Sind sie da draußen? Seit Jahrzehnten suchen Forscher den Kosmos nach außerirdischen Intelligenzen ab. Gefunden haben sie noch keine. Daher versuchen einige Wissenschaftler den umgekehrten Weg: Sie wollen die Außerirdischen mit Nachrichten auf die Menschheit aufmerksam machen. Und das nicht erst seit der Moderne. Einige halten das für gefährlich.
Von Michael Förtsch
Eigentlich reicht schon der Blick in den nächtlichen Himmel, um auf die Idee zu kommen, dass wir nicht allein sind. Zwischen all den Lichtpunkten muss es ja wohl irgendwas geben. Der Schätzung von Astronomen zufolge, dürfte das für uns sichtbare Universum zehn Trilliarden Sterne umfassen. Die verteilen sich auf 100 Milliarden Galaxien, wovon jede 100 Milliarden Sterne hat. Alleine in der Milchstraße gibt es 1.00000.000.000 davon. Zumindest ungefähr. Schließlich sehen wir eben nur einen sehr kleinen Teil des Universums. Entsprechend ungenau sind unsere Schätzungen – und könnten sowohl weit über als auch unter diesen Zahlen liegen. Aber trotzdem: So einige dieser Sterne dürften Planeten haben, die sie umkreisen. Und manche davon dürften Leben zu lassen. Und davon manche vielleicht sogar intelligentes Leben.
Das ist auch die simple Erkenntnis aus der sogenannten Drake-Gleichung – und deren zahlreichen Ableitungen. Schon rein statistisch ist es, das sagt sie aus, eher wohl wahrscheinlich als unwahrscheinlich, dass es noch irgendwo anders Leben gibt. „Ich glaube, wir sind nicht allein und nichts Besonderes“, sagt daher Seth Shostak zu 1E9. Er ist Astrophysiker am California Institute of Technology und Chef-Astronom am SETI Institut in Mountain View, Kalifornien. Das studiert Exoplaneten, astrophysikalische Phänomene und die Entstehung von Leben. Bekannt ist das Institut aber vor allem dafür, dass es seit den 1980ern ins All lauscht – also: Search for Extra-Terrestrial Intelligence betreibt, die Suche nach intelligentem außerirdischem Leben.
Ich glaube, wir sind nicht allein und nichts Besonderes.
Seth Shostak
Mit Radioteleskopen wie dem Allen Telescope Array oder dem Green Bank Telescope scannt das SETI Institute den Himmel nach Signalen ab. Ganz in der Hoffnung, vielleicht irgendwo und irgendwann ein Zeichen aufzufangen, das als Hallo, hier sind wir! einer extraterrestrischen Spezies gedeutet werden kann. Oder als Hinweis auf deren Existenz. „Radiowellen sind eine gute Möglichkeit, um Informationen in das All zu übermitteln“, sagt Shostak. „Entweder als gewollter Weg zur Kontaktaufnahme oder als Randeffekt ihrer eigenen Kommunikation.“
Aber auch auf das Registrieren von Laser- und andere Lichtsignalen oder auf die Entdeckung von Alien-Artefakten hofft das SETI Institute – etwa eine Dyson-Sphäre, eine riesige Schale oder einen Schwarm von Solarpanelen, die einen Stern einkapseln, um dessen Energie abzuernten. „Es ist vernünftig anzunehmen, dass eine fortgeschrittene Zivilisation so etwas baut“, sagt der SETI-Wissenschaftler. Solche Strukturen könnten etwa hinter Lichtschwankungen von Sternen stecken, was von 2017 auf 2018 Debatten um das seltsame Verhalten der Sonne KIC 8462852 anheizte.
Huhu! Hier sind wir!
