In München arbeitet das junge Start-up Isar Aerospace daran, zukünftig SpaceX, RocketLab und anderen Raketendienstleistern kräftig Konkurrenz zu machen. Denn das Team will noch mehr Satelliten günstiger und zuverlässiger ins All schicken. Die ersten interessierten Kunden hat das Unternehmen schon – darunter auch Airbus.
Von Michael Förtsch
Obersendling, das ist nicht gerade ein Name, der nach Futurismus, Wissenschaft und Innovation klingt. Aber genau in diesem Stadtteil der bayerischen Hauptstadt München, bei den alten Siemenswerken, wird an der Zukunft der bayerischen Luft- und Raumfahrt gearbeitet, die Markus Söder im vergangenem Jahr beschworen hat. Denn dort, in der Kistlerhofstraße, sitzt in einem auffällig unauffälligem Bürobau das Raketen-Start-up Isar Aerospace.
Das erst im März 2018 gegründete Unternehmen forscht an Raketen und will diese in naher Zukunft nutzen, um für Kunden beispielsweise Klein- und Kleinstsatelliten in den Erdorbit zu bringen. Denn immer mehr Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen wollen ihre eigenen Satelliten im All haben – um Wissenschaft zu betreiben, auf die Erde herabzuschauen oder ein eigenes Kommunikationsnetz aufzubauen. Laut US-Ökonomen ist der Markt rund um die Mini-Satelliten schon jetzt 339 Milliarden US-Dollar schwer – und soll über die kommenden Jahre stetig wachsen. Doch Raketendienstleister wie SpaceX und RocketLab gibt’s bisher hauptsächlich in Nordamerika.
Damit ist Isar Aerospace eine echte Ausnahme – und ein lokaler Hoffnungsträger für die Raketenindustrie. Und das sieht offenbar auch Airbus so. Denn das Start-up hat, obwohl es bisher noch keine Rakete ins All gefeuert hat, mit dem Luft- und Raumfahrtgiganten einen sicheren Kunden. Die Münchner Raketeningenieure sollen, sobald ihre Raketen bereit sind, Telekommunikations-, Erdbeobachtungs- und Radarsatelliten für Airbus ins All schicken. Das haben die beiden Firmen nun in einem Memorandum of Understanding vereinbart.
„Die Partnerschaft mit Airbus ist für uns eine Bestätigung, dass wir den richtigen Träger für die vielen neuen Satellitenkonstellationen entwickeln und damit das künftig wohl größte Marktsegment in diesem Bereich bedienen“, sagt Isar-Aerospace-Gründer Daniel Metzler zu 1E9. „Gleichzeitig zeigt es die Möglichkeiten für Kooperationen zwischen etablierten und neuen Unternehmen in der stark wachsenden Raumfahrtindustrie auf.“
Eine Tonne mit einer Rakete
Die erste und vorerst wichtigste Rakete von Isar Aerospace wird dabei die 27 Meter lange Spectrum sein, die bei einer Geschwindigkeit von 28.000 Kilometern pro Stunde bis zu einer Tonne in den niedrigen Erdorbit hieven kann – also in 200 bis 2.000 Kilometern Höhe. Damit ist sie, sagt Isar-Aerospace-Gründer Daniel Metzler, „die stärkste privat entwickelte und privat finanzierte Trägerrakete Europas“.
Mit dieser wollen die Münchner aber nicht nur einzelne Satelliten, sondern gleich ganze Satellitenkonstellationen in den Erdorbit bringen. Dafür sollen in einem Startfenster mehrere der Spectrum-Raketen gestartet werden. „Im Vergleich zu großen Trägerraketen wie Ariane 5 oder SpaceX Falcon 9 können wir damit Kleinsatelliten flexibler in den Zielorbit bringen“, so Metzler. „Denn die Satelliten wiegen lediglich 20-400kg, für die eine Ariane 5 mit 20 Tonnen Nutzlastkapazität schlicht zu groß und entsprechend zu teuer ist.“
Wichtig für Isar Aerospace und Airbus ist aber nicht nur die Tragkraft und Flexibilität der Spectrum, sondern dass sie auch vergleichsweise umwelt- und sogar weltraumschonend fliegt. Die vom Team entwickelten und verwendeten Aquila-Raketenmotoren nutzen nämlich Kohlenwasserstoff und Flüssigsauerstoff, die im Vergleich mit Kerosin kaum Schadstoffe zurücklassen. „Gleichzeitig entsteht bei der Trennung der Satelliten im All kein Weltraummüll, der andere Satelliten gefährden könnte“, sagt Metzler. „Das geschieht über Haltemechanismen, die geöffnet werden können ohne Teile wegzusprengen.“
Erster Flug im Jahr 2021
Selbst wenn die Münchner noch nicht so lange im Geschäft sind, sehen sie sich schon ganz vorne. „Im letzten Jahr haben wir erfolgreich Triebwerkskomponenten entwickelt und getestet, für die andere Unternehmen mehr als fünfmal so lange gebraucht haben“, sagt Metzler. Zudem mangle es auch abseits von Airbus nicht an Kunden – junge Start-ups, namhafte Konzerne und auch staatliche Organisationen und Universitäten gehören offenbar dazu. Schließlich werden zahlreiche Satelliten und Satellitenkonstellationen in Europa entwickelt. Die müssen bislang komplizierte Import- und Exportprozesse zu den Raketendienstleistern in die USA durchlaufen. Das könnten sie sich mit Isar Aerospace sparen.
Auch sonst habe Isar Aerospace dank seiner Technik und Lage so einige logistische Vorteile, die durchaus geldwert sind. „Im internationalen Umfeld können wir mit Spectrum aufgrund der reduzierten Trägergröße schneller sein als SpaceX“, sagt Metzler. „Andererseits erreichen wir günstigere Kilogramm-spezifische Preise als RocketLab.“ Weitere aufstrebende Konkurrenten wie Firefly und Vector gibt es zwar – aber die arbeiten mehrheitlich an Raketen, die nochmal kleiner sind als die Spectrum und weniger Masse in den Weltraum bringen können.
Noch allerdings müssen die Münchner beweisen, dass sie ihre Raketen sicher und zuverlässig starten können. Geht mit alles nach Plan, wird das dann Ende 2021 soweit sein.
Teaserbild: Isar Aerospace