Die TU München baut jetzt einen Hyperloop

Die Studierenden der Technischen Universität München haben bereits mehrfach beim Hyperloop-Wettbewerb von Elon Musk teilgenommen und gewonnen. Jetzt steigt die Universität ganz offiziell in die Forschung und Entwicklung des Röhrenzuges ein. Dafür sollen schon bald eine Teststrecke und eine Kapsel in Lebensgröße entstehen.

Von Michael Förtsch

Mit 482 Kilometern pro Stunde schoss im Juli letzten Jahres die kleine Kapsel des Hyperloop-Teams der TU München durch eine Röhre, die entlang des SpaceX-Hauptquartiers bei Los Angeles aufgebaut worden war. Damit gewannen die Studierenden aus der bayerischen Hauptstadt bereits zum vierten Mal den Preis für den schnellsten Hyperloop-Pod bei der bis 2019 alljährlich stattfindenden Hyperloop Pod Competition, die der SpaceX-, Tesla- und The-Boring-Company-Gründer Elon Musk ausgerufen hat. Dieses Jahr wird es wegen der Corona-Pandemie keinen Wettbewerb geben – und ob im kommenden Jahr eine Competition stattfinden wird, ist ebenfalls ungewiss. Doch das TU-Erfolgsteam dürfte das nicht stören.

Wie die Universität nun angekündigt hat, wird eine Gruppe aus ehemaligen Mitgliedern des Hyperloop-Teams sowie neuen Studierenden jetzt ganz offiziell im Auftrag der Technischen Universität München und mit Unterstützung der bayerischen Staatsregierung am futuristischen Röhrenzug forschen. Die Grundlagen dafür sind bereits da. Bereits im vergangenen Jahr hatte das im Verein Next Prototype organisierte Hyperloop-Team neben dem schwarzen Pod für den Geschwindigkeitswettbewerb auch ein Parallelprojekt vorgestellt: eine Kapsel samt einer Miniaturstrecke, die zeigen sollte, wie ein vollständiges Hyperloop-Konzept funktionieren könnte. „Was wir jetzt machen werden, in den kommenden Jahren, ist, das Ganze in Groß zu bauen“, sagt Gabriele Semino zu 1E9. Er hat das Hyperloop-Team zuletzt geleitet und wird die Forschungsgruppe gemeinsam mit acht weiteren Doktoranden unter Agnes Jocher, Professorin des Fachbereiches Sustainable Future Mobility, als wissenschaftlicher Mitarbeiter betreuen.

Bayern glaubt daran

Das Ziel der TUM Hyperloop Projekt genannten und auf vorerst zwei Jahre angelegten Forschungsinitiative ist es, herauszufinden, ob ein Hyperloop wirtschaftlich sinnvoll umsetzbar und sicher zu betreiben ist. „Das sind auch die zwei großen Punkte, die tendenziell immer am Hyperloop kritisiert werden“, sagt Semino. „Das muss man sich im Detail anschauen.“ Doch um das auch detailliert und in voller Tiefe tun zu können, werden die Forscher und bis zu 90 Studierende – darunter zahlreiche, die bereits an den vergangenen Wettbewerben teilnahmen – auch selbst weiter an der Technologie und den Voraussetzungen zum Bau eines Hyperloop arbeiten. Und eben auch selbst einen echten Hyperloop konstruieren. „Das bedeutet, dass wir einen Demonstrator bauen werden“, erklärt Semino.

Dabei soll es sich nicht um ein weiteres Modell, sondern um einen rund zwei Tonnen schweren Pod in Lebensgröße handeln, der möglichst sämtliche Technik beinhaltet, die eine Hyperloop-Kapsel zum Betrieb braucht. Der soll dann auch durch eine drei Meter durchmessende und zunächst 24 Meter lange Röhrenstrecke fahren, die auf dem Gelände der neuen Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie der TU München in Ottobrunn bei München aufgebaut werden soll. „Wir haben da schon mehrere mögliche Standorte angeschaut“, erklärt der Doktorand. „So in den nächsten zwei Monaten werden wir entscheiden, wo es am besten passt.“

Die geplante Demonstrationskapsel wird im Gegensatz zur Siegerkapsel von 2019 nicht sonderlich schnell sein. Kann sie auch nicht. Denn: „Das sind eben erst einmal nur 24 Meter an Strecke“, scherzt Semino. „Da kann man mit hoher Geschwindigkeit nicht weit kommen.“ Jedoch sollen die Kapsel und die Strecke zeigen, wie ein solches System von Grund auf am effektivsten aufgebaut werden könnte. Funktioniert alles so, wie es sich die Forscher erhoffen, soll die Teststrecke dann sukzessive verlängert und ausgebaut werden, um das TUM Hyperloop Projekt zu einem „funktionsfähigen System“ aufzustocken.