Dass draußen im All irgendwelche Wesen ähnlich wie wir leben und sich entdecken lassen, diese Überlegung, sagt Shostak, sei nicht neu. „Das geht mindestens bis zu den alten Griechen zurück“, sagt der SETI-Forscher. „Aber ihnen fehlten die Instrumente, um nachzuschauen, ob etwas oder was da oben ist.“ Erst mit der Erfindung von geschliffenen Linsen und Teleskopen im 17. und 18. Jahrhundert wurde es möglich, den Mond und den Mars ins Visier zu nehmen – und dort nach Hinweisen zu suchen, ob dort jemand sein könnte.
Die Menschen kamen auf die Idee, dass wir etwas tun könnten. Sie meinten, wir könnten auf die ein oder andere Weise auf uns aufmerksam machen.
Seth Shostak
Frühe Astronomen meinten in Mondkratern Städte zu entdecken. Die wachsenden und schrumpfenden Polkappen sowie auftauchende und verschwindende Flecken auf dem Mars wurden als Indikatoren für Jahreszeiten und Vegetation gedeutet. „[Mond und Mars] sahen unserer Welt schon irgendwie ähnlich – und zumindest der Mars schien schon so ein bisschen wie unsere Erde zu sein“, lacht Shostak. „Daher dachte man sich, dass dort Leben möglich wäre. Bei dem Kenntnisstand dieser Zeit war das eine berechtigte Annahme.“
Recht früh gab es daher auch das Bedürfnis, nicht nur passiv zu schauen und zu lauschen, sondern, wenn da oben jemand sein sollte, selbst einmal Hallo! zu schreien. „Die Menschen kamen auf die Idee, dass wir etwas tun könnten“, sagt Shostak. „Sie meinten, wir könnten auf die ein oder andere Weise auf uns aufmerksam machen.“
Einer der Vordenker dabei war das deutsche Universalgenie Carl Friedrich Gauß. In Gesprächen mit Fachkollegen und seinem ehemaligen Lehrer soll er 1822 vorgeschlagen haben, von ihm entwickelte Heliotrope – eigentlich zur Landvermessung bestimmte Sonnenspiegel – in ganz Europa aufzustellen. Damit könne das Sonnenlicht oder auch das Licht von Gaslampen zum Mond gestrahlt werden. Der Franzose Charles Cros soll einige Jahre später einen ähnlichen Vorschlag gehabt haben. Er wollte demnach einen riesigen Parabolspiegel konstruieren und das Licht der zu dieser Zeit noch recht neuartigen Elektrolampen nutzen, um Blinksignale ins All zu schicken.
Auch dem österreichische Astronom Joseph von Littrow werden solche Bemühungen zugeschrieben. Er hatte angeblich einen Plan ausgearbeitet, um in der Sahara breite Gräben in der Form von geometrischen Figuren auszuheben und dann mit Wasser und Lampenöl zu füllen. Einmal in Brand gesteckt, würden sie so hell brennen, dass sie weithin aus dem All sichtbar gewesen wären: Er hatte dabei insbesondere die Marsianer, aber auch Bewohner der Venus im Sinn und glaubte, dass sie die Leuchtzeichen als gemacht erkennen würden. „Es sollte ihnen zeigen, dass wir intelligent sind und Geometrie verstehen“, sagt Shostak und ergänzt, dass Littrow aber niemanden fand, der das Experiment finanzieren wollte.
Natürlich hätte keiner die feurige Nachricht gesehen. Denn die Möglichkeit, wirklich andere Welten mit Nachrichten zu erreichen, die kam erst Jahrzehnte später. Nämlich mit der Entdeckung der Radiowellen und den Entwicklungen von Funkpionieren wie Guglielmo Marconi, der Anfang des 20. Jahrhunderts selbst glaubte, Morsezeichen „aus dem Raum jenseits unseres Planeten“ zu empfangen. Ebenso wie der geniale Erfinder Nicola Tesla, der 1901 sagte, er könne Radiosprüche vom Mars abfangen. „Heute wissen wir, dass das eher keine Marsianer waren“, sagt Shostak. „Aber wir sahen hier die Technik aufkommen, die es brauchte, um zu lauschen und zu senden.“
Ein Funkruf ins All
Ein erster irdischer Funkruf, der die da draußen erreichen sollte, wurde am 19. November 1962 von sowjetischen Wissenschaftlern gesendet. Es war ein Morsecode, der das russische Wort Mir – also: Frieden – buchstabierte. Vom Planetaren Radar in Yevpatoria wurde er in Richtung der Venus ausgestrahlt, um die Funktionsfähigkeit der riesigen Antenneninstallation zu testen. Mittlerweile sind die Funkwellen weit gereist und auf dem Weg zum Stern HD 131336.
