Das Jahr 2021 ist angebrochen. Bislang ist es nicht besser oder aufregender als 2020. Doch das könnte sich noch ändern. Wir verraten euch, was wir in diesem Jahr alles erwarten können – zumindest, was Wissenschaft und Technik angeht.
Von Michael Förtsch
Ob das Jahr 2021 besser wird als das vorherige, wird sich noch zeigen müssen. Sicher ist jedoch, es dürfte ein ziemlich interessantes Jahr werden. Denn in der Wissenschaft und der Entwicklung von Technologie wird sich einiges tun. Was genau, das lässt sich natürlich nicht hundertprozentig vorhersagen. Aber wenigstens einige faszinierende Ereignisse, die wahrscheinlich eintreten, können wir schon verraten. Unter anderem sind bei der Raketentechnik mehrere Durchbrüche zu erhoffen. Auch wollen Forscher neue Erkenntnisse rund um die Fusionsenergie gewinnen. Außerdem sollen die ersten Schritte getan werden, um eine neue Ära der Überschallreisen zu ermöglichen. Ach ja, und Tom Cruise soll zur Internationalen Raumstation fliegen.
Erstes Quartal 2021
Bereits vor vier Jahren soll Facebook mit der Arbeit an einer eigenen Kryptowährung begonnen haben. Im Mai 2019 wurde sie dann als Libra angekündigt – und sollte mit jeder Menge Partnern vorangetrieben werden. Die Pläne wurden jedoch rasch und harsch kritisiert. Mehrere wichtige Partner wie PayPal sprangen ab. Dann wurde der Name von Libra in Diem geändert. Trotzdem soll die an den US-Dollar gekoppelte Digitalwährung möglicherweise schon im Januar 2021 starten.
Momentan steht der Large Hadron Collider still. Denn im Dezember 2018 wurde der riesige Teilchenbeschleuniger des CERN nahe Genf für Auf- und Ausbauten abgeschaltet. Im Frühjahr 2021 soll er jedoch wieder den Betrieb aufnehmen. Dadurch sollen weitere Erkenntnisse über die Funktionsweise unseres Universums gewonnen werden.
Im Juli 2020 startete die Mission Mars 2020 in Richtung des roten Planeten. Am 18. Februar soll die NASA-Sonde am Mars ankommen und den Rover Perseverance samt dem Mini-Helikopter Ingenuity auf der Oberfläche aufsetzen lassen. Es soll die bislang umfangreichste Erkundungsmission des roten Planeten werden. Sie soll die Daten liefern, die es braucht, um eine bemannte Mission vorbereiten zu können.
Ebenfalls im Februar 2021 wollen die Vereinigten Arabischen Emirate am Mars ankommen. Mit einer japanischen Rakete wurde im vergangenen Jahr der Orbiter Al Amal – zu Deutsch: Hoffnung – auf den Weg geschickt. Er soll aus großer Höhe verschiedenste Klimadaten sammeln, die helfen könnten, eine Wettervorhersage für den Mars zu kreieren. Insbesondere sollen sich dadurch zukünftig Stürme mit großer Genauigkeit voraussagen lassen.
Seit 1993 gilt das Übereinkommen über die biologische Vielfalt, an dem sich zahlreiche Länder der Welt beteiligen. Es legt Regeln und Ziele zum Schutz der Artenvielfalt, der nachhaltigen Nutzung der Natur und der Bewahrung einzigartiger Ökosysteme fest. Vom 17. bis 30. Mai wollen die Mitgliedsländer in Kunming, China zusammenkommen, um neue Ziele für die Zukunft zu definieren. Leider wurde keines der zuletzt 2010 Ziele vollständig erreicht.
Zweites Quartal 2021
Im September 1620 stach im englischen Plymouth das Segelschiff Mayflower in See. Mit diesem Schiff reisten die „Pilgerväter“ nach Amerika. Am 19. April 2021 soll es ihnen das Mayflower Autonomous Ship gleichtun. Nur ganz ohne Besatzung. Denn das 15-Meter-Schiff soll von einer von IBM entwickelten Künstlichen Intelligenz gelenkt werden, die ihre Umwelt über sechs Kameras und über 30 Sensoren wahrnimmt.
Am 23. April 2020 will auch China auf dem Mars ankommen. Denn dann soll die Mars-Sonde Tianwen-1 samt Rover auf der Tiefebene Utopia Planitia aufsetzen. Dazu soll in der Umlaufbahn ein Orbiter platziert werden, der den roten Planeten aus rund 400 Kilometern Höhe fotografiert.
Im vergangenen Jahr hat das US-Start-up Boom Technology den Prototyp seines Überschallflugzeugs enthüllt. Die Boom XB-1 oder Baby Boom soll bis zu Mach 2.2 erreichen. Momentan stehen noch zahlreiche Vorabtests und Simulationen an. Aber ab Mitte 2021 könnte der erste reale Testflug stattfinden. In diesem Zeitraum könnte auch die X-59 Quiet SuperSonic Technology, der Überschallprototyp der NASA, einen ersten Flug unternehmen.
