Viele lokale Ökosysteme auf der Erde sind bedroht. Ein britischer Forscher schlägt daher vor, Wälder auf dem Mars anzulegen – gesichert unter großen Kuppeln. Sie könnten die irdische Flora und Fauna bewahren und marsianischen Siedlern nützlich sein.
Von Michael Förtsch
Im Science-Fiction-Kultklassiker Lautlos im Weltraum treibt der Botaniker Freeman Lowell auf einem riesigen Raumschiff durchs All. Seine Aufgabe ist es, die unter gigantischen Glaskuppeln eingeschlossenen Wälder zu pflegen und für die Nachwelt zu bewahren. Denn die Wälder der Erde sind schon vor Jahrzehnten eingegangen.
Der an der University of Bristol arbeitende Ingenieur und Ökologe Paul Smith hat nun eine ganz ähnliche Vision. In einer Studie im International Journal of Astrobiology schlägt er vor, Naturreservate auf dem Mars zu errichten. Nicht nur, um die Flora und Fauna der Erde zu erhalten, sondern auch um Lebensraum für zukünftige Siedler zu schaffen.
Wie Smith in seinem Paper ausführt, fürchtet er, dass die stetige Zunahme der Erdpopulation, die Ausbeutung der Ressourcen unseres Planeten und der voranschreitende Klimawandel immer mehr bislang unberührte Naturflächen bedroht. Vor allem Wälder gingen zunehmend verloren, um dem Hunger der Menschheit nach Lebensraum zu genügen. Laut dem Ökologen gebe es daher nur eine logische Lösung: Es müsse mehr Platz für die Menschheit her – jenseits der Erde. „Dies setzt jedoch voraus, dass auf einem Planeten, der für terrestrische Spezies derzeit nicht zugänglich ist, wesentliche Ökosystemdienste eingerichtet werden“, so Smith.
Der Brite glaubt, dass es machbar ist, auf dem roten Planeten nachhaltige Gegenstücke zu den Ökosystemen der Erde zu erstellen – und das mit dem auf dem Mars vorhandenen Boden, der durchaus reich an bestimmten Mineralien ist. Ein solches extraterrestrial nature reserve – oder kurz ETNR – könne beispielsweise unter einer Kuppel angelegt werden, die das Reservat gegen die harschen Umwelteinflüsse abschirmt. Es würde die Flora und Fauna der Erde sichern und es Menschen auf dem Mars gleichzeitig erlauben, die Natur zu erfahren, aber beispielsweise auch Früchte, Gemüse, Heilpflanzen und nachwachsende Ressourcen wie Holz zu ernten.
Ein bedenkenswerter Vorschlag
Wie Paul Smith in seiner Studie erklärt, wäre das Einrichten eines solchen ETNR zwar eine Herausforderung, aber machbar. Zumindest wenn die korrekten Voraussetzungen geschaffen werden. Denn es brauche nicht nur Erde, Setzlinge und Samen, sondern auch eine Mischung aus Mikroorganismen, Pilzen, Insekten und Würmern, um einen Boden zu kultivieren, auf dem letztlich ein gesunder Wald entstehen kann. Die vielen Organismen müssten so gewählt werden, dass sie belastbar und miteinander kompatibel sind. Wie Smith einräumt, wären überdies nicht alle Pflanzen für ein Leben auf dem Mars geeignet, da das einfallende Sonnenlicht dort geringer ausfällt. Aber Birken, Pinien, Wacholder und einige andere irdische Pflanzen würden wohl keine Probleme damit haben.
Exakte Kopien von irdischen Ökosystemen wären aufgrund dieser Einschränkungen wohl schwer machbar. Aber es könnten neue Ökosysteme mit verschiedenen Tier- und Pflanzenarten geschaffen werden, die, wenn sie präzise aufeinander abgestimmt werden, miteinander harmonieren und dadurch ein Gleichgewicht schaffen – und irdischen Vorbildern durchaus nahekommen. „ETNR-Designer sollten Arten als ökologische Rädchen betrachten, die zu funktionalen Ökosystemen zusammengesetzt werden können“, so Smith.
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Jetzt Mitglied werden!Ein solches künstlich erzeugtes Ökosystem, schränkt der Brite ein, bräuchte wohl auch aktive Pflege. Es wäre nötig, den Boden in bestimmten Zyklen mit zusätzlichen Nährstoffen anzureichern und den fehlenden Einfluss von Spezies auszugleichen, die nicht ohne weiteres in ein solches extraterrestrisches Ökosystem eingebracht werden könnten oder sollten – wie beispielsweise Vögel und Rotwild. Wie Smith ausführt, ist ihm durchaus bewusst, dass ein derartiges Projekt auf absehbare Zeit wohl kaum realisiert werden wird – insbesondere, da es massive Kosten verursachen würde. Aber er regt an, solche Pläne nicht einfach abzutun.
„Aus einer biozentrischen Perspektive sollten sich die Staats- und Regierungschefs Gedanken über die Zukunft des Lebens im Universum und die Rolle der Menschheit bei dessen Schutz und Verbreitung machen“, schreibt Paul Smith. „Auf einem Planeten, der nur begrenzt bewohnbar ist, ist das eine wichtige Aufgabe. Das Überleben des Lebens, in welcher Form auch immer, ist die oberste biozentrische Priorität.“
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