Im Jahre 1974 folgte dann die legendäre Arecibo-Botschaft, die der bekannte Astronom Frank Drake mitverfasste. Als Pixelgrafik wurden Informationen über die Menschheit, chemische Elemente, die DNS-Struktur und die Erde als Einsen und Nullen vom Arecibo-Observatorium auf Puerto Rico zum Kugelsternhaufen M13 gefunkt. Rund 45.500 Jahre wird sie unterwegs sein – und, wie neue Berechnungen ergeben haben, ihr Ziel durch die Bewegung der Galaxie, wohl weit verfehlen.
Einer, der dieses Erbe heute mit mehr Wissen und Planung fortsetzt, ist Douglas Vakoch. Er war einst Mitarbeiter am SETI Institute, sein Büro lag direkt neben dem von Shostak. Mittlerweile ist er der Leiter von METI International – Messaging Extraterrestrial Intelligence –, einer kleinen Organisation deren erklärtes Ziel es ist, „mit voller Absicht starke Signale zu den Sternen zu senden, in der Hoffnung, mit außerirdischer Intelligenz in Kontakt zu treten“. Active SETI oder eben auch METI wird dieses Vorgehen seit einigen Jahre bezeichnet.
„Seit sechzig Jahren scannen Astronomen, die an der Suche nach außerirdischer Intelligenz beteiligt sind, den Himmel nach Hinweisen auf fortgeschrittene Zivilisationen ab“, sagt Vakoch im Gespräch mit 1E9. „Bis jetzt haben sie nichts gefunden. Was aber, wenn jede Zivilisation da draußen genau das tut, was wir tun: Einfach nur zuhören, aber nicht selbst senden?“ Genau daher sei es richtig und wichtig, nicht passiv das Ohr ans Weltall zu legen, sondern aktiv ein Ist jemand da draußen? hinausschreien.
Seit sechzig Jahren scannen Astronomen, die an der Suche nach außerirdischer Intelligenz beteiligt sind, den Himmel nach Hinweisen auf fortgeschrittene Zivilisationen ab. Bis jetzt haben sie nichts gefunden.
Douglas Vakoch
Seine erste Nachricht ins All sendeten Douglas Vakoch und METI International in Zusammenarbeit mit dem Musikfestival Sonar im Oktober 2017 über drei Tage hinweg vom Forschungsradar der European Incoherent Scatter Scientific Association in Tromsø, Norwegen. „Wir haben dafür eine mathematische und wissenschaftliche Anleitung entworfen“, erläutert Vakoch. In der Nachricht sind etwa grundlegende Prinzipien der Arithmetik, Geometrie und Trigonometrie als binäre Signale codiert.
Mit einfachen Bip- und Bop-Pulsen, von denen 125 pro Sekunde abgesendet wurden, werden etwa einfache 1+1=2-Rechnungen angestellt; darauf aufbauend kommen Berechnungen, die gleichschenklige Dreiecke oder einen Kreis beschreiben. Dazu kommt eine binäre Aufschlüsselung der Funkwellen, die die Informationen durch das All tragen, ein Impuls, der durch Hochzählen das Konzept der Zeit greifbar macht – und kurze Ausschnitte aus Musikstücken. Eine Zivilisation, die eine diese Nachricht empfangen kann, glaubt der METI-Forscher, sollte diese Inhalte dechiffrieren und verstehen können.
