryptowährung, als sie gerade gestartet war. Sich für eine Auszahlung bewerben, kann theoretisch jeder mit eigener Solaranlage – einfach über die Website des Projektes. Er muss dafür lediglich nachweisen können, dass er den Strom wirklich selbst erzeugt hat, den er angibt – beispielsweise mit dem Protokoll eines smarten Wechselrichters oder Ladereglers seiner Solaranlage. Wer eine 5-Kilowatt-Anlage auf dem Dach hat, könnte pro Jahr rund 6,5 SolarCoin für sich reklamieren.

Theoretisch, sagt Justin Levinson gegenüber 1E9, der SolarCoin bei der SolarCoin Foundation heute als Chef-Entwickler betreut, hätte das Projekt natürlich auch ohne Blockchain umgesetzt werden können. Aber „der Kryptowährungsaspekt hilft, das Projekt zu dezentralisieren und lässt es in einer Art und Weise wachsen, die wir bei einem klassischen Punkte- oder Belohnungssystem nicht erlebt hätten“. Wie auch andere Kryptowährungen hat auch ein SolarCoin einen realen Gegenwert. Die virtuelle Münze kann im Wert steigen, fallen und lässt sich auf Kryptobörsen gegen andere Kryptowährungen und auch traditionelle Währungen tauschen. Für so manch einen hat sich das Betreiben einer Solaranlage und das Kassieren von SolarCoin dadurch wohl schon gelohnt.

Die meisten SolarCoin-Empfänger kommen aus Deutschland

Die Logik hinter SolarCoin ist einfach. Ein Unternehmen, eine Gemeinde oder eine Privatperson, die sich eine Solaranlage aufbaut und SolarCoin kassiert, kann darauf spekulieren, die Kosten dafür bei einem steigenden Kurs der Kryptowährung dadurch wieder einzufahren. Oder vielleicht sogar noch mehr. Ganz ähnlich wie manche hoffen, durch einen steigenden Kurs von Bitcoin, Ethereum, Cardano oder anderen Kryptowährungen einen Gewinn zu machen – oder reich zu werden. Die Hoffnung ist nicht ganz unbegründet. Derzeit ist ein SolarCoin lediglich 0,004 Euro wert. Das ist nicht viel – überhaupt nicht, aber es ist virtuelles Geld, das Solaranlagen-Betreiber quasi geschenkt bekommen. Und immer wieder steigt der Kurs, beispielsweise wenn andere Kryptowährungen durchstarten oder gute Nachrichten in der Solarbranche vermeldet werden. Im März 2021 war ein SolarCoin ganze 6 Cent wert. Im Januar 2018 sogar kurzzeitig über 2 Euro.

Was die SolarCoin-Empfänger mit der Kryptowährung tun, das ist natürlich ihnen selbst überlassen. Nicht wenige würden ihre SolarCoins hodln , sagt Levinson . Andere nutzen sie aber durchaus aktiv – da sie innerhalb der Solar- und Energieindustrie in Teilen als Zahlungs- oder Tauschmittel akzeptiert werden. „Wir haben viele verschiedene Anwendungen gesehen“, sagt Justin Levinson. Beispielsweise würden einige Energieversorger ihren Kunden erlauben, einen Teil der Rechnung in SolarCoin zu begleichen. Bei der auf PR-Arbeit im Bereich der erneuerbaren Energien spezialisierte Agentur Alesia und mehreren Solarausrüstern können Rechnungen mit der Digitalwährung beglichen werden.

Maximal wird es 98 Milliarden SolarCoin geben. Ausgezahlt wurden seit dem Start bereits über 36 Millionen SolarCoin – was 36 Terawattstunden an Strom entspricht. Die meisten davon übrigens in Deutschland. Danach folgen Belgien, die USA, Australien und die Niederlande. Mitverantwortlich dafür ist auch der Solartechnikhersteller SMA aus Niestetal, der SolarCoin im Jahr 2019 in seine Software für die Verwaltung und Überwachung von Solaranlagen integriert hat. „Dadurch wird für die Nutzer die Erzeugung und Nutzung von Solarstrom noch attraktiver“, sagt Raimund Thiel gegenüber 1E9, der bei SMA für SolarCoin zuständig ist. Es wäre für sie eine „zusätzliche Belohnung für ihre selbst erzeugte, nachhaltige Energie“.

Derzeit werden insgesamt 17.000 Anlagen über die Sunny-Portal-Software von SMA mit SolarCoin belohnt. Insgesamt sollen derzeit über 21.000 Solaranlagebetreiber regelmäßig SolarCoin ausgezahlt bekommen. Viele davon betreiben nur kleine Dachanlagen. Aber es sind durchaus auch Initiativen und Unternehmen darunter, die kleine und große Solarparks unterhalten. Und mit ACWA Power lässt sich seit 2018 auch ein saudischer Kraftwerksentwickler für seine Solarstromanlagen mit der Kryptowährung vergüten. Darunter bislang zwei Sonnenwärmekraftwerke und eine Photovoltaikkraftwerk. Das Unternehmen will SolarCoin als Anregung verstehen, seine Solarstromkapazitäten immer weiter auszubauen.

Ziel ist kostenloser Solarstrom

Ob SolarCoin tatsächlich die Solarenergie fördert, ob ein Haushalt oder ein Unternehmen, seine Solaranlage aufgestockt hat, um mehr SolarCoin gutgeschrieben zu bekommen, das lässt sich nicht sagen. Und damit auch nicht, ob SolarCoin dahingehend ein Erfolg ist. Das räumt auch Raimund Thiel von SMA ein. Zumindest lasse sich die Wirkung von SolarCoin „nur schwer beurteilen“, sagt er. Aber etabliert hat sich SolarCoin in einer kleinen Gemeinschaft schon – nicht anders als einst Dogecoin, bevor die Kryptowährung mit dem Hund zum massiven Phänomen wurde.

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Dass auch SolarCoin wieder im Wert steigt und eine gewisse Stabilität erreicht, das ist nicht unwahrscheinlich. Die Hoffnung des aktiven Teils der SolarCoin-Gemeinschaft ist, dass sich eine Solarität – oder Solarity – einstellt. Also, dass der Preis für einen SolarCoin irgendwann den Kosten entspricht, die es für die Erzeugung einer Megawattstunde an Solarstrom braucht. „Das macht die Stromerzeugung mit einer Solaranlage dann praktisch kostenlos“, erklärt Justin Levinson das von der Community erdachte Konzept. Noch ist das bei dem aktuellen Stand von SolarCoin nicht wirklich in Aussicht. Aber mit den fallenden Kosten für Solaranlagen erscheint das auch nicht unmöglich. In China, Indien, Brasilien und Spanien betragen die Durchschnittskosten pro einer Megawattstunde erzeugten Solarstrom rund 18 Euro. In Teilen des Nahen Ostens sogar nur 8,50 Euro.

Um die Solarität zu erreichen, müsse die Gemeinschaft aber wachsen und eine echte Ökonomie um den SolarCoin entstehen, meint Levinson. Das geschehe schon – wenn auch langsam. „Wir haben einen steten Zufluss von neuen Mitgliedern“, sagt er. Dazu gebe es nach SMA nun auch noch weitere Unternehmen und Institutionen, die das Projekt als interessant erachten und über eine Partnerschaft nachdenken. „Je größer die Zahl der Nutzer, umso wertvoller kann der SolarCoin werden“, sagt Levinson. „Unsere Vision ist es jetzt, in so vielen Ländern wie möglich eine Solarität möglich zu machen.“

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