Einen neuen Computer kaufen, kann schnell ins Geld gehen. Dabei gibt es viele sehr gute, wenn auch nicht topaktuelle Computer second hand und generalüberholt. Jedoch nutzt nicht einmal jeder fünfte Deutsche diese Gelegenheit – ganz anders als unser Redakteur Michael Förtsch, der seit fast acht Jahren auf gebrauchte Hardware setzt.
Von Michael Förtsch
Vor wenigen Wochen ging die Technikmesse CES 2024 in Las Vegas zu Ende. Sie ist Pflichttermin für Elektronik- und Mobilitätsunternehmen und war diesmal auch die Bühne für spannende KI-Experimente. Wie jedes Jahr waren die wichtigsten Computerproduzenten vertreten, um reihenweise neue Laptops anzukündigen. Und wie jedes Jahr ertappte ich mich beim Grübeln, ob ich mir vielleicht ein Razer Blade oder ein Acer Aspire Vero kaufen sollte – trotz der hohen Preise. Denn die Geräte sind so schick, so neu und ihre Spezifikationen so beeindruckend – und ich bin schließlich Technologiejournalist! Da braucht es doch einen entsprechenden Rechner, oder?
Tatsächlich wäre neben meinem Desktop-Rechner und dem kleinen Thinkpad T470 ein Laptop mit etwas mehr Power und großem Bildschirm praktisch, wie ich beim weihnachtlichen Heimatbesuch gemerkt habe. Ein portabler Rechner, mit dem man auch unterwegs rechenintensivere Aufgaben und KI-Experimente bewältigen kann. Das sollte als Grund zählen, oder?
Trotzdem habe ich mir keinen dieser neuen Laptops gekauft. Nicht in diesem Jahr, nicht im Vorjahr – und auch die sieben Jahre davor nicht. Ganz bewusst. Seit knapp acht Jahren besitze ich keinen neuwertigen Computer mehr, genau wie ich mittlerweile seit über 10 Jahren kein neues Smartphone erworben habe. Seit ich irgendwann zwischen 2011 und 2012 das erste Mal ein gebrauchtes iPhone 4 bekam, war jedes meiner Telefone second hand. Und sie leisteten stets das, was ich von ihnen erwartet habe, machten nie irgendwelche unerwarteten Probleme. Noch dazu sparte ich bares Geld – insbesondere, weil ich teilweise Tage, manchmal sogar Wochen auf eBay Kleinanzeigen und ähnlichen Portalen auf das richtige und vor allem günstigste Angebot lauerte. Daher entschied ich mich, das auch bei Computern auszuprobieren.
Second Hand Computer kaufen? Das tun erstaunlich wenige Menschen. Laut einer aktuellen Befragung der Verbraucherzentralen hat weniger als ein Fünftel der Menschen in Deutschland schon einmal ein „digitales Endgerät“ – sei es ein Smartphone, ein Tablet oder ein Computer – gebraucht erworben. Tatsächlichen sollen nur 19 Prozent „schon einmal gebrauchte, erneuerte oder generalüberholte digitale Endgeräte gekauft“ haben. Viele hätten Bedenken, was den Zustand und die Restlebenszeit gebrauchter Elektronik angeht. Für über 60 Prozent ist ein Gebrauchtkauf aus diesen und anderen Gründen nicht einmal eine Option. In anderen europäischen Ländern, wie der Schweiz, sieht es übrigens kaum anders aus.
Seit Jahren nur gebrauchte Hardware
Mein erster Gebrauchtcomputer war ein HP355 G2, den ich 2016 kaufte. Er war zu diesem Zeitpunkt zwei Jahre alt und vom Vorbesitzer kaum genutzt worden. Ich selbst habe ihn bis 2019 nahezu täglich für die Schreibarbeit verwendet. Viele meiner Artikel für WIRED entstanden darauf, denn irgendwann hatte ich ihn einfach an meinem Arbeitsplatz stehen lassen. Der Rechner existiert und läuft auch heute noch im Büro von 1E9, wenn auch sehr selten. Als heimischer Rechner wurde er daher irgendwann durch einen HP Pavilion Power 15 abgelöst, den ich für weniger als 500 Euro auf eBay Kleinanzeigen gefunden habe. Heute dient dieser als Desktop-Backup. Der Deckel und das Metallgehäuse zeigten schon beim Kauf einige Kratzer, aber das störte mich nicht wirklich. 2019 kam ein Desktop-Gaming-Computer für 600 Euro dazu, dessen Vorbesitzer gerade einmal eine Straße weiter wohnte. Nach und nach habe ich ihm mit einem modernen Innenleben und viel Speicher aufgerüstet.