Gerichtet war die Nachricht auf Luytens Stern. „Das ist der nächste bekannte Stern, von dem wir wissen, dass er einen erdähnlichen Exoplaneten hat, der ihn in einer habitablen Zone umkreist“, so Vakoch. Dass er jedoch allzu bald eine Antwort bekommt, glaubt der METI-International-Leiter nicht. „Selbst wenn wir die Sterne in unserem eigenen galaktischen Hinterhof anfunken, sind die Entfernungen immer noch immens“, sagt er. „Unsere Botschaft zum Luytens Stern, die immerhin mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs ist, wird mehr als zwölf Jahre bis zur Ankunft benötigen – und eine Antwort dann nochmal zwölf Jahre! Nicht gerade ein flotter Dialog.“
Unsere Botschaft zum Luytens Stern, die immerhin mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs ist, wird mehr als zwölf Jahre bis zur Ankunft benötigen – und eine Antwort dann nochmal zwölf Jahre! Nicht gerade ein flotter Dialog.
Douglas Vakoch
Auch daher glaubt Douglas Vakoch, dass auch Methoden abseits von Radiosignalen genutzt werden sollten, um ins All zu strahlen. Etwa Laserpulse, die weitaus dichtere und informationsreichere Nachrichten erlauben. „An einem Tag könnten wir mehr Informationen senden als in der ganzen Historie der Erde zuvor“, sagt er. Beispielsweise könnten sich damit kodierte 3D-Bilder versenden lassen, die den Aliens genau zeigen, wie wir aussehen und uns bewegen.
Ziemlich viel Müll im Weltraum
Douglas Vakoch ist mit METI International nicht allein mit seinen Bemühungen. Auch die vom russischen Millionär Juri Borissowitsch Milner angestoßene Forschungsinitiative Breakthrough Initiatives will mit der Programm Breakthrough Message in Zukunft Botschaften ins All schicken. Aber vorher wollen die Forscher hier eine weltweite Debatte in Wissenschaft, Politik und Philosophie darüber anstoßen, ob überhaupt, wie und was eigentlich gesendet werden sollte. Währenddessen strahlen andere schon munter alles Mögliche in alle Richtungen des Kosmos.
Beispielsweise kann derzeit jeder, der will, über die Website SpaceSpeak.com für einige US-Dollar einen Text oder ein Bild ins All beamen lassen. Auch schickte 2016 eine vom UK Astronomy Technology Centre, der European Space Agency, der University of Edinburgh und anderen gestützte Initiative namens A Simple Response to an Elemental Message insgesamt 3.775 Antworten auf die Frage danach, wie unser Leben unsere Zukunft beeinflusst, über die Cebreros Station in Kastilien und León, Spanien zum Polarstern.
Im Jahr 2013 wiederum funkte ein Crowdfunding-Unternehmen namens Lone Signal von Nutzern eingesendete 144-Zeichen-Botschaften in Richtung Gliese 526, die als eine Art komischer Rosettastein dienen sollten. Aber auch sechs Stunden an Tortillachips-Werbung, Kleinanzeigen von Craigslist oder Nachrichten der Nutzer des lange vergessenen Social Networks Bebo schwirren bereits durch den kosmischen Äther. Genau das beunruhigt jedoch einige Experten. Sie finden das unverantwortlich.
Die Begegnung mit einer fortgeschrittenen Zivilisation könnte wie die Begegnung der Ureinwohner Amerikas mit Kolumbus sein.
