Ein Team der TU München hat mehrmals in Folge beim Hyperloop-Wettbewerb von Elon Musk den Preis für den schnellsten Pod gewonnen. Jetzt denken die Studenten weiter – und wollen austüfteln, wie ein lebensgroßer Hyperloop funktionieren könnte. Dabei werden sie nun von der bayerischen Regierung unterstützt.
Von Michael Förtsch
Vor einem Jahr stand Markus Söder vor einem großen Logo mit seinem Konterfei. Darüber prangte in schlanken Lettern das Motto „Bavaria One“. Denn der Bayerische Ministerpräsident hatte da gerade angekündigt, dass der Freistaat Bayern mehr als 700 Millionen Euro investieren will, um Nummer Eins bei der europäischen Luft- und Raumfahrtforschung zu werden. Nicht wenige hatten darüber gespottet. Vor allem wegen des albernen Logos, klar. Aber auch weil Bayern für viele nur schwer als Land der Raketen- und Drohnenbauer vorstellbar ist – und die CSU allzu luftig über Flugtaxis schwärmte. Der Etat für Bavaria One ist inzwischen zwar erheblich zusammengeschrumpft. Vergangene Woche machte sich Söder aber dennoch erneut für eine futuristische Technologie stark. Er hat dem Hyperloop-Team der TU München einen Besuch abgestattet – und einen Scheck mitgebracht.
Insgesamt 80.000 Euro hat Söder dem Team zugeschossen, das bereits mehrfach mit seinen Kapseln den Hyperloop Pod Competition getauften Wettbewerb von Elon Musk in Los Angeles gewonnen hat. Der Tesla-, SpaceX- und Boring-Company-Gründer war es nämlich, der die eigentlich schon recht alte Idee von Überschallbahnen, die in Vakuumröhren fahren in ein modernes Gesamtkonzept verpackt und dieses Ende 2013 öffentlich gemacht und freigegeben hat. Binnen weniger Jahre hatten Start-ups wie Hyperloop Transportation Technologies, Virgin Hyperloop One, Hardt Hyperloop und einige mehr es aufgegriffen und arbeiten nun aggressiv daran, dieses Mobilitätskonzept in die Wirklichkeit zu hieven. Mittlerweile wollen auch die Münchner Studenten mehr als nur jedes Jahr einen Pod bauen, der erneut eine neue Rekordgeschwindigkeit aufstellt und den Titel der TU München verteidigt.
Der Hyperloop funktioniert schon
Mit ihrem erst Anfang des Jahres gegründeten Verein Next Prototypes wollen die Studenten nun auch erforschen, wie ein vollumfängliches Hyperloop-System aussehen müsste, um im großen wie auch kleinen Maßstab zu funktionieren. Dass das machbar und nötig ist, davon sind sie überzeugt. „Wir haben uns im letzten Jahr nicht ausschließlich mit der Teilnahme am Wettbewerb und dem Bau einer dafür geeigneten Kapsel, aus dem wir wichtige Erfahrungen sammeln, beschäftigt“, sagt Gabriele Semino, Vorsitzender des Vereins und Leiter des Hyperloop-Projektes. Das Team hat auch eine Kombination aus Röhren aus luftdichtem Spezialbeton und einer Kapsel erarbeitet, die gleich einer Schwebebahn an einem Deckengleis fährt. Beides wurde in den letzten Monaten vor dem Gebäude des Gründerzentrums UnternehmerTUM in Garching aufgebaut – und funktioniert. Die Kapsel schwebt sachte durch die Kreisröhre, die mit einer Vakuumpumpe von Luft befreit wird. Wie gut das funktioniert und wo nachgebessert werden muss, das soll sich über die kommenden Monate zeigen.
