Gegen die globale Erwärmung: Kommt, lasst uns die Erde umparken!?

Es gibt ein einfaches Mittel gegen die globale Erwärmung: Die Erde muss einfach ein Stück von der Sonne weggerückt werden. Schon würde es deutlich kühler – und viele der drohenden Probleme, die der Klimawandel verursacht, würden behoben. Aber ist das eigentlich machbar – und eine gute Idee?

Von Michael Förtsch

Es sieht nicht gut aus. Da sind sich Klimaforscher ziemlich einig. Bereits in der ersten Hälfte der 2030er könnte die globale Temperatur 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Zeitalter liegen. 2065 könnte das sogenannte 2-Grad-Ziel verfehlt werden. Selbst wenn sich die Erde deshalb nicht in eine post-apokalyptische Mad-Max-Landschaft verwandeln wird, wird das Leben auf unserem Planeten doch ungemütlicher. Durch den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur verändern sich Klima und Wetter. Extremwetterlagen wie Stürme, Überschwemmungen, Hagel und Tornados nehmen bereits zu. Genau wie Waldbrände und Wassermangel. Breite Landstriche am Äquator könnten durch das Verfehlen des 2-Grad-Ziels durch Dauerhitze unbewohnbar werden. Und einige Experten befürchten sogar ein massives Artensterben – nicht nur am Land, sondern auch in den Flüssen, Seen und Ozeanen der Welt. Die Lösung des Problems? Eine massive Begrenzung des Ausstoßes von Klimagasen wie CO2 und Methan – und zwar auf null. Dazu globale Anstrengungen, um bereits emittierte Klimagase wieder einzufangen.

Mit diesen Maßnahmen könnte der Klimawandel gebremst werden – und womöglich sogar eine Umkehr des bereits laufenden Wandels in Gang gesetzt werden. Es wäre allerdings eine sehr langsame und wohl nicht vollständige Umkehr, wie Forscher befürchten. 200 Jahre und länger bräuchte die Atmosphäre, um sich nach einem Stopp der Klimagasmissionen „zu erholen“ – wobei atmosphärische Strömungen für Hitze- und Kälteaustausch auf unabsehbare Zeit geschädigt bleiben könnten. In der Zwischenzeit müssten also mehrere Generationen mit dem angerichteten Schaden und dessen Folgen leben.

Oder doch nicht? Einige Wissenschaftler schlagen vor, das Klima ganz gezielt zu manipulieren, um die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Nicht, weil es eine gute Idee sei, sondern weil es nötig werden könnte, um die Ökosphäre der Welt und die Menschheit vor eklatanten Schäden zu bewahren.

Einige Vorschläge? Speziell umgerüstete Schiffe könnten Wasser aus den Ozeanen verdampfen. Flugzeuge könnten reflektierende Partikel in der Atmosphäre aussetzen, die die Sonneneinstrahlung dämpfen und dadurch die Erde herunterkühlen. Es könnten auch riesige Felder aus reflektierenden Spiegeln im All oder eine Zerstreuungslinse direkt vor der Sonne positioniert werden, die die Menge des Lichts, das die Erde trifft, reduziert. Gigantische Kühlaggregate könnten das Abschmelzen von Eis in der Arktis umkehren. Doch vielleicht ginge es auch viel einfacher: Wir könnten die Erde einfach ein Stück weit von der Sonne wegverschieben.

Stellare Verschiebungen

Es war ein bizarrer Moment. Während einer Anhörung des US-Kongresses im Juni 2021 fragte der republikanische Abgeordnete Louie Gohmert eine Vertreterin des United States Forest Service, ob es ihrer Behörde nicht möglich wäre, die Umlaufbahn der Gestirne zu verändern. Könne die Behörde „da nicht irgendetwas tun, um den Kurs des Mondes oder der Erde um die Sonne zu manipulieren“, so der Abgeordnete aus Texas. „Denn das würde profunde Auswirkungen auf das Klima der Erde haben.“ Es folgte eine lange Stille, bevor die Vertreterin der Forstverwaltung in freundlichem, aber irritierten Ton entgegnete, dass sie für eine Antwort später auf den Abgeordneten zurückkommen müsse.

