Hoch bauen – aber mit Holz

Immer mehr Menschen ziehen in die Städte. Daher müssen diese immer mehr in die Höhe wachsen. Doch die Beton- und Stahlmengen, die dafür genutzt werden, schaden der Umwelt und Treiben den Klimawandel voran. Daher plädieren immer mehr Architekten für ein alternatives Baumaterial. Nämlich Holz.

Von Michael Förtsch

Keine Ansammlungen von Klötzen aus totem Beton und Stahl, sondern lebende Wälder aus atmenden Rohstoffen. So sollen die Städte von Morgen ausschauen. Jedenfalls wenn es nach den japanischen Architekten des Planungs- und Architekturbüros Nikken Sekkei geht. Denn die wollen gemeinsam mit der Baustofffirma Sumitomo Forestry das zukünftig höchste Holzgebäude der Welt errichten. Der bis dato W350 getaufte Wolkenkratzer soll 350 Meter in die Höhe ragen und einem abstrakten Fachwerk gleichen. Die Balken, die die Japaner verbauen wollen, sollen gut sichtbar sein und der Plyscaper, wie Hochhäuser aus Holz getauft wurden, mit zahlreichen Einschnitten in der Fassade versehen sein. Büsche und Bäume sollen dort herauswachsen, die gestresste Büroangestellte, dauerhafte Bewohner und residierende Hotelgäste viel Grün und frische Luft genießen lassen.

Bis der hölzerne Riesenturm steht, wird noch einige Zeit vergehen. Erst 2041 soll er bezugsfertig sein. Nicht weil es nicht früher gehe, sondern um mit seiner Eröffnung das 350-jährige Firmenjubiläum von Sumitomo Forestry feiern zu können. Damit lassen sich die Japaner auch genug Zeit, um Lösungen für statische Herausforderungen zu finden, die noch bestehen. Gleichzeitig gehen sie aber auch das Risiko ein, das ihnen jemand den Höhenrekord wegschnappt. Denn Holz erscheint für immer mehr Architekten und Baumeister als reizvolles und zukunftsweisendes Material – dessen Einsatzgrenzen sich durch technische Lösungen und neue Arbeitsweisen immer weiter verschieben lassen.

Warum eigentlich Holz?

Mit Holz wurde, das lässt sich nur über wenige Materialien sagen, eigentlich schon immer gebaut. Erste Unterschlüpfe aus Ästen und Stämmen lassen sich bis in die Jungsteinzeit zurückverfolgen. Dass Architekten nun vermehrt zu diesem archaischen Material zurückkehren, hat sowohl ganz pragmatische als auch ethische und sogar philosophische Gründe. Die Erdbevölkerung wächst und immer mehr Menschen ziehen in die Städte. Daher müssen die Städte stetig vertikaler werden. Das geht bisher mehrheitlich mit Beton und Stahl. Doch die Produktion dieser Rohstoffe hat enorme Auswirkungen auf Umwelt und Klima. Denn beide Materialien sind für jeweils bis zu neun Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Es muss also langfristig ein anderer Hauptbaustoff gefunden werden: Und das wird, wie einige Materialforscher als auch Architekten meinen, eben Holz sein.

„Holz sollte wieder das Nummer-Eins-Material für das Bauen werden“, sagt Andrew Waugh von Waugh Thistleton Architects. Das Architekturbüro aus Shoreditch, Großbritannien, hat sich gänzlich dem nachhaltigen und umweltbewussten Bauen verschrieben – und setzt dafür stark auf den nachwachsenden Rohstoff. Mit den Dalston Works in London hat das Studio erst vor zwei Jahren das mit 121-Wohneinheiten in der Nutzfläche bislang größte Holzhaus der Welt gebaut. Zwar mussten auch hier Fundamente gegossen und Stahlstreben eingezogen werden, um den mehrstöckigen Bau im Boden zu verankern. Jedoch nicht viel – und deutlich weniger als bei einem Betonbau nötig gewesen wäre. Denn „ein Holzgebäude wiegt durchschnittlich nur 20 Prozent von dem, was ein Bau aus Beton wiegen würde“, so Waugh. „Das bedeutet, dass nur minimale Fundamente nötig sind – wir brauchen keine Unmengen an Beton im Boden.“

