Das Spektakel in Las Vegas ist dieses Jahr ausgefallen. Wegen der Pandemie wanderte auch die CES ins Internet, immerhin die weltgrößte Messe für Unterhaltungselektronik. Unzählige Neuheiten und Produktvorstellungen gab’s trotzdem. Die meisten davon sollen unser Leben bequemer, spaßiger und bunter machen. Doch manche haben sowas wie einen tieferen Sinn.
Von Wolfgang Kerler
Die Consumer Electronics Show wurde ihrem Namen wie immer gerecht. Sie war ein virtuelles Festival des Konsums – mit unzähligen neuen Laptops, Fernsehern, Smartphones oder Kühlschränken. Für diejenigen, die ihre Wohnungen und Häuser gerne zu digital überwachten Festungen machen wollen, waren ebenfalls wieder genug unheimliche Gadgets und Apps dabei. Doch daneben fanden sich auch ein paar Produkte, die vielleicht nicht gerade die Welt retten werden, aber zumindest echte Probleme adressieren wollen. Ein paar davon stellen wir euch vor.
Masken, Masken, Masken
Während wir uns mit FFP2-Masken eindecken, die die Ausbreitung des Coronavirus eindämmen sollen, hat auch die Tech-Branche in diesem Bereich nachgerüstet.
Der auf Gaming-Equipment spezialisierte Hersteller RAZER stellte sein Project Hazel vor. Dahinter verbirgt sich die „smarteste Maske der Welt“, wie das Unternehmen selbst behauptet: Sie hat eingebaute N95-Filter, reguliert die Temperatur und Luftqualität in ihrem Inneren und besteht größtenteils aus Plexiglas, wodurch man die Mundpartie seines Gegenübers sehen kann. Durch Mikrofone verstärkt sie, was ihr Träger sagt. Außerdem sieht sie durch bunt leuchtende LED-Ringe schick aus. Über Nacht muss sie aufgeladen werden – und wird dabei in ihrer mit UV-Licht ausgestatteten Ladestation desinfiziert.
Eine smarte Maske, die die Luftqualität misst, stellte auch AirPop vor. Amazfit und LG hatten ebenfalls ihre schon länger bekannten Tech-Masken ebenfalls bei der CES dabei. Schlaue und teure Masken gab es übrigens auch schon im vergangenen Jahr bei der CES. Damals haben wir uns noch darüber aufgeregt, dass jetzt selbst Atmen zum Luxus werden soll. Wie schnell sich die Dinge ändern können…
Elektrofahrzeuge, die keine dicken SUVs sind
Auch bei E-Autos geht der Trend zu schwergewichtigen SUVs. Doch bei der CES bekamen auch etwas bescheidenere Elektrofahrzeuge eine virtuelle Bühne. General Motors, zum Beispiel, stellte nicht nur die Studie für ein autonomes Wohlfühlshuttle und einen fliegenden Cadillac vor, sondern auch einen elektrischen Lieferwagen, der durchaus an den deutschen StreetScooter erinnert – dessen Zukunft mehr als ungewiss ist. Anders als die Deutsche Post, zu der StreetScooter gehört und die dessen Produktionsende ankündigte, scheint GM noch an die Idee zu glauben. Die neue Tochterfirma BrightDrop soll etwa den Logistikanbieter FedEX mit E-Transportern und anderen Mobilitätslösungen wie einem elektrisch angetriebenen Hubwagen sowie Software versorgen.
Der neueste Prototyp eines in Deutschland – auch wegen einer gigantischen Crowdfunding-Kampagne – schon länger bekannten Solar-Elektroautos wurde ebenfalls im Rahmen der CES enthüllt. Das Start-up Sono Motors zeigte ein Vorserienmodell seines Sion, dessen Produktion nach mehreren Verzögerungen im kommenden Jahr beginnen soll. Das Besondere an dem Fahrzeug, das 25.500 Euro kosten soll: In die Karosserie eingelassen sind Solarzellen, die pro Tag Energie für bis zu 34 Kilometer Fahrt einsammeln können.