Dafür werden Ressourcen der ganzen Universität benötigt. „Das ist vollkommen interdisziplinär“, sagt Semino über das Großprojekt. „Da ist alles dabei, fast jeder Fachbereich.“ Denn nebst Maschinenbauern, Elektrotechnikern und Informatikern sind nun auch Bauingenieure, Materialforscher, Physiker und Wirtschaftswissenschaftler gefragt. Mehrere Professoren sollen und wollen die Forschung und Entwicklung begleiten. Finanziert wird das aufwendige Forschungsprojekt zum Teil von der TU München selbst, aber auch mit Mitteln der Staatsregierung Bayern, die über die Hightech Agenda Bayern verschiedene Innovationsprojekte fördert. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder persönlich hat sich für das Projekt eingesetzt.

Aber auch Partnerschaften mit Unternehmen aus der Luft-, Raumfahrt-, IT- und Mobilitätsindustrie sollen helfen. Weniger mit Geld, sondern über technologische Partnerschaften – beispielsweise mit der Bereitstellung von Komponenten, gemeinsamer Forschung und technischer Beratung. „Nicht alles können wir selbst von Grund auf entwickeln“, sagt Semino. „Und manchmal ist das, was uns Firmen zu Verfügung stellen können, einfach schon perfekt und funktioniert.“

Wie der Hyperloop funktioniert, wird noch nicht verraten

Wie der Hyperloop des TUM-Hyperloop-Teams aussehen und funktionieren soll, auf welches Konzept die Münchner setzen, das soll momentan noch nicht verraten werden. Denn erst im November 2019 hat das Team mit der sogenannten Systemanalyse angefangen: also der Suche danach, welche die richtigen Antriebs- und Schwebemethoden sind und welche Kombination von Technologien genutzt werden soll. Denn Möglichkeiten und Vorstellungen davon, wie ein Hyperloop funktionieren kann, gibt es mittlerweile viele. Nahezu jedes Start-up hat ein ganz eigenes Konzept ausgetüftelt.

„Das ist auch für uns ein faszinierendes Optimierungsproblem“, sagt der Doktorand. „Wir müssen schauen, was wir genau erreichen wollen und welche Technologien dafür am besten geeignet sind – aber auch, wie diese Technologien dann andere Technologien, die wir schon haben, beeinflussen.“ Dafür habe sich das Team auch die Funktionsweisen der Systeme der große Hyperloop-Start-ups genau angeschaut hätte. Außerdem seien die Teammitglieder sowohl teils Jahrzehnte alte als auch neue Ideen für Magnetschwebe- und Antriebstechnologien durchgegangen. Darunter waren auch Überlegungen und Konzepte, die zwar erdacht, aber nie praktisch erprobt wurden.

„Wir haben da einige sehr konkrete Ideen eingesammelt“, sagt Semino. Natürlich wird sich das TUM-Hyperloop-Konzept zwangsläufig das ein oder andere Element oder eine gewisse Mechanik mit so manchem Start-up aus der Hyperloop-Branche teilen. Ähnlichkeiten sind da nicht zu vermeiden. Unter anderem soll ähnlich wie beim Pod des spanischen Unternehmens Zeleros das Gros der Technik in der Kapsel selbst stecken und nicht in der Röhrentrasse wie etwa bei Hyperloop One. Aber letztlich, meint Semino, sei der Hyperloop der TU München bislang recht eigen und anders: „Wir haben unseren eigenen Ansatz.“