Tatsächlich klingt die Überlegung, die Position der Erde zu verändern, wie Science Fiction. Und das auch nicht von ungefähr. Im Arthur-C.-Clarke-Roman Hammer of God wird ein Asteroid entdeckt, der auf die Erde zusteuert. Selbst wenn er nicht einschlagen würde, droht er die Erde aus ihrer Umlaufzahn zu werfen. In der chinesischen Science-Fiction-Novelle Die wandernde Erde von Liu Cixin droht sich die Sonne zu einem roten Riesen aufzublähen, der die Erde zu verschlucken droht. Die einzige Chance auf ein Überleben der nun Vereinigten Erde ist es, den gesamten Planeten mit riesigen Triebwerken in das Alpha-Centauri-System zu schieben. Nicht zu vergessen die Futurama-Episode Crimes of the Hot, in der alle Roboter des Planeten den Ausstoß ihrer klimaschädlichen Abgase bündeln, um die Erde von der Sonne wegzubewegen. Dennoch ist das nicht nur Fantasie.

Die Auswirkungen des Orbits der Erde um die Sonne auf das Klima werden seit über einem Jahrhundert studiert – und damit auch der Einfluss, den eine Veränderung der Umlaufbahn haben könnte. Zu den Pionieren zählt dabei der 1958 verstorbene Wissenschaftler Milutin Milanković, der die Einstrahlung des Sonnenlichts auf die Erde erforschte und wie diese sich durch die orbitalen Zyklen der Erde verändert. Er berechnete, wie die Bahn um die Sonne, die Achsenneigung und Neigungsrichtung der Erde sowie ihre Rotation sowohl Jahreszeiten beeinflusst als auch klimatische Veränderungen wie Eiszeiten bedingt. Die Erkenntnisse von Milanković und zeitaktuelle Forschung sagen: Ja, würden wir die Erde verschieben, könnten wir die Erderwärmung und dadurch den Klimawandel zurückfahren.

Gar nicht so einfach

Die durchschnittliche Distanz der Erde zur Sonne beträgt 149,6 Millionen Kilometer. Eine Entfernung, die eine irdische Durchschnittstemperatur von 14 Grad in der vorindustriellen Zeit und jetzt 15 Grad Celsius bedingt. Wollten wir sie um drei Grad Celsius abkühlen, um die nicht nur bereits bestehende Erwärmung, sondern auch die noch drohende Erwärmung durch weitere Klimagase zu kompensieren, müssten wir die Erde rund 3 Millionen Kilometer von der Sonne wegbewegen, zeigt eine Formel der Astronomin Britt Scharringhausen. In der Theorie wäre das machbar. Aber praktisch dürfte das schwierig sein.

Die Erde ist nicht gerade ein Leichtgewicht. Sie wiegt 5,972 Tausend Trillionen Tonnen. Die anzuschieben, würde eine immense Energie benötigen: 50 Dezillionen Joules. Zum Vergleich: Die Menschheit verbraucht pro Jahr 600 Trillionen Joules – mitsamt Strom, Heizung, Kühlung, Landwirtschaft, Dienstleistungen und mehr. Die nötige Energie, um die Erde anzuschieben, entspricht dem 83 Milliardenfachen davon. Selbst wenn die Menschheit riesige Triebwerke wie in Die Wandernde Erde aufbauen könnte: Sie zu befeuern und am Laufen zu halten, wäre ohne eine nahezu unbegrenzte Energiequelle eine Unmöglichkeit.

Dennoch sind einige Wissenschaftler überzeugt, dass sich die Erde in Bewegung setzen lässt. Sie könnte beispielsweise in einen gewollten Unfall verwickelt werden. Ein Asteroid oder sogar mehrere könnten mit Explosionen aus dem Kuipergürtel auf einen Kollisionskurs mit der Erde gelenkt werden. Deren Einschlag würde massiven Schaden anrichten, aber könnte auch genug Bewegungsenergie hervorbringen, um die Erde aus ihrer Bahn zu verwerfen. Eine Alternative dazu? Atombomben. Hunderte Millionen davon könnten nach und nach knapp über der Erdoberfläche gezündet werden, um Teile der Erde aufzuwirbeln, zu vaporisieren und dadurch eine Art Raketenmotor zu emulieren, der für Vortrieb sorgt. Die Nachteile allerdings wären immens: Strahlung, Zerstörung… und die Hitze der Explosionen könnte die Atmosphäre massiv aufheizen und dadurch das Ziel dieser Aktion konterkarieren.