Bereits seit den 1990ern träumte China davon, eine eigene Raumstation im Orbit der Erde aufzubauen. Mit dem Weltraumlabor Tiangong 1 hat die Raumfahrtbehörde des Landes 2011 bewiesen, dass sie die Technik und das Können dazu hat. Im erstem Halbjahr 2021 soll daher nun das erste Modul einer derzeit noch namenlosen Raumstation ins All gebracht werden, die dauerhaft drei bis sechs Astronauten beherbergen kann.
Drittes Quartal 2021
Durch Technologien wie die Gen-Schere CRISPR ist es möglich, das Genom in nie dagewesener Weise zu manipulieren. Die Forschergemeinschaft International Society for Stem Cell Research will daher 2021 neue Regularien erlassen, um insbesondere Forschung an „Embryo-artigen Strukturen“ zu regeln. Damit sollen ethische und moralischen Bedenken adressiert, aber Forschern zukünftig auch mehr Freiheiten gegeben werden. Debattiert werden soll das künftige Regelwerk im Juni dieses Jahres.
Auf dem El-Peñón-Gipfel des Cerro Pachón in Chile wird derzeit noch am Vera C. Rubin Observatory gebaut, das mit drei großen Spiegeln ausgestattet ist. Mit denen soll sich der für das Teleskop sichtbare Himmel in drei Nächten komplett fotografieren lassen. Es soll helfen, die Rätsel von dunkler Energie und dunkler Materie zu klären und die Milchstraße zu kartografieren. Womöglich zwischen Sommer und Ende 2021 soll es erstmals in Betrieb gehen.
Viertes Quartal 2021
Im Oktober 2021 bekommen die Astronauten auf der ISS prominenten Besuch. Denn da sollen Mission-Impossible-Schauspieler Tom Cruise und der Edge-of-Tomorrow-Regisseur Doug Liman zur Raumstation starten, um im Weltraum zu drehen. Dafür arbeiten die Filmemacher mit der NASA zusammen. Die russische Weltraumbehörde Roskosmos will da nachziehen: Für Herbst 2021 plant sie in Kooperation mit russischen Filmproduzenten und dem Salyut-7-Regisseur Klim Shipenko einen Film unter dem Arbeitstitel Vyzov – zu Deutsch: Herausforderung – auf der ISS zu drehen.
Am 31. Oktober 2021 soll das James-Webb-Weltraumteleskop, der Quasi-Nachfolger des legendären Hubble Teleskops, ins All starten. Das von der NASA gemeinsam mit der ESA und der CSA entwickelte Weltraumteleskop soll die Menschheit weiter, hochauflösender und vor allem im infraroten und nahen ultravioletten Lichtspektrum in andere Galaxien und Sternensysteme blicken lassen.
Der Hamburger Hafen soll einen Hyperloop bekommen. Das hatte zumindest die Hamburger Hafen und Logistik AG im Jahre 2018 angekündigt. Gemeinsam mit dem Start-up Hyperloop Transportation Technologies soll ein Röhrensystem für den Transport von Gütern gebaut werden. Laut der Planung der HHLA soll Oktober 2021 ein „virtueller Demonstrator“ entstehen, der zeigt, wie der Hafen-Hyperloop funktionieren wird.
Ende 2021 (oder Anfang 2022) will die indische Raumfahrtbehörde ihre dritte Monderkundungsmission starten: Chandrayaan-3. Dabei soll ein Lander auf dem Mond aufsetzen und einen Rover auf die Oberfläche entlassen. Mit Chandrayaan-2 versuchte Indien das gleiche bereits 2019 – scheiterte aber. Sollte es diesmal ohne Probleme laufen, wäre Indien das erste Land nach den USA, der Sowjetunion und China, dem das gelingt.
Im Februar 2018 brachte SpaceX die ersten Prototypen für sein Internet-Satellitennetz Starlink in den Weltraum. Ende 2020 konnten die ersten Beta-Tester das Internet aus dem All nutzen – und waren überrascht, wie gut es schon funktioniert. Ende 2021 wiederum soll Starlink dann nahezu überall auf der Welt nutzbar sein. Auch der britische Konkurrent OneWeb hofft, bis Ende dieses Jahres ersten Kunden in Großbritannien, der EU sowie Alaska, Grönland und Island schnelles Internet anbieten zu können.
Eigentlich hätte das Polarschiff Boaty McBoatface, ähm, natürlich Sir David Attenborough bereits Ende 2020 seinen ersten Einsatz antreten sollen. Doch die Corona-Pandemie und andere Herausforderungen machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Nun soll das 128-Meter-Schiff im Spätjahr 2021 in die Antarktis aufbrechen. Wissenschaftler wollen damit unter anderem den Ozeanboden, die Eisschmelze und damit das Voranschreiten des Klimawandels erforschen.