Ebenso lässt sich Holz leichter transportieren und verarbeiten. Aber vor allem: Das Verbauen des Holzes ist ein aktiver Einsatz gegen den Klimawandel. Denn wachsende Bäume produzieren kein CO2, sondern nehmen es auf und speichern es – nämlich rund eine Tonne pro Kubikmeter. Der CO2-Fußabdruck eines 125-Meter-Gebäudes aus Holz fällt damit um bis zu 75 Prozent niedriger aus als der eines aus Beton und Stahl.

Mit dem großflächigen und effektiven Einsatz von Holz, glauben manche Forscher, könnte der CO2-Fußabdruck für ein Gebäude sogar in den Negativbereich gezogen werden. Es könnte also aktiv zur Reduktion von CO2 in der Atmosphäre beitragen. Dazu: Überschreiten Bäume ihr finales Wachstumsstadium und beginnen letztlich zu vergehen, geben sie wieder CO2 ab. Sie zu fällen, zu verwerten und neue Bäume zu pflanzen, ist damit klimafreundlicher als einen Wald wild wuchern und sterben zu lassen.

Hochbauen mit Holz

Das höchste Holzgebäude stand mit dem 84 Meter hohen HoHo Tower zeitweise in Wien. Zwischenzeitlich wurde es vom 1,4 Meter höheren Mjøsa Tower mit 18 Stockwerken im norwegischen Brumunddal überholt. In dem sind Appartements, Büros und ein Hotel samt Restaurant untergebracht. Bei solchen Höhen lastet ein enormes Gewicht auf den Baumaterialien, das naturbelassene Holzbalken und Bretter auf Dauer nicht sicher tragen könnten. Die Lösung dafür nennt sich Crosslaminating Timber – oder schlicht: Brettsperrholz. Zu Herstelleung des in den 1990ern in Österreich entwickelten Materials werden mindestens drei oder mehr schmale Lagen aus Holz quer versetzt aufeinander geleimt.

Die aus dem Brettsperrholz geschnittenen Holzbalken und Holzflächen sind sehr leicht aber gleichzeitig robust und tragfähig wie Stahl. Sie lassen sich nicht biegen oder einfach brechen. Denn durch die quer versetzen Holzlagen hat es, wie Waugh sagt, „eine integrale Stärke in zwei Richtungen“. Mit der Verwendung besonderer Holzsorten kann das Brettsperrholz auch auf spezielle Anforderungen eines Gebäudes nach Flexibilität, Druck- und Zugkraft oder Steifheit angepasst werden. Nicht zuletzt ist das bei modernen Bauten verwendete Brettsperrholz aber auch eine Antwort auf eine der größten Ängste, die Holzbauten hervorrufen: die Feuergefahr.

Selbst ohne eine Versiegelung mit Hitzeschutzmitteln werden die verleimten Platten bei hohen Temperaturen von bis zu 1900 Grad zwar verkohlt, das heißt, sie bilden eine Oxidationsschicht, verlieren an Masse und werden dadurch geschwächt. Aber Feuer fangen die Platten nicht so einfach. Und wenn doch, ist ihr Verhalten bei einem Brand deutlich berechenbarer als das von behandeltem Stahl oder Beton. Das macht den Baustoff für Großprojekte wie das W350 und noch andere ambitionierte und futuristische Bauvorhaben nicht nur interessant, sondern zwingend notwendig.

Das britische Architekturbüro PLP Architecture will etwa noch vor den japanischen Architekten die 300-Meter-Marke mit Holz erreichen. Nämlich mit dem Oakwood Timber Tower, der auf dem Gelände des Barbican in London entstehen soll. Der würde, glauben die Architekten um Kevin Flanagan, nicht nur ein Rekordgebäude darstellen, sondern auch beweisen, dass Holzgebäude eine „entspanntere, sozialere und kreativere“ Stimmung in pulsierende Weltstädte bringen. Um alle strukturellen Herausforderungen zu meistern und Fragen zu beantworten, arbeiten die Planer momentan mit Forschern der Universität Cambridge zusammen.