Nicht weniger aufwendig, aber etwas sicherer wäre ein Konzept, das Wissenschaftler des NASA Ames Research Center, der University of California und der University of Michigan erdacht haben. Auch sie wollen einen Asteroiden nutzen. Der soll jedoch nicht mit der Erde kollidieren. Stattdessen soll er auf eine Bahn um den Jupiter gelenkt werden, wo er durch den Vorbeiflug kinetische Energie aufnimmt. Diese soll er dann als „orbitale Energie“ durch einen knappen Vorbeiflug an die Erde weitergeben. Und das nicht nur einmal, sondern Hunderte, womöglich sogar Tausende Male über Tausende von Jahren hinweg. Langsam, aber stetig würde die Erde dadurch nach außen gezogen.

Schneller und mit weniger Vorbeiflügen ginge es natürlich mit einem größeren Objekt als einem Asteroiden. Etwa dem Mond! Würde dieser beispielsweise mit Kernwaffenexplosionen aus seinem Tanz mit der Erde gerissen und auf eine Bahn gebombt, die ihn „nach außen“ führt, könnte er die Erde eine Weile mitziehen – und letztlich aus dem Erdorbit verschwinden. Etwas, das, wie das Magazin Scientific American anmerkt, natürlich absehbare katastrophale und wohl in Teilen auch unvorhersehbare Folgen haben könnte: Die Gezeiten würden außer Kontrolle geraten, die Nächte dunkler und die Tage kürzer werden. Ebenso könnte sich die Achse der Erde destabilisieren, was die Jahreszeiten durcheinander wirbeln würde.

Möglicherweise nötig

In der Theorie wäre es also durchaus machbar, die Erde zu verschieben. Aber praktisch fehlt der Menschheit dafür noch die nötige Technologie, Energie und auch Zeit – Zeit, die in der aktiven Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels ohnehin besser angelegt wäre. Denn wenn das nicht geschieht, wäre das Verschieben der Erde sowieso nur eine zeitweilige Lösung. Wenn der Klimawandel nicht durch einen Emittierungsstopp der Klimagase aufgehalten wird, müsste der Standort der Erde wieder und wieder aufgrund der weiterhin steigenden Durchschnittstemperaturen einige Millionen Klinometer verrückt werden.

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Dennoch könnte die Idee der Wandernden Erde irgendwann Wirklichkeit werden – oder werden müssen, warnt zumindest Albert Zijlstra, ein Astrophysiker von der University of Manchester. Denn in Zukunft wird es eben nicht nur mehr der Klimawandel sein, der die Erde zusätzlich aufheizt, sondern auch die Sonne. Denn die wird immer heller, wenn auch bisher in einem unmerklichen Maß. In einigen Milliarden Jahren könnte sie allerdings so intensiv strahlen, dass das Leben auf der Erde unerträglich bis unmöglich wird. So heiß, dass die Ozeane zu kochen beginnen. Dann, so Albert Zijlstra, würde es zur Überlebenssache, die Erde zu verschieben, wenn sie nicht aufgegeben werden soll.

„Damit die Welt länger als eine Milliarde Jahre überdauern kann, müssen wir uns einige Millionen Kilometer von der Sonne entfernen“, sagt Zijlstra. Er schlägt einen ähnliche Plan wie die Forscher des NASA Ames Research Center vor, die ebenso die sich ausdehnende Sonne als Problem identifiziert haben. Auch er will einen Asteroiden auf die Erde zusteuern. Der soll über den Erdorbit hinwegschrammen, die Drehung der Erde beschleunigen und sie so langsam auf eine ausgedehntere Bahn treiben. „Wenn wir das eine Million Mal machen, werden wir die Beschleunigung haben, die wir brauchen“, sagt Zijlstra. Um die Machbarkeit sorgt sich der Astrophysiker dabei nicht. Denn noch habe die Menschheit über eine Milliarde Jahre Zeit und ein Vorbeiflug alle 9.000 Jahre wäre wohl genug, um den solaren Hitzetod zu entgehen.

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Da fällt mir nur zu ein: Solch eine „ernstgemeinte“ Anfrage kann nur von einem Republikaner kommen.

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