„Erste Erkenntnisse aus dem System haben wir aber bereits. Zum Beispiel scheint Beton eine günstigere Alternative zu Stahl zu sein“, sagt Gabriele Semino. „Wir haben auch gemerkt, dass manches, das zuerst nach einer guten Idee klang, vielleicht doch nicht so gut funktioniert. Und anderes, was als vernachlässigbares Problem erschien, doch ernster genommen werden sollte“. Von vornherein habe das Team sein kleines Hyperloop-System mit dem Hintergedanken entwickelt, es in der Größe möglichst problemfrei skalieren zu können. Denn der nächste Schritt soll das Eins-zu-Eins-Format sein – ein Hyperloop in Lebensgröße. Dabei geht es aber nicht gleich „um eine komplette Strecke, sondern erstmal nur ein Segment“, wie Semino einschränkt. 400 Meter könne das Stück lang sein – für das bereits der passende Bauort gesucht wird. „Dann soll das nach und nach verlängert werden, damit man immer mehr Systeme testen kann, bis zur vollen Geschwindigkeit und zum Betrieb.“
Um das alles zu realisieren, wird es aber noch mehr Geld und auch Arbeitsfläche brauchen. Beides werden die Hyperloop-Konstrukteure wohl auch bekommen. Denn im Winter werden sie zusammen mit der neuen TU-München-Professur Future Air and Ground Mobility in die neue Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie in die Münchner Vororte Taufkirchen und Ottobrunn umziehen, wo derzeit auch das Satelliten-Projekt Bavarian Sat verwirklicht wird. Dazu wird im Herbst ein weiteres Forschungsförderungsprogramm der Staatsregierung aufgelegt, für das, wie Ministerpräsident Söder verspricht, der Freistaat „richtig Geld in die Hand nimmt.“
Die Hyperloop-Bauer der TU München wollen aber nichts überstürzen. „Sicher hätten wir uns schon in diesem Jahr vornehmen können, alles im Eins-zu-Eins-Maßstab zu bauen, doch das wäre in vielerlei Hinsicht aufwendiger und auf jeden Fall teurer gewesen“, erklärt Semino. „Mit dem skalierten System haben wir bereits und werden wir nun wichtige Erkenntnisse sammeln und dann werden wir nach und nach größere Systeme bauen und testen. Das scheint uns die sinnvollste und vor allem effizienteste Vorgehensweise zu sein.“
Keine Science-Fiction-Vision, sondern echte Technik
Bereits im März hatte sich Markus Söder hinreißen lassen und in einem Interview gesagt, „eine Hyperloop-Strecke würde München interessanter machen“. Das brachte ihm wieder viel Kritik und Häme ein. Doch die Studenten der TU-München können daran nicht allzuviel lächerliches finden. „Sich über neue Technologien lustig zu machen, ist einfach, weil es so etwas im Moment noch nicht gibt und somit leicht als Science-Fiction abgestempelt werden kann“, meint Semino. „Jedoch werden viele dafür nötige Systeme bereits in anderen Bereichen verwendet, weswegen man mit gutem Gefühl sagen kann, dass das System technisch möglich ist.“ Das zeigten die Prototypen-Systemen der Studenten und von großen Start-ups. Zwar sei noch jede Menge Forschung und Arbeit am reibungslosen Zusammenarbeiten der Systeme und vor allem der Sicherheitskonzepte notwendig, um nicht nur Fracht, sondern auch Menschen transportieren zu können – aber das mache den Hyperloop keineswegs unrealistisch. Der Hyperloop arbeitet nach bekannten Prinzipien und sei damit nicht illusorischer als selbstfahrende Autos, Magnetschwebezüge oder Drohnen.
Der Hyperloop hätte, wenn er umgesetzt wird, enorme Vorteile, glauben die Studenten. Er könne Menschen genauso schnell oder noch schneller als ein Flugzeug transportieren. Und das deutlich emissionsärmer und effizienter als andere Verkehrsmittel. Vor allem als Bindeglied zwischen Metropolen und Metropolregionen wäre er ideal – und könnte Inlandsflüge nahezu überflüssig machen. Ebenso könnten die mit dem Hyperloop erschlossenen Grundlagen- und Spezialtechnologien „auch in ganz anderen Bereichen Anwendung finden“, wie Semino zu bedenken gibt. Sie könnten zum Teil in Elektroautos eingesetzt oder verwendet werden, um schon etablierte Eisenbahnen, S- und U-Bahn-Systeme auf effizientere Antriebskonzepte umzurüsten oder allgemein produktiver zu gestalten. Damit geht es nicht nur darum, einen Hyperloop zu bauen, sondern auch dabei zu helfen, die öffentliche Mobilität insgesamt zu verbessern und ökonomischer zu gestalten.
Teaser-Bild: TUM Hyperloop Team / TUM