Eigentlich wollte sich Twitter gegen eine Übernahme durch den Tesla-Chef und SpaceX-Gründer Elon Musk wehren. Aber nun hat der Social-Media-Dienst einem Kauf zugestimmt – für 44 Milliarden US-Dollar. Jetzt müssen nur noch die Aktionäre einwilligen. Die Meldung sorgt sowohl für Jubel als auch für Kritik. Denn Elon Musk könnte zahlreiche Änderungen der Plattform durchsetzen.
Von Michael Förtsch
Der Milliardär Elon Musk ist bereits seit Jahren nicht nur einer der berühmtesten, sondern auch berüchtigtsten Nutzer von Twitter. Er geht dort direkt auf Probleme von einzelnen Tesla-Käufern ein, teilt Memes und enthüllt Zukunftspläne für sein Raumfahrtunternehmen SpaceX. Aber er preist auf Twitter auch die Kryptowährung Dogecoin an oder spekuliert über den Kurs seiner Firmen, wodurch er Kryptowährungs- und Aktienkurse auf Himmel- und Talfahrten schickt und Untersuchungen durch Finanzbehörden provoziert. Und nicht zuletzt wird Musk gerne ungehalten und sogar beleidigend, wenn er sich durch Kritik angegriffen fühlt. Daher ist die nun durch Twitter angekündigte „Übereinkunft einer vollständigen Übernahme“ durch Elon Musk für 54,20 US-Dollar pro Twitter-Aktie und damit einen Gesamtbetrag von rund 44 Milliarden US-Dollar eine Meldung, die Aufsehen erregt und für hitzige Debatten sorgt.
Elon Musk hat bereits angekündigt, Twitter durch seine Übernahme von der Börse zu nehmen und als Privatunternehmen weiterzubetreiben. Twitter sei „der Marktplatz auf dem Angelegenheiten, die essentiell für Zukunft der Menschheit sind, debattiert“ werden. Und „freie Rede“ sei dafür und für eine funktionierende Demokratie unerlässlich. Daher solle der Dienst in den kommenden Jahren zu einer Plattform der freien und ungehinderten Debatte werden. „Ein gutes Zeichen dafür, ob es Meinungsfreiheit gibt, ist: Darf jemand, den man nicht mag, etwas sagen, was man nicht mag? Wenn das der Fall ist, dann haben wir Meinungsfreiheit“, umriss Musk sein Verständnis von „free speech“ in einem Interview.
Ebenso soll Twitter als Produkt durch einige markante Änderungen „verbessert werden“, wie Musk in einem Tweet ausführte. Unter anderem soll es neue Funktionen geben und der Algorithmus in einen Open-Source-Status überführt werden, wodurch Twitter als Plattform transparenter und offener werden soll. Auch hatte Musk bereits über die vergangenen Wochen angedeutet, er wolle das nachträgliche Editieren von Tweets ermöglichen und Dogecoin als Zahlungsoption für den Abo-Service Twitter Blue akzeptieren, der zudem günstiger werden solle.
Die noch unscharfen Pläne von Musk stoßen zum Teil auf Zustimmung, aber auch auf heftige Ablehnung. Unter anderem wird befürchtet, Musk könnte das in der Vergangenheit bereits oft kritisierte Moderationssystem von Twitter zusätzlich aufweichen und damit Hass, rechte Propaganda, Belästigung, Desinformation, Rassismus, und Sexismus auf der Plattform anheizen. Außerdem wird gemutmaßt, dass Musk Personen wie dem Verschwörungstheoretiker Alex Jones eine Rückkehr auf Twitter erlauben könnte – oder auch Donald Trump, der Twitter aber bereits eine Absage erteilt hat. Politiker wie der republikanische Abgeordnete Jody Hice und der umstrittene Hacker und Unternehmer Kim Dotcom begrüßten die Ankündigungen von Musk, Twitter zu einer Plattform der „freien Rede“ zu machen.
Der Kommentator Brad Stone von Bloomberg warnt, der Kauf von Twitter sei nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Übernahme: „Der reichste Mensch der Welt, der gesagt hat, dass ihm die wirtschaftlichen Aspekte des Kaufs von Twitter egal sind, strebt eine andere Art von Macht an: die Kontrolle über eines der größten Megaphone der Welt und die Fähigkeit, seine libertäre Ideologie in Fragen der Moderation und Desinformation durchzusetzen.“ Die Twitter-Übernahme stehe dadurch in einer Linie mit der Gründung von Fox News oder dem Kauf von The Sun , New York Post und The Times durch den Medienmogul Rupert Murdoch.
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Jetzt Mitglied werden!Unsicherheit bei der Twitter-Belegschaft
Die Bürger- und Digitalrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation sieht in dem Kauf von Twitter durch Elon Musk sowohl eine Gefahr als auch eine Chance. Denn würde der Übernahme zugestimmt, liege die „vollständige Kontrolle über Richtlinien, die fast 400 Millionen Nutzer betreffen“ in der Hand einer einzelnen Person und „in diesem Fall hat diese Person wiederholt gezeigt, dass sie die Realitäten der Plattformpolitik nicht versteht“. Die Organisation hat daher für Elon Musk und alle Twitter-Nutzer mehrere Vorschläge zusammengestellt, die Twitter zu einer nachhaltigeren und sozialeren Plattform machen könnten. Darunter sind die Punkte, „freie Rede“ nicht als Selbstzweck zu betrachten und vor allem, den Nutzern mehr Kontrolle über ihre Privatsphäre und ihre Daten zu gewähren.
Bei Twitter selbst soll die drohende Übernahme zu Unsicherheit führen. Denn bislang sei unklar, was das für die Belegschaft des Social-Media-Unternehmens, das Niederlassungen und Büros mit über 7.000 Angestellten in zahlreichen Ländern der Welt unterhält, bedeutet. Es sei nicht sicher, ob möglicherweise Entlassungen und Schließungen von Büros anstehen könnten oder welche Folgen die Privatisierung für Twitter-Angestellte hat, die einen Teil ihres Gehaltes in Aktien erhalten. Ein Teil der Twitter-Belegschaft soll Elon Musk aber auch explizit begrüßen, berichtet die New York Times. Es gebe die Hoffnung, dass der US-Milliardär die Plattform agiler, offener für Experimente, Änderungen und dadurch langfristig attraktiver und profitabler mache.
Sicher ist, dass Twitter sich durch Elon Musk verändern wird. Das könnte wiederum den Debattenraum Internet nachhaltig prägen.
Wie seht ihr die Übernahme von Twitter durch Elon Musk? Was würdet ihr euch für Veränderungen wünschen oder welche Befürchtungen habt ihr?
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