Seitdem sind schon einige gebrauchte Computer durch meine Hände gegangen. Schuld daran war auch die Corona-Pandemie. Denn mit den Lockdowns und dem Homeoffice entdeckte ich das Reparieren für mich. Ich kaufte für teilweise wenige Euro als kaputt inserierte Laptops, die ich dann wieder fit machen wollte. Bald brachten auch Freunde dann und wann alte Geräte vorbei. Die Reparatur funktionierte mal mehr, mal weniger gut. Denn manche Laptops lassen sich mit dem Entfernen weniger Schrauben öffnen. Bei anderen müssen allerdings mit einem schmalen Metallspachtel kleine Clips gelöst werden, was nicht nur Mühe, sondern auch Nerven kostet. Wieder andere lassen sich kaum bis gar nicht öffnen, weil Gehäuse und Innenleben nicht nur verschraubt und verklickt, sondern auch verklebt sind.
Viele der eigentlichen Schäden waren oft gar keine oder nicht so dramatisch – abgesehen von Kratzern und Dellen. Zuweilen war lediglich die verbaute Festplatte oder SSD nicht mehr funktionsfähig. Bei einem Acer-Laptop waren die Lüfter vollständig verstopft, vermutlich durch eine sehr haarige Katze im Haushalt. Daher griff bereits nach wenigen Minuten der Überhitzungsschutz und der Computer schaltete sich aus. Ein von mir repariertes HP Elitebook war offensichtlich bereits gewartet worden, wobei vergessen wurde, neue Wärmeleitpaste zwischen Kühler und Prozessor aufzutragen. Bei einem anderen war das komplette Mainboard durch einen Wasserschaden defekt, aber immerhin ließ sich eine 256-Gigabyte-SSD retten.
Einige der reparierten Laptops habe ich gespendet, manche weiterverkauft. Andere wurden mir von Freunden und Bekannten abgenommen. Doch manche, wie etwa ein für nur 150 Euro erstandenes Thinkpad T470 von 2017, benutze ich selbst aktiv weiter. Nach dem Upgrade mit einer schnellen und großen SSD, 32 Gigabyte RAM und einem neuen Akku ist es für alltägliche Herausforderungen gut gerüstet. Vor allem wegen der grandiosen Tastatur. Nur muss ich irgendwann noch ein neues Display einbauen. Denn auf dem aktuellen Display sind zwei kleine Blendenflecken, die zwar nicht sonderlich auffallen, die ich aber dennoch gerne loswerden würde. Zumindest sieht das auf YouTube sehr einfach aus.
Mein neuester Erwerb ist ein weiteres ThinkPad, das ich ebenfalls selbst nutzen möchte. Es ist ein X1 Extreme, das 2019 als Hochleistungslaptop zu einem Preis von rund 2.800 Euro erschien. Der Preis, den ich gezahlt habe? Gerade einmal 350 Euro. Denn der Rechner kam mit einer kleinen Delle am unteren Gehäusedeckel, ohne installiertes Betriebssystem und coil whine – einem elektrischen Surren, wenn die Grafikkarte unter hoher Last steht, etwas, das bei diesem Modell offenbar alles andere als ungewöhnlich ist. Letzteres schreckt mich nicht ab. Und Windows 10 und Debian sind schnell installiert.
Die Delle im Gehäuse fällt bei der Benutzung nicht auf. Ohnehin ließe es sich problemlos ersetzen – denn sowohl Originalersatzteile als auch Nachbauten gibt es auf eBay und AliExpress für 29 bis 60 Euro. Für etwas mehr Power rüstete ich den X1 Extreme außerdem mit 32 Gigabyte RAM und einer zweiten SSD nach. Und nach einer Reinigung mit Spiritus und einem Schmutzradierer sieht das X1 Extreme auch wieder fast fabrikneu aus. Vor allem aber ist es mit einem Intel Core i7-9750H und einer GeForce GTX 1650 Max-Q auch heute noch ziemlich leistungsfähig. Selbst Starfield läuft mit niedrigeren Grafikeinstellungen recht okay.
