Vielen Dank @Wolfgang für die Verlinkung des sehr interessanten Artikels, der zusammengefaßt stark bezweifelt, dass sich ein auf Wachstum ausgerichteter Kapitalismus und die dadurch weitgehend Konsum-infizierten Gesellschaften mit einem nachhaltigen und nicht primär profitorientierten Wirtschaften vereinbaren lassen.
Aus meiner Sicht fängt das Problem bei der immer weiter zunehmenden Konzentration von Macht und Geld an. Deshalb wird auch in progressiv-alternativen Kreisen fortwährend die Systemfrage gestellt, ohne allerdings ein Gegenmodell zur gerechten Verteilung von Macht und dem damit einhergehenden Geld vorweisen zu können. Ich stelle deshalb hier ein Modell zur Diskussion, das ich „Empathische Organisation“ nenne:
Natürliche Führung und Empathische Organisation
Mit diesem Aufsatz wird versucht, den weltweiten progressiven Kräften, die auf der Suche nach einer neuen nachhaltigen Organisationsform sind, einen Anstoß zur Diskussion zu geben, wie der sozial-ökologische Umbau konzertiert gelingen kann:
Wahre Führung basiert auf allumfassender Empathie, die nahezu grenzenloses Vertrauen erzeugt. Dies erlebbar zu machen, verändert alles im Verhältnis der Menschen zueinander.
Insofern ist „Erste_r unter Gleichen“ ein zulässiges und auf natürliche Akzeptanz stoßendes Leitbild für eine zukunftsweisende und am Ende alles durchdringende Organisation der Menschheit im Einklang mit unser Welt.
Zunächst einmal unabhängig von zu ernennenden Führungspersönlichkeiten ist die ideale Größe und Zusammensetzung einer führenden Organisationseinheit zu bestimmen.
Da bleibt festzuhalten, dass es - im Sinne des Interessenausgleichs - einer in möglichst vielen Dimensionen paritätischen Besetzung aller Führungsebenen bedarf. Denn eine effektive Organisation erfordert neben fachlich und emotional qualifizierten Persönlichkeiten auch eine ausgewogene Repräsentation der Geschlechter und Kulturen.
Einerseits ist einleuchtend, dass die Koordinationsfähigkeit einer führenden Gruppe bzw. Organisationseinheit abnimmt, wenn sie zu groß wird, andererseits darf sie nicht zu klein sein, da ansonsten die Dimensionen der paritätischen Besetzung zu klein werden. In diesem Sinne sollte die ideale Zahl der Gruppenmitglieder durch unterschiedlich viele Dimensionsgrößen teilbar sein. Diese ideale Gruppengröße ist 12, denn diese Personenzahl erlaubt noch den effektiven Diskurs und ist gleichzeitig durch 2, 3, 4, 6 und 12 teilbar, um möglichst viel Repräsentanzen ausgewogen unterzubringen. Die Zahl 12 bietet also maximale Teilbarkeiten (z.B. auch ¾ oder ⅔) innerhalb von noch effektiv führbaren Gruppengrößen.
Es ist im Sinne der Transparenz einer Organisation anzuraten, eine neue Organisationseinheit erst zu etablieren, wenn sie mit 12 Personen ausgewogen paritätisch besetzt werden kann. Bis die Zahl geeigneter Personen für die neue Gruppe erreicht ist, werden besser extern angebundene und informelle Arbeitsgruppen unterschiedlicher Größe eingesetzt, die sich z.B. aus ernsthaften Bewerber_innen, Werkstudent_innen, Aushilfskräften und Berater_innen zusammensetzen können. Die Führung bzw. Einbindung solcher Arbeitsgruppen übernimmt dann als Mediator_in eine fachlich und empathisch geeignete Person aus der bestehenden Organisation. Diese externen Mitarbeiter_innen haben zwar keinerlei Mitspracherechte, dann aber bei bewiesener Eignung immer die Option, in eine neue oder bestehende Organisationseinheit aufgenommen zu werden.
