Von Sebastian Eisner
Die Konzepte, mit denen die Klimakrise bekämpft werden soll, werden zum Teil immer gigantischer. Die Stichworte: Geo-, Solar- oder Climate-Engineering. Dahinter verbergen sich Riesenspiegel, die im All platziert werden sollen, riesige CO2-Sauger, künstliche Wolken oder die Förderung des Algenwachstums in den Ozeanen, damit Kohlendioxid aus der Atmosphäre gebunden wird.
Doch der amerikanische Philosoph S. Matthew Liao, der das Center for Bioethics an der New York University leitet, hält nichts von derart riskanten und unkalkulierbaren Umbauten der ganzen Erde. Er findet: Der Mensch sollte bei sich selbst anfangen, dem größten Treiber des Klimawandels – sollte dabei aber nicht auf „Marktanreize“ setzen, die die Menschen dazu bringen sollen, ihr Verhalten zu ändern. Die Chancen, dass das tatsächlich wirkt, sieht Liao nämlich nicht. Er propagiert stattdessen seit einigen Jahren ein Konzept, das er Human Engineering nennt. Gerade erst hat er seine Forderungen in einem Telefoninterview mit dem österreichischen Standard bekräftigt.
Vier Modifikationen, die uns Menschen klimafreundlicher machen würden
Was aber meint er mit Human Engineering, das er „eine neue Art von Lösung für den Klimawandel“ nennt? Nun, der Begriff ist ziemlich wörtlich gemeint, denn er bezeichnet die Modifikation des menschlichen Organismus mit Biotechnologie und Medizin, die heute verfügbar sind. Das Ziel: Der Mensch soll klimafreundlicher werden, also weniger Ressourcen verbrauchen und damit weniger zur Erderwärmung beitragen. Ganz konkret schlägt Liao vier Ansätze vor.
Fleisch-Intoleranz
Ein Bericht der UN Food and Agriculture Organization veranschlagt, dass 18 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen durch Massentierhaltung verursacht werden. Das heißt, die Fleischproduktion stößt mehr CO2 aus als der gesamte Verkehrssektor. Liaos Ansatz: So wie manche Menschen allergisch auf Milchzucker oder Weizeneiweiß reagieren, könnten wir eine künstlich hervorgerufene Intoleranz gegen rotes Fleisch erzeugen. Obwohl Fleischunverträglichkeiten eher ungewöhnlich sind, können sie durch die Stimulierung des Immunsystems recht einfach herbeigeführt werden. Es braucht dazu nur einen Biss der Amerikanischen Waldlaus.
Diese Zeckenart befällt größtenteils Wild- und Nutztiere. Beißt sie allerdings einen Menschen, steigt danach die Zahl der Alpha-Gal-Antikörper in dessen Blut. Alpha-Gal ist ein Zuckermolekül, das in vielen Fleischsorten enthalten ist. Doch ausgelöst durch den Zeckenbiss reagiert das menschliche Immunsystem darauf plötzlich mit der Bildung dieser Alpha-Gal-Antikörper, was allergische Reaktionen zur Folge haben kann: Nesselausschlag, Kurzatmigkeit, Durchfall – und das einige Stunden nach dem Konsum vom Fleisch. Da es bisher keine Behandlung gegen diese durch einen Zeckenbiss herbeigeführte Fleischallergie gibt, bleibt nur: Verzicht. Ganz im Sinne des Klimaschutzes.
Kleinere Menschen
Der ökologische Fußabdruck eines Menschen ist zum Teil direkt abhängig von seinem Gewicht und seiner Körpergröße. Jedes Kilogramm Körpergewicht erhöht den Grundumsatz, um einen Organismus aufrecht zu erhalten. Und der Mensch wurde im Laufe der Evolution viel zu groß und zu schwer, sagt Liao. Sein Vorschlag: Da das Gewicht im Quadrat zur Körpergröße zunimmt, reiche schon eine geringe Reduktion dieser, um einen signifikanten Effekt zu erzielen. Es hätte zwar auch einen Effekt, wenn ein Mensch generell sein Gewicht reduzieren würde, aber Liao belässt es bei der Körpergröße. Er sagt, „keep it simple“.
Würde man die Durchschnittsgröße eines US-Amerikaners um 15 Zentimeter reduzieren, bedeutete dies eine Gewichtsreduktion um etwa 20 Prozent. Erreicht werden könnte dies durch präimplantationsdiagnostische Eingriffe, um kleinere Embryonen zu bevorzugen. Oder man nutzt Hormone, die tatsächlich schon verbreitet Anwendung finden, um bei Hochwuchs in einem frühen Alter die Epiphysenfugen, also: die Wachstumsfugen, zu schließen. Das verringert die Körpergröße im Erwachsenenalter.
Altruismus und Empathie steigern
Viele Umweltprobleme und ein nicht geringer Teil der Umweltzerstörung sind Ergebnis von menschlichem Handeln, das nicht auf das Gemeinwohl gerichtet ist, diagnostiziert Liao.
Könnte sich nun aber jeder Mensch sicher sein, dass auch jeder andere stets zum Wohle der Gemeinschaft handelt, könnten wir laut Liao in den Genuss vieler Vorteile kommen – all jener nämlich, die sich nur dann erzielen lassen, wenn eine große Anzahl von Menschen nicht gegeneinander arbeiten, sondern zusammen. Klimaschutz würde dann zwangsläufig passieren. Doch wie sollen Menschen dazu gebracht werden, so zu agieren?
Wie die bio-politische Künstlerin Heather Dewey-Hagborg, die die Welt mit einem synthetischen Virus vom Hass befreien will, setzt Liao dabei auf das „Liebeshormon“ Oxytocin. Als körpereigenes Hormon ist es für die Bindung zwischen der Mutter und ihrem Säugling zuständig. Doch es ist auch als verschreibungspflichtiges Medikament erhältlich und steigert die Fähigkeit, den emotionalen Zustand anderer Menschen zu erkennen und sich kooperativ zu verhalten. Gleichzeitig handelt man „unter Oxytocin“ vertrauenswürdiger und ist eher bereit, Geld mit Fremden zu teilen.
Katzenaugen
Zu guter Letzt schlug Liao im Standard-Telefon-Interview vor, dass wir versuchen sollten, „Augen wie Katzen zu bekommen, um nachts besser zu sehen und so den Energieverbrauch in den Städten zu reduzieren“. Liao betont dabei übrigens immer wieder, dass all diese Eingriffe nur freiwillig erfolgen sollten. Aber wer hätte nicht gerne Katzenaugen, mit denen man nachts sehen kann?
Was haltet ihr von Liaos Vorschlägen? Ist Human Engineering eine Option, die Erde für Nachkommen so erlebbar zu machen, wie wir sie kennen? Oder ist man als kleinerer Mensch per se im Vorteil für eine etwaige Mars-Missionen? Und was würdet ihr am Menschen engineeren?
Titelbild: Wallhere / Montage: Sebastian Eisner