Erst Anfang des Jahres hatten die österreichischen Architekten Fei und Chris Precht ihren Plan für The Farmhouse vorgestellt, einen konzeptionellen Turmbau, der aus einzelnen Holzdreieck-Stücken zusammengesetzt werden soll. Dessen Innenleben bietet zahlreiche kleine Module, die einfach durch das Einziehen von Holzwänden zu separaten Wohneinheiten von verschiedener Größe werden. Damit wären sowohl kleine Schlafkabinen machbar als auch weitläufige Appartements. Ebenso soll Platz für kleine Gärten reserviert sein, durch die sich die Bewohner mit Obst und Gemüse versorgen könnten. Eine Beschränkung in der Höhe, gäbe es für den Turm, dank der einzigartigen Holzstruktur nicht, sagt Chris Precht. Nur müsse der Turmbau mit jeder Etage auch in die Breite wachsen, um das Gewicht gleichmäßig zu verteilen.

Das Architekturbüro Anders Berensson schlägt hingegen gleich eine „wooden skyscraper city“ vor, die Stockholm erweitern soll. Insgesamt 31 Holztürme wollen die schwedischen Architekten in Ufernähe errichten, die in Form, Farbe und Nutzungsmöglichkeit gänzlich unterschiedlich ausfallen sollen. Darunter sind Fachwerk- und Schachtelkonstruktionen, die auch die Vielfältigkeit des Baumaterials Holz zeigen sollen. Ganze 3.000 neue Wohnungen und Platz für mehrere Büros, Restaurants und Läden könnten so geschaffen werden. Auch kleine Parks sollen entstehen – und zwar auf den Dächern der Holzhochhäuser.

Auch Deutschland baut mit Holz

Auch hierzulande sind Holzhäuser durchaus gefragt. Das derzeit höchste steht auf dem Gelände der Bundesgartenschau in Heilbronn. Der Kern des 34-Meter-Bauwerks besteht dabei zwar aus Stahlbeton. Drumherum ist jedoch alles Holz. Noch höher soll bald die Wildspitze werden, die für die Hamburger Hafen City geplant ist. 64 Meter soll der Turm des Gebäudekomplexes werden, den das Büro Störmer, Murphy & Partners entworfen hat. Aber wie das Holzhaus in Heilbronn ist auch die Wildspitze kein vollkommenes Holzhaus, sondern eher ein Hybride mit Betonherz.

Deutlich mehr Anklang als Hochhäuser finden in Deutschland bislang flachere Holzhäuser. Mit dem Schmuttertal-Gymnasium in Diedorf wurde ein Schulzentrum komplett aus Holz gebaut. Gleichsam soll auch das zukünftige Umweltbildungszentrum in Augsburg ein Komplettholzbau werden. In München wiederum entsteht derzeit auf dem ehemaligen Gelände der Prinz-Eugen-Kaserne eine ökologische Mustersiedlung mit bis zu siebengeschossigen Häusern aus Holz und Holz mit Stahlbetonkern. In der Messestadt Riem bei München könnte anschließend ein Projekt mit elf vergleichsweise Hohen 45-bis-60 Meter-Bauten folgen.

Nicht nur ökologischer bauen, sondern auch besser wohnen

Langfristig, glauben einige Forscher, werden wir nicht drumherum kommen, massiv Stahl und Beton durch Holz zu ersetzen. Zumindest, wenn wir den Klimawandel tatsächlich einbremsen wollen. Laut einer Studie der Universität Yale könnte das globale Umschwenken auf Holz die weltweiten CO2-Emissionen nämlich um bis zu 31 Prozent eindampfen. Jedoch, davon sind einige Architekten überzeugt, sei Holz auch der Baustoff, der nicht nur ein umweltbewussteres, sondern auch einfach besseres Wohnen und Arbeiten ermöglicht.