Stephen Hawking
Für Stille ist es bereits zu spät
Einer der bekanntesten Kritiker der aktiven Suche nach intelligenten Außerirdischen war der 2018 verstorbene Astrophysiker Stephen Hawking. Über mehrere Jahre warnte er, dass das Senden von Nachrichten ins All außerirdische Lebensformen anlocken könnte. Es könnte sich um eine hochentwickelte Zivilisation handeln, die nicht an anderen Kulturen im Weltall, sondern nur an Lebensraum oder Ressourcen interessiert ist – und keine Ethik oder Moral kennt, wie wir es tun. „Die Begegnung mit einer fortgeschrittenen Zivilisation könnte wie die Begegnung der Ureinwohner Amerikas mit Kolumbus sein“, sagte Hawking. „Die ging [für die Ureinwohner] nicht gut aus.“
Auch Philosophen wie Susan Schneider mahnen zur Vorsicht. „Es wäre bestimmt faszinierend, auf eine außerirdische Superintelligenz zu treffen. Aber es wäre auch sehr gefährlich und existenzbedrohend“, meinte Schneider in einem früheren Gespräch mit 1E9. Sie verwies dabei auf Theorien, die auch erklären könnten, warum bisher kein Kontakt mit Aliens zustande gekommen ist. Zum einen die Dunkle-Wald-Theorie, die besagt, dass zwar viele außerirdische Zivilisationen existieren, aber sich ruhig verhalten, weil sie keine Feinde anlocken wollen.
Eine andere Überlegung nennt sich Berserker-Theorie und geht davon aus, dass hochentwickelte Zivilisationen bewaffnete Sonden ins All schicken, die etwa nach Funkwellen und Laserlichtern suchen, und aufstrebende Spezies auslöschen, bevor sie zur Gefahr werden. Das sind Theorien, die auch der Astronomen Dan Werthimer bemühte, nachdem Douglas Vakoch 2017 seine Nachricht gesendet hat. Er sagte, dass Active-SETI- und METI-Bemühungen „möglicherweise gefährlich und keine gute Idee“ sind. Es sei wie „in einen Wald hineinzurufen, der voller Tiger, Löwen, Bären und anderen gefährlichen Tieren ist“.
Solchen Warnungen hält Douglas Vakoch von METI International ein recht einfaches Argument entgegen. „Es ist schon längst zu spät“, sagt er. Wenn eine Alien-Armada andere Zivilisationen ausmachen will, um sie zu überrennen oder den Planeten zu plündern, gäbe es schon genug Signale von der Menschheit im Weltraum, denen sie folgen könnte: die Radio- und Fernsehsignale, aber auch Radarwellen von Flughäfen, die als sogenannte Leckstrahlung in den Weltraum dringen. „Selbst eine Zivilisation, die nur ein paar hundert Jahre technologisch fortgeschrittener ist als wir, könnte unsere Signale bis zu einer Entfernung von 500 Lichtfahren aufspüren“, sagt Vakoch. Das ist weiter weg als der Luytens Stern, den er angepeilt hat.
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Jetzt Mitglied werden!Der gleichen Ansicht ist auch Seth Shostak vom SETI Institute. „Wir senden die ganze Zeit, 24 Stunden am Tag“, stimmt er seinem ehemaligen Kollegen zu. „Ob beabsichtigt oder nicht, unsere Radiowellen könnten durchaus ein Sonnensystem erreichen, wo feindliche Aliens hausen. Vielleicht, durchaus möglich.“ Wenn eines Tages fiese Außerirdische über unserem Planeten schweben, meint der SETI-Forscher, wäre das daher wohl weniger die Schuld von METI International, sondern eher von Radio- und Fernsehsendern oder Flughäfen. Die Gefahr, dass das wirklich passiert, sei aber eher gering.
Für die Chance, auch nur eine Zivilisation auf uns aufmerksam zu machen, müssten unsere Signale wohl mindestens eine Million Sternensysteme kreuzen, schätzt Seth Shostak. Die mittlere Distanz bis zu den eine Million Systemen, die uns am nächsten sind, beträgt laut ihm rund 200 Lichtjahre. Genauso lange wären unsere Signale bis dahin unterwegs. Die ersten Signale, die stark genug waren, um unser Sonnensystem zu verlassen, wurden ab den 1930ern gesendet. Die wären derzeit nicht einmal auf halber Strecke, wenn überhaupt. Wenn bösartige Aliens hier ankommen sollten, dann nicht morgen, sondern frühestens in über 120 Jahren, meint Shostak – und das auch nur, wenn sie mit Überlichtgeschwindigkeit reisen können.