Ende 2021 soll die Kapsel fertig sein

Bis die Vision des TUM-Hyperloop-Teams zur Realität wird, soll es nicht mehr so lange dauern. Ende des Jahres soll auf Papier das vorläufige Design für den Münchner Hyperloop stehen, das dann noch einmal gründlich untersucht werden soll. Dann sollen Teststände folgen, auf denen einzelne Mechaniken und Elemente ausgelotet und die Resultate von digitalen Simulationen validiert werden. Anschließend soll es schon ans Handwerkliche gehen. „Darauf freuen sich viele im Team“, sagt Semino. „Wir haben jetzt sehr lange sehr viel Theorie gemacht, gelesen und mit Literatur verbracht. Da wollen wir jetzt auch endlich etwas bauen.“

Bereits im kommenden Jahr sollen die Röhrenelemente der Teststrecke stehen. Und in rund zwölf Monaten soll auch mit der Konstruktion der Kapsel begonnen werden. Ende 2021 soll diese reif sein, um präsentiert zu werden. „Natürlich sind wir bei diesem Zeitplan jetzt noch ein bisschen flexibel“, sagt Semino. Denn auch die Hyperloop-Bauer sind von der Corona-Pandemie betroffen und können derzeit nur begrenzt zusammen planen und schon gar nicht als große Gruppe in der Werkstatt arbeiten. Dennoch sei das Team optimistisch, dass es den ehrgeizigen Zeitplan halten kann. Aber ob nun einige Monate früher oder später: Er kommt, der Hyperloop aus München.

Teaser-Bild: TUM Hyperloop / Next Prototypes

6 „Gefällt mir“

Freut mich sehr, dass nun auch in München etwas im Themenfeld Hyperloop gestartet wird, nachdem die weiteren Siegerteams der Hyperloop Pod-Wettbewerbe aus Spanien und Holland bereits Unternehmen gegründet und Fortschritte im Bau und Kommerzialisierung gemacht haben. Dort kommt die nötige Finanzierung nicht aus dem öffentlichen sondern dem privaten Bereich.

Ich bin mir nicht sicher welcher Ansatz (privat / öffentliche Finanzierung) hier besser ist. Denke die Einbettung in die Uni hat große Vorteile, weil mehr Geld und Ressourcen im Allgemeinen zur Verfügung stehen.

Auf der anderen Seite ist die Art der Planung und Arbeit selbst unter Wettbewerbsbedingungen und eben auch im Kontext eines Startups doch eine andere als an der Uni.

Ich hoffe das Münchner Großprojekt Hyperloop wird kein technikverliebtes Uniprojekt und nicht durch die Unistrukturen verlangsamt oder sogar in den Politik- und TUM-Mühlen zerrieben.

Die Meinung Frank Thelen’s würde mich hierzu wirklich interessieren. Er ist ja in Hardt Hyperloop sogar investiert und hat damit bestimmt eine klare Meinung dazu.

3 „Gefällt mir“

Naja, es kommt hier natürlich sehr auf die Zielsetzung an. Es ist ja nicht das Bemühen des TU-Teams hier gleich ein fettes Geschäft daraus zu machen, sondern eben tatsächlich erstmal herauszufinden, ob ein Hyperloop eigentlich wirtschaftlich vernünftig ist, wie er dafür aufgebaut sein sollte und wie das alles funktionieren sollte, um auch langfristig skalierbar und aufrüstbar zu sein.

Es ist ja nicht immer vernünftig, sofort alles zu kommerzialisieren. Und ich glaube, der Weg, den die TU damit geht, nämlich hier vorerst zwei Jahre der Forschung zu gehen - und dann die nächsten Schritte zu entscheiden, ist sehr, sehr vernünftig.

1 „Gefällt mir“

Und genau darin ist man wesentlich schneller und effizienter wenn man es nicht an der Uni macht. Pressure of reality.

Einen kommerziellen Ansatz verfolgen heißt nicht gleich das fette Geschäft zu machen. Im Gegenteil: Bei derartigen Infrastruktur und Technologie Projekten hat man immer einen gigantischen Investmentbedarf über einige Jahre bis man evtl mal Geschäft macht.

Für diese Summen trägt man eine andere Verantwortung, man plant anders, es entwickelt sich eine ganz andere Kultur.