Es ist auch verständlich, dass es aus Repräsentationsgründen eines Kopfes einer Organisationseinheit bedarf (Erste_r unter Gleichen). Diese_r fällt dann auch die verantwortungsvolle Aufgabe zu, die Gruppe in der direkt übergeordneten Organisationseinheit zu vertreten. Hierarchie und Akzeptanz der Führung von unten und oben gehen - wie wir im Weiteren sehen - Hand in Hand.
Entscheidungen einer idealerweise 12-köpfigen Gruppe erfordern demokratische Prinzipien. Führt der Diskurs innerhalb der Gruppe nicht zu einer Entscheidungsvorlage, ist ein Ausschuß zu bilden, der interne Gruppierungen und bei Bedarf auch externe Fachleute einbindet. Entscheidungen werden dann durch absolute Mehrheit getroffen. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme der Führungsperson.
Eine besondere Rolle spielt in einer Empathischen Organisation auch die Stellvertreterregelung. Aufgrund des hohen erforderlichen Vertrauens bestimmt jede Person innerhalb der gesamten Organisation ihre Stellvertretung aus dem Kreis ihrer Organisationseinheit selber, soweit die erwählte Person dieser Stellvertretung zustimmt. Die Stellvertretung einer Person sollte vorzugsweise paritätisch diametral (z.B. anderes Geschlecht) ausgewählt werden, fungiert als engste_r Berater_in und vertritt auf unterster Ebene diese Person innerhalb der Gruppe in ihrer Funktion und bei zu vertretenden Führungspersonen auch in der direkt übergeordneten Gruppe. Die Stellvertretung einer Führungsperson übernimmt gleichzeitig auch die Sekretariatsfunktion. So übernimmt innerhalb einer 12-köpfigen Gruppe die Stellvertretung der jeweiligen Führungsperson die Protokollierung, während die Führungsperson selber die Aufgabe der Moderation und Mediation hat.
Von herausragender Bedeutung ist natürlich die Form der Legitimation der Führungskräfte in erster Linie von unten nach oben, im Nachgang aber auch von oben nach unten.
Die Wahl der Führungsperson einer Gruppe erfolgt durch die Gruppe selber und geheim, wobei im ersten Schritt eine einfache Mehrheit ausreicht und die gewählte Person natürlich der Wahl zustimmen muss. Bei Stimmengleichheit erfolgt eine Stichwahl, wobei die Kandidat_innen selber kein Stimmrecht haben. Führt die Stichwahl wieder zu einer Stimmengleichheit erfolgt ein zweiter Wahlgang ggf. mit Stichwahl, bei dem jedes Gruppenmitglied 3 Stimmen hat. Ist der zweite Wahlgang auch nicht erfolgreich, bestimmt die direkt übergeordnete Organisationseinheit eine kommissarische Führungsperson. Nach einem Monat erfolgt dann die erneute Wahl der eigenen Führungperson aus der Gruppe heraus. Die so gewählte Führungsperson ist dann vorläufig für eine Bewährungszeit von 3 Monaten im Amt. Nach diesen 3 Monaten bestätigt die Gruppe die Führungsperson mit einer notwendigen absoluten Mehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme der Stellvertretung der Führungsperson. Wird die erforderliche Mehrheit nicht erreicht, erfolgt eine erneute Wahl der Führungsperson nach dem in diesem Absatz beschriebenen Prozedere.
