Auf der Erde große Parabolspiegel für Radioteleskope zu bauen, das ist aufwendig und sehr teuer. Auf dem Mond jedoch gibt es zahlreiche Krater, die schon die perfekte Form für eine solche Radioschüssel mitbringen. Daher schlagen NASA-Forscher nun vor, ein riesiges Radioteleskop auf dem Erdtrabanten zu bauen.
Von Michael Förtsch
Spätestens seit es in Robert Zemeckis’ Kultfilm Contact mit Jodie Foster zu sehen war, ist das Arecibo-Observatorium eine Ikone. In der Science-Fiction-Produktion nach dem gleichnamigen Roman des Astrophysikers und Exobiologen Carl Sagan sucht die Wissenschaftlerin Ellie Arroway mit dem Radioteleskop, dessen 305-Meter-Spiegel direkt in den Dschungelboden hineingebaut wurde, nach Signalen von intelligenten Außerirdischen. Einst war es das größte Radioteleskop der Welt. Zwischenzeitlich wurde es jedoch vom Five-hundred-meter Aperture Spherical radio Telescope – oder kurz: FAST – im chinesischen Kedu überholt, dessen Spiegel immerhin 520 Meter durchmisst und bereits die Entdeckung von über hundert Pulsaren und anderen kosmischen Objekten ermöglicht hat.
Die Rechnung bei Radioteleskopen ist grundsätzlich tatsächlich recht einfach. Je größer der Spiegel, umso mehr kann ein Radioteleskop sehen . Daher soll das Innovative-Advanced-Concepts-Programm der NASA, unter dem NASA-Mitarbeiter radikale und futuristische Ideen ergründen, erforschen, ob und wie sich noch größere Parabolspiegel ermöglichen ließen – und zwar auf der von der Erde abgewandten Seite des Mondes. Denn ein dort konstruiertes Teleskop würde „enorme Vorteile gegenüber einem erdgebundenen oder einem, die Erde umkreisenden Teleskop haben“, schreibt der Robotikforscher Saptarshi Bandyopadhyay vom NASA Jet Propulsion Laboratory.
Unter anderem ließen sich mit diesem Standort Wellenlängen einfangen, die von der Ionosphäre der Erde sonst reflektiert werden und daher von der Menschheit bisher weitestgehend unerforscht blieben. Dazu schirme der Mond das Teleskop gegen all jene Interferenzen ab, die von der Erde aus in den Himmel strahlen. Und nicht zuletzt könnte ein solches Teleskop vergleichsweise einfach errichtet werden. Denn mit den zahlreichen Einschlagkratern auf der Oberfläche des Mondes existieren etliche ganz natürliche und zudem sehr symmetrisch geformte Schüsseln, die als Parabolspiegel für eine solche Antennenanlage herhalten könnten.
Werde Mitglied von 1E9 – schon ab 3 Euro im Monat!
Als Mitglied unterstützt Du unabhängigen, zukunftsgerichteten Tech-Journalismus, der für und mit einer Community aus Idealisten, Gründerinnen, Nerds, Wissenschaftlerinnen und Kreativen entsteht. Außerdem erhältst Du vollen Zugang zur 1E9-Community, exklusive Newsletter und kannst bei 1E9-Events dabei sein.
Jetzt Mitglied werden!Keine wirklich neue Idee
Saptarshi Bandyopadhyay, der seine Idee bereits im Jahr 2018 in einer Studie ausgeführt hatte, schlägt vor, einen „drei bis fünf Kilometer durchmessenden Mondkrater ausfindig zu machen“. Der könnte dann unter Verwendung von kleinen Robotern mit einem feinen Drahtgeflecht ausgefüllt werden, das dann eine die Radiowellen reflektierende Oberfläche bildet. Ein solches Lunar Crater Radio Telescope mit einem Durchmesser von einem Kilometer sei laut Bandyopadhyay in den kommenden Jahren durchaus im Bereich des Machbaren. Es wäre dann „das größte Radioteleskop im gesamten Sonnensystem“. Theoretisch könnten später auch weit größere Installationen umgesetzt werden.
In der Studie gaben Bandyopadhyay und seine Kollegen vom NASA Jet Propulsion Laboratory an, dass sich auch ein 50-Kilometer-Krater in ein gigantisches Teleskop umrüsten ließe. Ebenso könnte ein ganzes Netzwerk von größeren und kleineren Krater-Teleskopen angelegt werden, die verschiedene Regionen des Universums im Blick halten. „Wir gehen davon aus, dass dieses Konzept das Potenzial für bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckungen in der Radioastronomie offenbaren würde“, so der NASA-Forscher.
Die Idee, Mondkrater als Teleskope zu nutzen, ist so neu und revolutionär eigentlich nicht. Erste Vorschläge dieser Art reichen bereits mehrere Dekaden zurück. Während des Kalten Krieges gab es Pläne der USA, Krater in Antennen umzufunktionieren, mit denen sich die Kommunikation der Sowjetunion abfangen ließe. 1988 stellte wiederum der US-Forscher Dan Lester einen Plan vor, mit dem sich die Einschlagskrater an den Mondpolen mit großen Photokathoden in Infrarotteleskope umrüsten lassen sollten. Ebenso gab es 2007 schon den Vorschlag, Mondkrater mit sogenannten Ionischen Flüssigkeiten zu füllen, die dann erstarren und durch eine Metallbeschichtung einen gigantischen Spiegel ergeben würden.
Teaser-Bild: CC BY-SA 2.5 Torsten Edelmann