Ein Team an der TU München arbeitet an einem Hyperloop – gefördert von der Bayerischen Staatsregierung. Die Gruppe, die schon mit Modellen gezeigt hat, dass ihre Technik funktionieren kann, will über das Jahr 2021 nun den Prototypen eines Hyperloop-Pods in Lebensgröße bauen. Außerdem soll ein 24-Meter-Abschnitt einer Strecke konstruiert werden. Ende 2021 soll beides für eine Vorstellung und Tests bereitstehen.
Was sonst noch irgendwann 2021 passiert
Im vergangenen Jahr wurde das bekannte Arecibo Observatorium zerstört – und sollte, so der bisherige Plan, abgebaut und geschlossen werden. Nun hat Puerto Rico jedoch angekündigt, sich mit mehreren Millionen an einem eventuellen Wiederaufbau oder Neubau einer vergleichbaren Teleskopanlage an gleicher Stelle zu beteiligen – sollte dies beschlossen werden. Die National Science Foundation, die für die Betreuung und den Betrieb zuständig war, will sich damit befassen. Womöglich schon 2021 könnte abgesteckt werden, wie die Zukunft des ehemaligen Observatoriums ausschaut.
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Jetzt Mitglied werden!Der Joint European Torus in Culham, Großbritannien ist die weltweit größte Kernfusionsanlage. Über das Jahr 2021 hinweg wollen Wissenschaftsteams dort verschiedene Experimente mit Deuterium- und Tritium-Plasma durchführen, bei denen Fusionsenergie erzeugt werden soll. Das ist bedeutend. Denn alle anderen Fusionsexperimente weltweit arbeiten derzeit mit speziellen Testplasma-Varianten, die so nicht für ein echtes Kraftwerk geeignet wären.
Über das Jahr 2021 sollen zahlreiche neue Raketen und Raumfahrzeuge ihren Jungfernflug erleben. Darunter die von Blue Origin entwickelte New Glenn, die OmegA von Northrop Grumman, die Vulcan der United Launch Alliance und auch die Spectrum des Münchner Start-ups Isar Aerospace. Auch das Starship von SpaceX soll seinen ersten Flug in den Orbit erleben und die Boeing-Raumkapsel Starliner erstmals einen bemannten Flug durchführen.
Es ist immer noch unsicher, wo genau das Coronavirus seinen Ursprung hat. Daher will die World Health Organization in diesem Jahr ein Team nach China entsenden, um die Spur des Krankheitserregers zurückzuverfolgen – und herausfinden, wie und wo genau das Virus vom Tier auf den Menschen übergesprungen ist. Das ist nicht nur eine wissenschaftlich brisante Mission, sondern auch eine politische Angelegenheit. Denn insbesondere zwischen China und den Vereinigten Staaten sorgte das Virus für Spannungen.
Ab 2021 tritt der sogenannte Plan S in Kraft. Der ist eine Initiative, die dafür sorgen soll, dass mit öffentlichen Geldern finanzierte Forschungsprojekte ihre Ergebnisse und Studien unter einer offenen Lizenz veröffentlicht werden. Über 18 Länder sind daran beteiligt.
Quantencomputer sollen die Art und Weise, wie Computer arbeiten, nachhaltig verändern. Noch ist die Technologie dahinter in der Forschungsphase – doch sie soll in diesem Jahr einige große Sprünge erleben. Unter anderem will das Start-up IonQ erstmals einen Prototyp seiner Hardware vorstellen. IBM will hingegen einen Rechner konstruieren, der über 127 Qubits verfügt, das Äquivalent zum Bit in der Quanteninformatik. Das Unternehmen IQM will sogar einen ersten Quantenrechner fertigstellen, der dann von Kunden genutzt werden kann.
2021 dürfte für Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook und Apple eine Herausforderung werden. Denn sowohl in den USA als auch Europa begann 2020 eine Debatte darüber, nicht nur ob, sondern auch wie die Macht der größten Tech-Unternehmen begrenzt werden kann. US-Staatsanwälte stießen Klagen an. In Europa wurden der Digital Services Act und der Digital Markets Act ausgearbeitet, die die Regulierung von Big Tech neu ordnen und zuständigen Stellen mehr Befugnisse einräumen sollen.
Im vergangenen Jahr hat das Elektroauto in Deutschland seinen Durchbruch geschafft – zumindest etwas. Fast 10 Prozent aller neu zugelassenen Wagen waren Stromer. Das dürfte sich 2021 noch verstärken. Denn dann kommt eine höhere CO2-Steuer auf fossile Kraftstoffe. Dazu bringen zahlreiche Unternehmen ihre Debüt-Fahrzeuge und neue Elektroautos auf die Straße. Darunter sind die Tesla-Konkurrenten Lucid Motors mit dem Air und Rivian mit dem R1T-Pick-up. VW veröffentlicht hingegen den ID.4, BMW den iX, der britische Autobauer MG bringt das SUV ZS EV und das chinesische Unternehmen Suda den SA01.
Teaser-Bild: Brice, Maximilien // CERN