Gebraucht, aber generalüberholt
Der Gebrauchtkauf eines Rechners spart nicht nur Geld, sondern schont auch die Umwelt. Zumindest, wenn es genug Leute machen würden – und dadurch wirklich weniger Geräte produziert werden müssten. Laut einer Studie der TU Berlin spart die Weiternutzung gebrauchter Laptops rund 50 Prozent der potenziellen Umweltbelastung ein, die bei der Herstellung neuer Geräte anfällt. Das sind nach einer Studie von 2011 zwischen 3.010 und 4.340 Megajoule an Primärenergie für einen Laptop: also die Energie, die für die Förderung der Rohstoffe, deren Transport, Verarbeitung und letztlich den Bau und die Vermarktung des Computers gebraucht wird. Das entspräche rund 836 Kilowattstunden Strom, so viel wie ein E-Auto für über 5.500 Kilometer verbraucht. Bei einer Produktion von 341 Millionen Computern pro Jahr – davon über die Hälfte Laptops und weniger klassische Desktoprechner –, wäre das Einsparungspotential beachtlich.
Natürlich will nicht jeder das Risiko eingehen, auf eBay Kleinanzeigen oder sonstwo einen Rechner zu kaufen, von dem er nicht weiß, ob und welche Probleme er hat. Das ist vollkommen nachvollziehbar. Daher existieren auch andere Angebote. Es gibt mittlerweile zahlreiche Unternehmen, die gebrauchte Hardware aufkaufen, professionell überprüfen, reparieren und als refurbished – also generalüberholt – anbieten. Oft werden hierbei je nach Ausgangszustand Batterien ersetzt, Lüfter und Tastaturen gereinigt oder auch ganze Teile wie der Bildschirm ausgetauscht. Verbleibende Macken und kosmetische Makel werden je nach Unternehmen mal mehr, mal weniger eindeutig kommuniziert. In Deutschland zählen Firmen wie ESM Computer, GreenPanda und LuxNote zu renommierteren Refurbishern. Aufbereitete Computer gibt es jedoch nicht dort, sie werden mittlerweile auch über Händler wie Amazon mit dem Renewed-Programm angeboten. Selbst Apple verkauft generalüberholte Produkte.
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Jetzt Mitglied werden!Stichproben zufolge läuft ein wiederaufgearbeiteter Laptop mindestens zwei Jahre problemlos – das wird auch von mehreren Unternehmen garantiert. Jedoch kann er bei sorgsamer Nutzung gut und gerne auch fünf bis sieben Jahre oder länger laufen. Das Ende vieler aufgearbeiteter Laptops ist eher, dass sie technisch irgendwann einfach nicht mehr auf dem gewünschten oder geforderten Stand sind. Dann laufen aktuelle Programme und Spiele nicht mehr flüssig oder die neueste Windows-Version wird nicht richtig unterstützt. Daher sind einige Unternehmen wie Lenovo und Dell bemüht, ihre Geräte sowohl einfacher wartbar als auch aufrüstbar zu machen – und so ihre Lebenszeit zu verlängern. Das Start-up Framework bietet sogar Laptops an, die dank austauschbarem Mainboard mit CPU und modularen Anschlüssen praktisch unbegrenzt nutzbar sein könnten.
Laut den deutschen Verbraucherzentralen haben die meisten derjenigen, die schon einmal gebrauchte Technik gekauft haben, „gute oder sogar sehr gute Erfahrungen“ gemacht. Der Preis stimmte für viele einfach. Der Zustand der Geräte war oft gut oder sogar praktisch neuwertig: „87 Prozent sagen, mit der Qualität der Ware und ihren zugesicherten Eigenschaften zufrieden gewesen zu sein.“ Das heißt natürlich auch, dass einige wenige eher schlechte Erfahrungen hatten. Auch ich habe die eine oder andere Gurke erstanden – aber meist zu einem total verschmerzbaren Preis. Ich war mir des Risikos bewusst. Und in Summe hates sich zumindest für mich bisher ausgezahlt und ich werde wohl weiterhin auf second hand setzen. Zumindest bis mich irgendwann vielleicht doch eine neue CES-Ankündigung rumkriegt.
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