Schneller, flexibler und günstiger als die Konkurrenz will Isar Aerospace Trägerraketen bauen, um damit kleine und mittlere Satelliten ins All zu bringen. In Ottobrunn bei München hat das Start-up nun seine Produktionshalle eröffnet – zusammen mit dem bayerischen Ministerpräsidenten. Ende 2021 soll die erste Spectrum-Rakete „made in Germany“ starten.
Von Wolfgang Kerler
Außer ein paar 3D-Druckern, Drahterodier- und Fräsmaschinen, die am Rand der Halle stehen, ist das neue Raketenwerk noch ziemlich leer, das nur ein paar Minuten Autofahrt von München entfernt ist. Auch in Corona-Zeiten bietet es daher genug Platz, um eine überschaubare Zahl an geladenen Gästen zu empfangen. Investoren, Wissenschaftlerinnen, Politiker und Medien.
Doch bald wird die Fabrik ihre Arbeit aufnehmen, kündigt Daniel Metzer, Chef und Mitgründer von Isar Aerospace, im Gespräch mit 1E9 an. „Wir werden hier eine größtenteils automatisierte Trägerraketen-Produktion sehen. Die erste Rakete von Isar Aerospace wird bereits hier assembliert werden.“ Viele weitere sollen folgen. Selbst die Vergrößerung des Werkes ist schon einkalkuliert. „Unsere Systeme sind so designt, dass wir sie sehr gut skalieren können. Das heißt, ob wir drei Raketen pro Jahr bauen oder 20 pro Jahr ist bei uns rein eine Frage des Platzes.“
Ein Milliardenmarkt – und viel Konkurrenz
Isar Aerospace ist nicht das einzige junge Unternehmen, das sich im entstehenden Markt für den Transport kleiner und mittlerer Satelliten oder zur Errichtung ganzer Satellitenkonstellationen positionieren will. Konstellationen aus hunderten oder gar tausenden Satelliten könnten die Welt schon in wenigen Jahren mit Hochgeschwindigkeits-Internet aus dem All versorgen. Auch für den Klimaschutz, die Landwirtschaft oder für autonome Autos werden Satelliten im Erdorbit eine immer wichtigere Rolle spielen. Die kommerzielle Raumfahrt dürfte daher zum Milliardengeschäft werden – inklusive der dafür nötigen Raketenstarts. Aus Deutschland gehen dafür neben Isar Aerospace auch die Rocket Factory Augsburg sowie HyImpulse mit Sitz in Baden-Württemberg ins Rennen. International ist die Konkurrenz noch größer.
Doch der Mitgründer von Isar Aerospace gibt sich dennoch selbstbewusst. „Wir wollen die erste Trägerrakete aus Europa bauen, die komplett privat finanziert ist und es in den Erdorbit schafft“, sagt Daniel Metzler in seiner kurzen Begrüßungsrede.
Ob auf der Bühne, in kleinen Gesprächsgrüppchen oder bei den kurzen Werksführungen – das Team von Isar Aerospace nutzt die Werkseröffnung, um immer wieder zu erklären, wie sich das Start-up gegen die Mitbewerber durchsetzen will: mit selbst entwickelter Technologie, der Fertigung nahezu aller Teile im eigenen Werk und mit einer modernen, hochautomatisierten Produktion, die auf industrielle 3D-Drucker setzt. Die Herstellung eines Raketentriebwerks soll so nicht mehr Monate oder gar Jahre dauern, sondern nur noch wenige Wochen.
Seit seiner Gründung vor zwei Jahren konnte Isar Aerospace bei Investoren rund 15 Millionen Euro einsammeln. Aus dem dreiköpfigen Gründerteam ist inzwischen eine Firma mit rund 100 Mitarbeitern aus zwei Dutzend Nationen geworden.
„Daniel und das ganze Team hatten von Anfang an eine echt große Vision, die sie zielgerichtet und fokussiert, aber immer mit der nötigen Demut vor der Herausforderung verfolgt haben. Sie wollten beweisen, dass sich solche Pläne auch in Europa umsetzen lassen“, sagt Thomas Oehl zu 1E9. Er ist Partner bei Vito Ventures, dem ersten Investor von Isar Aerospace. „Wir sind stolz darauf, dass wir zur Finanzierung dieser Vision beitragen konnten. Isar Aerospace könnte zu einem Beispiel dafür werden, dass wir in Europa nicht anderen hinterherlaufen müssen, sondern echte Marktführer werden können, wenn wir uns auf unsere Stärken besinnen.“
Um den Bau der ersten Trägerrakete realisieren zu können, will das Start-up die Summe der Investments bis Ende dieses Jahres auf etwa 100 Millionen erhöhen. Kunden für den ersten Start, der für 2021 geplant ist, und auch für Starts in den kommenden Jahren gebe es bereits, sagt Daniel Metzler. Namen dürfe er allerdings nicht nennen – auch wenn Airbus bereits vor einem Jahr Interesse bekundet hat. „Die Branchen der Kunden reichen von Erdbeobachtung bis zu Satellitenkonstellationen, beispielsweise zur Kommunikation oder für Near-Realtime-Services, mit denen man Themen wie autonomes Fahren umsetzen kann.“
Die Kommerzialisierung der Raumfahrt ist auch politisch
Staatliche Finanzspritzen hat Isar Aerospace bisher kaum in Anspruch genommen, um seine Pläne umzusetzen. Dennoch sieht Daniel Metzler die Politik in der Pflicht, den jungen Raumfahrtunternehmen Anschubhilfe zu geben – nicht nur durch Fördergelder, sondern auch durch Aufträge. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sichert bei der Werkseröffnung jedenfalls Unterstützung zu.
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Jetzt Mitglied werden!„Dies ist eine Zukunftsindustrie und wir sollten unbedingt dabei sein. Deswegen habe ich mich bei der Bundesregierung sehr dafür eingesetzt, dass man die ESA-Budgets erhöht und dass man die nächsten Schritte auch in Deutschland geht und versucht mit mehr eigenen Aufträgen stark zu werden“, sagt der CSU-Politiker bei einer kurzen Rede.
Bei einer anschließenden Diskussion stimmt Thomas Jarzombek, der Koordinator der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt, zu, dass der Bund Start-ups verstärkt durch Bestellungen unterstützen soll. „Meine Position ist, dass wir keine Ariane 7 brauchen werden“, so der CDU-Politiker. Mit den bisherigen Strukturen ließe sich SpaceX oder BlueOrigin keine Konkurrenz machen. „Die Zukunft ist klein, agil und [geprägt von] Start-ups.“
Titelbild: Noch eine Animation, 2021 soll es dann Realität werden: Eine Isar-Aerospace-Rakete kurz vor dem Start in den Weltraum. Bild: Isar Aerospace