Batterien mit weniger oder gar keinem Kobalt
Kobalt hat es zwar nicht in den Namen der Lithium-Ionen-Batterien geschafft, die nicht nur in Elektroautos, sondern auch in Laptops, Smartphones und unzähligen anderen Geräten als Energiespeicher fungieren, trotzdem funktionieren diese nicht ohne Kobalt. Das Problem: Der Rohstoff wird insbesondere in der Demokratischen Republik Kongo gefördert – oft unter menschenunwürdigen Bedingungen. Kinderarbeit ist keine Seltenheit. Und auf Gesundheits- und Umweltschutz wird kaum geachtet. Hinzu kommt, dass Kobalt sehr teuer ist und damit zum vergleichsweise hohen Preis von Elektroautos beiträgt.
Weltweit wird daher nach Lösungen gesucht, um Batterien mit weniger oder gar keinem Kobalt herzustellen. So kündigte Panasonic bei der CES an, in zwei bis drei Jahren Batterien ohne Kobalt liefern zu können – auch an den Großkunden Tesla. Schon jetzt bräuchten die Batterien deutlich weniger Kobalt als bisher. General Motors und LG stellten die bereits angekündigten Ultium-Akkus vor, die Investoren schon jetzt begeistern, weil auch sie deutlich weniger Kobalt benötigen.
Übrigens: In Europa wird ebenfalls an Kobalt-freien Batterien geforscht. Das DLR gab schon einen Monat vor der CES Einblicke in die Fortschritte dabei.
Lasso, der Recycling-Roboter für die Küche
Mülltrennung ist lästig, aber wichtig. Denn nur, wenn Abfälle gut sortiert sind, besteht eine realistische Chance, dass sie recycelt werden können. Damit das – insbesondere in Ländern wie den USA, wo gigantische Müllmengen immer noch auf Deponien gekippt werden – besser klappt, will ein britisches Start-up seinen Recycling-Roboter Lasso in die Küchen dieser Welt bringen.
Der schlichte, oben etwas abgerundete Kasten ist etwas größer als eine Spülmaschine und erscheint in verschiedenen Farben. Füllt man durch eine Luke Abfall hinein, wird dieser sortiert, von Essensresten und Etiketten gereinigt, dann zerkleinert und schließlich im Bauch des Roboters sortenrein gelagert, damit er etwa einmal im Monat abgeholt werden kann. Dass die Abfälle dann auch wirklich wiederverwertet werden, will der Anbieter ebenfalls sicherstellen.
Wie die Technik im Inneren des Lassos genau funktioniert und wie es dort aussieht, war bei der CES noch nicht zu sehen. Er soll aber bereits zehn Jahre in Entwicklung sein.
Roboter für den Haushalt – und gegen das Alleinsein
Samsung stellte gleich drei Roboter für den Haushalt vor. Der spektakulärste davon: Bot Handy. Die rollende Säule mit ihrem minimalistisch, aber sympathisch animierten Gesicht soll allerlei Dinge in die Hand nehmen können, ohne sie kaputt zu machen. Das ist bei Robotern nicht selbstverständlich. Deshalb – und, wie sollte es anders sein, mithilfe von Künstlicher Intelligenz – kann Bot Handy dreckige Teller in die Geschirrspülmaschine räumen, Wäsche einsammeln, den Tisch decken oder sogar ein Gläschen Wein einschenken. Wann und ob der Roboter erhältlich sein wird, verrät Samsung aber noch nicht.
Als Alltagsgefährte gerade für ältere Menschen ist dagegen der Cutii von CareClever gedacht, der 2021 tatsächlich auf den Markt kommen soll. Er soll sich frei durch die Wohnung bewegen, Videoanrufe starten, im Notfall Hilfe rufen, das Licht ein- und ausschalten und an Termine erinnern können.