Der Architekt Michael Green, der beispielsweise das T3 in Minneapolis verantwortet, ist fest überzeugt, dass Holz vielen Menschen einfach ein besseres Gefühl gibt. Menschen „reagieren komplett anders darauf“, sagt er. Er habe noch niemanden in einem seiner Gebäude gesehen, der einen Betonpfeiler umarmt habe. Aber bei Holzsäulen und Holzwänden passiere das. Er glaubt, dass es daran liegt, dass jede Holzoberfläche anders ist und es sich um lebendes und atmendes Material handelt. Ob das so stimmt, das lässt sich nicht sagen.

Die Einschätzung von Michael Green über die Wirkung von Holz auf Menschenist jedoch von Studien belegt. Sichtbares Holz wirkt dem Gefühl, in einem Gebäude eingeschlossen zu sein, entgegen und kann bei breitflächigem Einsatz sogar einen ähnlichen psychologischen Stimulus haben, den ein entspannender Spaziergang im Wald mitbringt. Eine Umgebung aus Holz senkt sogar messbar den Blutdruck und reduziert Stress. Damit wäre das Bauen mit Holz nicht nur eine Rückkehr zu einem natürlichen und umweltbewussten Baustoff, sondern gefühlt auch eine Rückkehr zum Leben in der Natur.

Teaser-Bild: PLP Architects

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Was denkt ihr? Ist Holz der Baustoff der Zukunft? Würdet ihr in einem Hochhaus ganz aus Holz wohnen wollen?

Holz war immer ein toller Baustoff. Vielleicht nicht für die Ewigkeit, doch welcher Stoff ist das schon.
In Städten mag das etwas problematisch sein, weil Holz auch heute noch besser brennt, als Beton.
Davon abgesehen… aus Holz lassen sich phantastische Hütten bauen:

http://www.villa-blumenthal.at/

Ein Haus, ganz aus Holz? Ich wäre dabei.

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Es muss ja auch nicht gleich komplett aus Holz sein - und es gibt noch statische Herausforderungen und Forschungen, wie sich Holz noch besser verwenden und „verstärken“ ließe.

Ebenso muss es in ländlichen Gegenden ja auch nicht gleich ein mehrstöckiger Bau sein - auch wenn das sicher machbar wäre.

Auch Teil-Holz-Bauten haben schon eine positive Auswirkung. Beispielsweise ist die Idee hinter Node ganz gut, die modulare Häuser nicht ganz aber zum Gros aus Holz fabrizieren - und das so effektiv, das sie weitestgehend nachhaltig arbeiten.

Wohnen mit dem Gefühl einen Waldspaziergang zu machen… ich wäre auf jeden Fall dabei. Es würde uns friedlicher machen und wir müssen vielleicht doch nicht auf den Mars umziehen. Klasse Artikel!

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Gefällt mir - Musste auch sofort an Baumhäuser denken…!
Wirkt auf mich wie ein 'Baumhaus für Städter…Im best case Szenario würden diese - ich nennse jetztmal - ‚Wohnbäume‘ wieder so ein ‚back to nature‘ Gefühl auslösen und entsprechend die Leute wieder bewusster mit ihren Umwelt leben lassen…‚Umwelt‘ is auch son blöder Begriff, also eher ‚Mitwelt.‘

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Super interesanter Ansatz.
Die Frage die sich mir nur stellt ist, wie langlebig solche Gebaeude (im Verlgeich zu konventionellen Beton oder Stahl Gebaeuden) sind?

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Nun, das hängt ganz von der Art des Gebäudes, dem genutzten Holz, der Region in der es steht (und damit dem Klima und Wetterbedingungen) ab. Also nicht anders als bei Gebäuden aus anderen Materialien. Es gibt Tempel und Wohnhäuser aus Holz, beispielsweise in Japan, die über 1.000 Jahre alt sind. In Finnland existiert mit dem Qwensel House ein Holzwohnhaus (das heute ein Museum ist), das rund 320 Jahre auf dem Buckel hat.

Viele Hersteller von modernen Holzhäusern geben die Lebenszeit mit 100 bis 150 Jahren an. Wobei das Haus nach so einer Zeit nicht „kaputt“ oder unnutzbar ist, sondern Teile aufgearbeitet, ausgetauscht oder restauriert werden müssen. Beispielsweise Teile der Außenwände, die besonders oft von Regen getroffen werden.

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