Das berühmte Arecibo-Observatorium wird geschlossen

Das Arecibo-Observatorium auf Puerto Rico ist eines der größten Radioteleskope der Welt und aus zahlreichen Filmen bekannt. Doch in den vergangenen Monaten wurde es schwer beschädigt. Es droht der Einsturz. Daher soll es aufgegeben werden.

Von Michael Förtsch

Es gibt wohl kaum jemanden, der es noch nicht gesehen hat. Sei es in Filmen wie James Bond: Goldeneye, Contact oder einem Fernsehbericht über die Suche nach Außerirdischen und kosmischen Phänomenen: das Arecibo-Observatorium auf Puerto Rico ist das wohl bekannteste Radioteleskop der Welt und mit seinem 305 Meter durchmessenden Spiegel eines der größten wissenschaftlichen Werkzeuge der Geschichte. Gebaut wurde es vom Sommer 1960 bis 1963 als Projekt der Militärforschungsorganisation ARPA. Zunächst wurde es daher vom US-Militär betrieben. Erst 1969 wurde es der Forschungsbehörde National Science Foundation unterstellt, die es für die astronomische Nutzung auf- und ausbaute und seit 2018 gemeinsam mit der University of Central Florida verwaltet.

Das Arecibo-Observatorium wurde also seit Jahrzehnten für die Erforschung der Erdatmosphäre und erdnaher Asteroiden sowie die Suche nach Pulsaren und extrasolaren Planeten genutzt. Ebenso wurden mit Hilfe der riesigen Sende- und Empfangsanlage Radarkarten der Venus und des Merkur angefertigt. Daneben wurde die Antenne auch genutzt, um ins All zu lauschen – in der Hoffnung, Hinweise oder Signale von anderen intelligenten Lebensformen im All aufzufangen. Im Jahr 1974 hatte der Forscher Frank Drake über die Antenne auch eine der ersten Nachrichten an mutmaßliche Außerirdische ins All gesendet – genauer: in Richtung des Sternenhaufens M13. Die Nachricht ist heute als Arecibo Message bekannt. Geplant war, das Observatorium auch für die kommenden Jahrzehnte weiterhin für wissenschaftliche Forschung zu nutzen.

Jedoch kam es im August dieses Jahres zu einem Unfall. Ein 7,5 Zentimeter dickes Kabel riss und fiel auf die Schüssel, wodurch ein 30 Meter breites Loch entstand. Das Kabel war Teil einer 18 Stahlseile umfassenden Sicherungskonstruktion, die die 900 Tonnen schwere Instrumentenanlage über der Schüssel in Position hält. Anders als es auf Fotografien der Anlage erscheint, wurde die 305-Meter-Schüssel nicht in den Boden des Dschungels von Puerto Rico hineingebaut. Sie ist nicht massiv, sondern besteht aus 40.000 Platten, die auf einem Netz aus Kabeln in der Luft hängen. Dieses Netz wird wiederum durch Stahlseile und Stützen getragen, die bereits durch den Hurrikan Maria im Jahr 2017 leicht beschädigt worden waren.

Ein weiterer Schaden

Ingenieure versuchten die betroffenen Stellen mit Stützen und weiteren Kabeln abzusichern und Ankerpunkte der Plattform zu entlasten. Am Dienstag dieser Woche sollten nun eigentlich die Reparaturen an der Anlage beginnen. Allerdings war am 6. November ein weiteres Tragseil der Instrumentenplattform gerissen und hat einen zusätzlichen Schaden nahe dem Zentrum der Antennenanlage verursacht. Statiker schätzen, dass sich im Laufe der Jahre die Last der schweren Konstruktion verschoben und einzelne bereits geschwächte Tragseile überfordert hat. Es ließe sich nicht mit Sicherheit sagen, wie stabil die verbleibenden Kabel sind, die die Instrumentenplattform halten. Es wäre durchaus denkbar, dass ein weiteres Kabel platzt und die Plattform in die Antennenanlage stürzt.

Wie das Magazin Nature meldet, entschieden die Verantwortlichen der National Science Foundation daher nun, dass Reparaturmaßnahmen zu gefährlich sind. Stattdessen wird das Arecibo-Observatorium aufgegeben und geschlossen. Schon nach dem ersten Schaden waren aktive Forschungsarbeiten mit der Antennenanlage eingestellt worden. Begonnene Forschungsprojekte sollen so gut wie möglich auf andere Radioteleskope verlagert und das Arecibo-Teleskop nach und nach abgewickelt werden. Wobei einige Forscher das Riesenteleskop bereits als „einzigartig“ und für die Forschung nahezu „unersetzbar“ bezeichnet haben.

Michael Nolan, der ehemalige Leiter des Observatoriums, und einige weitere Forscher kritisieren die Entscheidung, die Anlage aufzugeben. „Ich bin enttäuscht“, sagte Nolan gegenüber National Geographic. „Das heißt: Vor allem bin ich traurig.“ Laut der National Science Foundation hätten sich das Wissenschafts- und Verwaltungsteam die Entscheidung zur Schließung nicht leicht gemacht. Auch, weil bereits mehrere Aufrüstungen des Observatoriums geplant waren. Darunter war eine 5,8 Millionen US-Dollar teure Erweiterung der nun gefährdeten Instrumentenplattform, die die Sensitivität der Antenne dramatisch verbessern sollte.

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Das nächste Riesenobservatorium wird für den Mond geplant

Wie mit dem Teleskop im Detail weiter verfahren wird, das ist noch nicht entschieden. Nach Möglichkeit soll die schwere Instrumentenplattform langsam abgesenkt werden, um weiteren Schaden zu verhindern und Bauelemente des Antennenequipments zu retten. Ob der riesige Spiegel ebenfalls abgebaut oder in seinem jetzigen Zustand bewahrt werden soll, das ist unklar. Unter dem Hashtag #WhatAreciboMeansToMe teilen Forscher und Fans auf Twitter ihre Erinnerungen und plädierten in Teilen dafür, die Anlage als Denkmal und Sehenswürdigkeit für die Nachwelt zu erhalten.

Der spirituelle Nachfolger des Arecibo-Observatorium ist das Five-hundred-meter Aperture Spherical Telescope – kurz: FAST –, das 2016 im chinesischen Kedu fertiggestellt wurde. Mit einem Spiegeldurchmesser von 520 Meter hatte es das Arecibo-Observatorium nach mehr als 50 Jahren als das weltgrößte Radioteleskop abgelöst. Pläne, auch das FAST zu übertrumpfen, gibt es derzeit nicht. Jedenfalls nicht für die Erde. Jedoch prüft die NASA die Möglichkeit, ob sich Krater auf dem Mond in riesige Radioparabolspiegel umfunktionieren lassen. Die bringen bereits die ideale Form mit und müssten lediglich mit einem Drahtgeflecht ausgelegt werden. Dadurch könnte mit vergleichsweise wenig Aufwand eine Antennenschüssel mit Durchmessern von drei bis fünf Kilometern und noch mehr geschaffen werden.

Teaser-Bild: National Astronomy and Ionosphere Center

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