Bin mir aber auch sicher, dass man Ähnliches auch an einer Uni eingebettet hinbekommen könnte, wenn man genügend Freiheit hat (nach innen und außen). Hab’s nur noch nie gesehen…

Da bin ich mir eben nicht so sicher, ob das tatsächlich stimmt. Beziehungsweise ob das in bestimmten Forschungs- und Entwicklungsbereichen stimmt. Dein „Druck der Realität“ kann auch durchaus negative Folgen haben; dazu führen, das Konzepte genutzt werden, die vielleicht nicht so durchdacht sind, nicht die erste Wahl gewesen wären, wenn kein Druck vorhanden gewesen wäre. Ich glaube, das wird man bei manchen Hyperloop- und anderen Mobilitäts-Start-ups auch in den kommenden Jahren sehen.

Für diese Summen trägt man eine andere Verantwortung, man plant anders, es entwickelt sich eine ganz andere Kultur.

Die Frage wäre da, ob das dann tatsächlich die bessere Kultur ist. Ich glaube, das ist nicht unbedingt der Fall. Denn bei manchen Start-ups sieht man ja gerade gut, wie das mit der Verantwortung für die Investorengeleder ausschaut. Nämlich nicht so gut.

Ich glaube zwar durchaus, dass das bei einem deutschen Hyperloop-Start-up - insbesondere beim großartigen Team der TU - sehr gut funktionieren könnte. Aber ich glaube, erstmal aktiv an der Uni zu forschen mit den kognitiven Kapazitäten, die eben auch nur dort zur Verfügung stehen, ist das Vernünftigste, was man tun kann.

1 „Gefällt mir“

Ich denke in Sachen Kultur und negative Folgen solcher realitätsnaher Ansätze betreibt man zu viel schwarz weiß Malerei und hat vielleicht sehr einseitige Negativbeispiele im Kopf.

Wichtig finde ich ein Modell in dem das grandiose TUM team genauso grandios weiter arbeiten dürfte. Wenn ich u.a. hierbei an den pragmatismus und den riesenschlitten des ersten Gewinner Teams denke dann wird mit fast schwindlig. Das schafft man nur unter Wettbewerbsbedingungen oder anderen Formen von Realitätsdruck. Daraus ist der Erfolg der tum hyperloop Teams erst entstanden!

An der Uni sind papers üblicherweise die Währung. Das ist dem Umsetzen von etwas großem oder komplexen oft entgegen gesetzt.

Es geht mir also ganz und gar nicht per se ums Geld verdienen die die maßlosen Ausprägungen der jüngeren VC finanzierten Startupwirtschaft.

Eine interessante Frage taucht aber dennoch auf: wann oder wie lange sind Innovationen an Unis besser aufgehoben als in privaten unternehmenskontexten?

Welche Kriterien oder einfachen Trade-offs kann man hier für eine Einschätzung zugrunde legen?

Da bin ich ziemlich anderer Ansicht. Genau den „Realitätsdruck“ (ich glaube, das ist ein furchtbares Wort) und Wettbewerbsdruck haben einige aus dem Team und den Nachfolgeteams dann im Nachhinein aber als Grund angeführt, dass viel, was theoretisch möglich gewesen wäre, nicht gemacht werden konnte. Der Wettbewerb war nur ein Anlass für die Entwicklung - aber sein Aufbau und seine zeitliche Konzeption vielleicht gerade ideal. Und eben daher finden die Studierenden es jetzt ja so gut, freier und ohne drückende Deadline arbeiten zu können.

Eine interessante Frage taucht aber dennoch auf: wann oder wie lange sind Innovationen an Unis besser aufgehoben als in privaten unternehmenskontexten?

Ich fürchte, die Frage ist so nicht beantwortbar. Denn es kommt halt immer auf den Einzelfall an.

Wir werden bald sehen welche Dynamik sich ergibt. Wird sicherlich spannend! Ich wünsche dem Münchner Team im Euro-Wettbewerb der Ideen und Konzepte nun auf Level 2 das beste.

2 „Gefällt mir“

Für mich ist es auch erfreulich zu sehen, wie ernsthaft an dem Projekt gearbeitet wird. Es gibt nach wie vor viele Skeptiker. Deshalb hängt viel von einer Testanlage ab, in dem es darum geht, in welcher Form der Hyperloop tatsächlich realisiert werden kann. Ich bin sehr gespannt.

2 „Gefällt mir“