Schickt ihnen das Internet
Aber was, wenn die Außerirdischen zuerst bei uns durchklingeln? Also was, wenn das SETI Institut eine Nachricht auffangen sollte? Wie sollten wir dann antworten? Douglas Vakoch von METI International hat darauf keine definitive Antwort. Dafür brauche es, glaubt er, eine international geführte Debatte. Er hofft darauf, dass das Thema der Kommunikation mit potenziell intelligentem Leben im All bis dahin etwas ernster genommen wird. „Mein Traum ist es, dass António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, eines Tages verkünden wird, dass die interstellare Nachrichtenübermittlung zu einer wichtigen Priorität für die Diskussionen innerhalb der Generalversammlung geworden ist“, meint er. „Aber bis es soweit ist, bis dahin müssen Organisationen wie METI International das Heft in die Hand nehmen und Debatten darüber selbst anstoßen.“
Mein Traum ist es, dass António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, eines Tages verkünden wird, dass die interstellare Nachrichtenübermittlung zu einer wichtigen Priorität für die Diskussionen innerhalb der Generalversammlung geworden ist.
Douglas Vakoch
Ein ähnliches Vorgehen haben 2011 Forscher an der University of California in Berkeley und dem Blue Marble Space Institute of Science vorgeschlagen. Sie haben einen Plan zur Entwicklung eines Protokolls zur Kommunikation mit extraterrestrischen Intelligenzen entworfen und schlagen vor, so viele Menschen, Kulturen und Gesellschaften wie möglich einzubeziehen. Etwa, indem Menschen auf einer interaktiven Website eigene Nachrichten entwickeln können, die dann auch an Menschen getestet werden. Denn: „Eine wirksame Botschaft an Außerirdische sollte zumindest für Menschen verständlich sein.“ Wenn sie das nicht ist, wie sollte sie dann ein Wesen aus einer anderen Welt kapieren?
Seth Shostak vom SETI Institute hat hingegen eine pragmatischere Sicht auf eine hypothetische Kontaktsituation. Er glaubte nicht an Bilder wie aus Science-Fiction-Filmen, wo ad hoc, wenn ein Funkspruch aus dem All ankommt, ein internationales Komitee von Wissenschaftlern gebildet wird, das eine Antwort für die ganze Welt spricht. „Dafür habe ich zu viel Erfahrung mit solchen Expertenrunden“, sagt er und lacht. Sowieso gäbe es wohl keine Eile, eine Antwort zu senden, wenn der Sender hunderte Lichtjahre entfernt ist. Daher müsse kein hektisches Hallo! Wir hören euch! zurückgeschickt werden. Es gäbe genug Zeit, sich gründlich zu überlegen, was die beste Antwort wäre.
Aber seine Empfehlung wäre, „einfach das ganze Internet“ zu senden – oder besser: die Server von Google, die große Teile des Internet katalogisiert haben. „Das ist etwas, mit dem sie wirklich etwas über uns erfahren würden“, sagt der SETI-Wissenschaftler. „Das ist so viel redundante Information. Du hättest Bilder, Videos, Texte.“ Eine Zivilisation, die mit uns in Kontakt treten kann, bei der ist davon auszugehen, dass sie so etwas wie Computer besitzt, die Daten speichern und auf die ein oder andere Weise dechiffrieren und lesbar machen könnte. „Sie könnten unheimlich viel entdecken“, sagt Shostak „Vor allem könnten sie verdammt viel über diese kleinen und ziemlich felligen Kreaturen lernen. Diese Dinger, die wir Katzen nennen.“
Teaser-Bild: Getty / sharply_done