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Geräte, welche die persönliche Fitness und den eigenen Körper tracken, sind nicht unkritisch zu betrachten. Datenschutz. Zuverlässigkeit. Selbstoptimierungswahn. Dennoch: Funktionieren sie, können sie Menschen zu einem gesünderen Leben verhelfen.
Das belgische Start-up Sunrise, zum Beispiel, stellte bei der CES seinen drei Gramm schweren Sensor vor, den man sich unter die Unterlippe klebt. Zusammen mit einer App soll dieser herausfinden, ob man während des nächtlichen Schlafs kleine Atemaussetzer hat – also an Schlafapnoe leidet, die zu wenig erholsamen Schlaf führt. Wird sie erkannt, kann sie behandelt werden. Der zertifizierte Test soll genauso akkurat sein wie eine Untersuchung in der Klinik.
Ein noch größeres Thema auf der CES waren Geräte, die beispielsweise den Blutdruck oder die Herzfrequenz messen können, wodurch Herz-Kreislauf-Erkrankungen frühzeitiger bemerkt werden können. Zu den entsprechenden Neuheiten gehörten HealthyU von HD Medical oder auch das VItalSight Kit von Omron.
Die B-Box soll Imkerei auf dem Balkon möglich machen
Dass es den Bienen schlecht geht, hat sich inzwischen herumgesprochen. Und dass viele Menschen etwas zur Rettung der Bienen beitragen wollen, ist seit dem erfolgreichen Volksbegehren zur Artenvielfalt in Bayern vor zwei Jahren auch klar. Dessen Motto war schließlich: „Rettet die Bienen!“ Wer gerne aktiv zu dieser Rettung beitragen will, aber nur einen kleinen Balkon hat, sollte sich ein Produkt des italienischen Start-ups BEEing genauer ansehen, das in den vergangenen paar Jahren entwickelt wurde: die B-Box.
Die hölzerne Box kann als Zuhause für ein Bienenvolk dienen und braucht etwa einen Quadratmeter Platz. Die Tiere gelangen nur durch einen „Bienenschornstein“ ins Innere, der 2,20 Meter hoch ist. Sie schwirren also über den Köpfen der Menschen herum, was es ungefährlich machen soll, an die Box heranzutreten. Die seitlichen Wände der Box lassen sich abnehmen, so dass man durch Plexiglasscheiben einen Blick auf das Volk werfen kann. Und: Die Box ist so konstruiert, dass man an den Honig auch ohne Sicherheitskleidung kommen soll.
Das nötige Fachwissen über die richtige Haltung von Bienen braucht es trotz der cleveren Ideen in der Box natürlich trotzdem.
Eiscreme – in nur 90 Sekunden
Okay, ob dieses Produkt wirklich ein Beitrag zum Klimaschutz ist, wie der Hersteller behauptet, sei dahingestellt. Aber leckeres Eis macht die Welt auf jeden Fall ein bisschen besser. Also drücken wir ein Auge zu und nehmen den ColdSnap mit auf die Liste.
Das Küchengerät hat die Größe und Form eines Kaffeevollautomaten und verspricht in 60 bis 90 Sekunden Eis, Frozen Yogurt, eisige Cocktails oder Frozen Coffee zu machen. Dafür muss man nur oben eine – selbstverständlich zu 100 Prozent recycelbare – Aluminiumdose reinschieben, in der die nötigen Zutaten stecken. Und unten kommt die gefrorene Gaumenfreude heraus. Da die Aludosen ungekühlt gelagert werden kann, sollen 25 bis 50 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden, die sonst durch die Herstellung, Lagerung und den Transport von Eis verursacht werden. Als Klimaretter sollte man sich beim Schlürfen einer Frozen Margarita wohl dennoch nicht fühlen…
Titelbild: Der Sion von Sono Motors, HealthyU von HD Medical und die neuen Roboter von Samsung. Collage: 1E9