Gegen eine von der Gruppe gewählten und nach 3 Monaten bestätigten Führungsperson kann aus der übergeordneten Organisationseinheit heraus ein schriftlich begründeter Misstrauensantrag eingebracht werden, der der absoluten Mehrheit bedarf, wobei bei Stimmengleichheit in der direkt übergeordneten Organisationseinheit die Stimme der dortigen Führungsperson entscheidet. Die vom Misstrauensvotum betroffene Führungsperson erhält dann noch eine 1-monatige Bewährungsfrist und kann dann nur in der Führungsposition verbleiben, wenn Sie von ihrer Gruppe mit einer ⅔-Mehrheit bestätigt wird. Hierdurch wird verhindert, daß die übergeordnete Organisationseinheit den ausdrücklich erklärten Willen der untergeordneten Einheit unterdrückt.
Frühestens 3 Monate nach Bestätigung einer Führungsperson kann auch aus der eigenen Gruppe heraus ein schriftlich begründeter Mißtrauensantrag anonym eingebracht werden. Der Misstrauensantrag erfordert innerhalb der Gruppe mindestens die Stimmengleichheit.
Organisationsänderungen bedürfen in einer übergeordneten Organisationseinheit der ⅔-Mehrheit. Organisationseinheiten, die sich dann in ihrer Zusammensetzung bzw. ihren Aufgaben ändern, müssen ihre Führungspersonen durch Wahl von unten nach oben neu bestimmen.
Der Aufbau jeder Organisation folgt den Leitlinien der flachen Hierarchien und schlanken Organisation zur schrittweisen Erreichung ihrer nachhaltigen Ziele. Dabei ist anfangs organisches Wachstum und Vernetzung in der Gesellschaft durchaus erwünscht.
Mit Erreichen der ökonomisch notwendigen sowie ökologisch und sozial vertretbaren Ziele ist die Größe und der Profit der Organisation auf das Notwendige zu begrenzen oder sogar zurückzufahren.
Für jedes Mitglied einer Organisation gilt lebenslanges Lernen und Üben des empathischen Miteinanders als vorrangiges Ziel.
Denn permanente Auseinandersetzung mit dem Wandel ermöglicht jederzeit eine neue Orientierung und Empathie fördert auf natürliche Weise die Solidarität, inbesondere auch mit Minderheiten und Wesen oder Dingen ohne Fürsprecher.
Nur wenn wir uns selbst verändern lassen, verändern wir auch die Welt.
Persönliches Nachwort:
Dieser Vorschlag einer Emphatischen Organisation bedarf natürlich in vielen Punkten noch der Erklärung, Diskussion und Erweiterung. So sind hier z.B. Fragen des Finanzwesens, der Etablierung und Durchführung von Projekten und der gerechten Entlohnung noch nicht behandelt.
Auch die ausgewogenen Repräsentation aller Organisationseinheiten in den oberen Führungsebenen kann nur gewährleistet werden, wenn alle darunter liegenden Hierarchiezweige annähernd die gleiche Anzahl von Ebenen haben, worauf bei der Anlage der Gesamtorganisaton immer zu achten ist.
Ebenfalls ist die ideale Größe einer Gruppe von 12 nicht dogmatisch zu sehen, sie gilt m.E. jedoch als maximal. Aus zwingenden organisatorischen Gründen könnte man z.B. eine minimale Gruppengröße von 6 tolerieren. Für den breiten Diskurs in Besprechungen und zur Beschlussfassung müsste die Gruppe dann jedoch auf 12 aufgefüllt werden. Hierzu könnten dann Mitarbeiter (vorzugsweise begabte Generalist_innen) aus den direkt untergeordneten Organisationseinheiten benannt werden. In begründeten Ausnahmesituationen könnten auch Führungspersonen aus parallelen Organisationseinheiten kurzfristig hinzugezogen werden.
Natürlich erscheinen die Prozesse in einer emphatischen und über weite Strecken basisdemokratischen Organisation auf den ersten Blick recht komplex, könnten jedoch durch weitgehende Digitalisierung sehr einfach und transparent umgesetzt werden.
Die Ausführungen sind in sofern auf die wesentlichen Punkte reduziert, um ersteinmal ein grundlegendes Verständnis dieses Vorschlages zu ermöglichen.