Die Europäische Raumfahrtbehörde ESA arbeitet daran, Astronauten in einen künstlichen Winterschlaf zu versetzen. Dies könnte bei langen Raumfahrtmissionen helfen, die physische und psychische Belastung für die Besatzung zu reduzieren. Erste Tests könnten bereits in zehn Jahren stattfinden.
Von Michael Förtsch
Sei es in den Science-Fiction-Filmen der Alien- und Avatar-Reihe, dem Kubrick-Klassiker 2001: Odyssee im Weltraum oder Serien wie The Ark: Fliegen Menschen weite Strecken durch den Weltraum, werden sie in futuristischen Kapseln in einen künstlichen Winterschlaf versetzt. Ihr Metabolismus wird heruntergefahren und eine Reise von Monaten oder Jahren wird gefühlt zu einem Trip von wenigen Minuten. Es ist schon fast ein Klischee, aber eines, das in absehbarer Zukunft zur Wirklichkeit werden könnte. Den die Europäischen Raumfahrtbehörde European Space Agency – kurz ESA – arbeitet daran, diese Science-Fiction-Technologie in wenigen Jahren zu testen.
Wie ESA-Forscher in einer Studie schreiben, würden zukünftige Raumfahrtmissionen zum Mars und darüber hinaus für die Besatzung „extreme physische und psychische Belastungen mit sich bringen“. Ebenso würden sie „Herausforderungen für Lebenserhaltung und Transport“ darstellen. Zumindest, wenn die Besatzungen diese Reisen in einem typischen Wach-Schlaf-Rhythmus absolvieren. Mit einer künstlichen Winterruhe für die gesamte oder einen Teil der Besatzung könnten viele dieser Probleme abgemildert werden. Es brauche weniger Sauerstoff und Nahrung und die Gefahr, dass die Astronauten durch die lange Reise physische oder psychische Schäden erleiden, sei deutlich geringer. Selbst der Muskel- und Knochenschwund, der bei Astronauten sonst festzustellen ist, könne reduziert werden.
Ganz wie in den Science-Fiction-Filmen könnte der menschliche Körper in eine Art Stand-by-Modus versetzt werden. Erst vor wenigen Jahren haben Wissenschaftler bewiesen, dass so ein Zustand auch bei Säugetieren herbeigeführt werden kann, die eigentlich keinen natürlichen Winterschlaf halten. Hierfür muss die Aktivität des Körpers und Gehirns mittels bestimmter Medikamente und Neurotransmitter gedrosselt und ein Schlafzustand forciert werden. Der Körper funktioniert weiter, aber eben auf Sparflamme. Erste Tests an Ratten waren erfolgreich. Die Tiere konnten über mehrere Tage in einen sogenannten Torpor versetzt und anschließend wieder aufgeweckt werden.
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Jetzt Mitglied werden!Wie der ESA-Forscher Jürgen Bereiter-Hahn gegenüber Space.com sagte, seien die bisherigen Tests an Tieren sehr vielversprechend. Dennoch gebe es noch Herausforderungen, die gemeistert werden müssten. Beispielsweise müssten für längere Schlafphasen wiederholt und präzise abgestimmte Medikamente in den Körper der Menschen eingebracht werden, die durchaus auch Nebenwirkungen haben könnten. Ebenso müsste eine Versorgung mit Nährstoffen und eine Stimulation von Muskelgewebe sichergestellt werden.
Laut den Wissenschaftlern der Europäischen Raumfahrtbehörde seien die Grundvoraussetzungen für den künstlichen Winterschlaf dennoch vorhanden. „Klar, natürlich müssen wir an allem noch etwas feilen, bevor wir es bei Menschen anwenden können“, sagt die ESA-Forscherin Jennifer Ngo-Anh. „Aber ich würde sagen, dass es in zehn Jahren soweit sein könnte.“ Für die Umsetzung müssten noch komplizierte Lebenserhaltungssysteme entwickelt werden, die den Schlafzyklus initiieren, das Wohlergehen der Probanden sicherstellen und sie letztlich auch wieder zuverlässig aufwecken.
Der künstliche Winterschlaf könnte letztlich nicht nur der Raumfahrt zugutekommen, sondern auch einen irdischen Nutzen haben. Mediziner glauben, er könnte eine Alternative zum künstlichen Koma oder einer Langzeitnarkose darstellen. Diese sind mit einem schwierigen Erholungsprozess nach dem Aufwachen verbunden. Doch nach einem künstlichen Winterschlaf könnten Patienten aber hingegen wieder deutlich schneller bei Bewusstsein und Kräften sein.
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