Die großen Tech-Konzerne haben beispiellose Macht angehäuft. Selbst mit Regierungen werden Facebook, Amazon, Google und Apple verglichen. Doch als die vier Firmenchefs gestern von US-Abgeordneten angehört wurden, lag der Fokus auf ihrer Marktmacht – und ihren Methoden, um Konkurrenz auszuschalten. Wir stellen die Fälle vor, mit denen die Manager konfrontiert wurden.
Von Wolfgang Kerler
Mangelnde Vorbereitung kann man den 15 Mitgliedern des Unterausschusses für Kartellrecht wohl nicht vorwerfen. Über eine Million Dokumente haben die Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses gesammelt. Hunderte Stunden an Interviews geführt. Und das seit über einem Jahr. Die Befragung der vier Firmenchefs – Jeff Bezos von Amazon, Tim Cook von Apple, Mark Zuckerberg von Facebook und Sundar Pichai von Google – war der bisherige Höhepunkt ihrer Untersuchung.
Vermutlich im August oder September wird der Ausschuss dann seinen Abschlussbericht über die Dominanz der Tech-Konzerne vorlegen. Die Folge könnten durchaus neue Gesetze sein, um deren Macht einzuschränken. Denn die Frage scheint für die Politiker beider Parteien, der Demokraten und der Republikaner, derzeit nicht mehr zu sein, ob Amazon, Apple, Google und Facebook zu viel Einfluss haben, sondern was man dagegen unternehmen soll und kann.
Schon bei der Eröffnung der über fünf Stunden dauernden Anhörung, zu der die Manager per Videocall zugeschaltet waren, sagte der demokratische Ausschussvorsitzende David Cicilline: „Jede einzelne Entscheidung von einem dieser Unternehmen kann tiefgreifende und dauerhafte Auswirkungen auf Hunderte Millionen von uns haben.“ Und er ergänzte später: „Um es einfach auszudrücken: Sie haben zu viel Macht.“
Hier könnt ihr die Anhörung in voller Länge anschauen.
Die Abgeordneten sehen ein Muster des Machtmissbrauchs
Auch wenn man manchmal das Gefühl hatte, die Anhörung würde vom eigentlichen Thema abkommen – zum Beispiel, wenn es darum ging, ob Facebook gezielt konservative Stimmen benachteiligt – so zielten die meisten Fragen doch auf das ab, was David Cicilline zu Beginn als die „gemeinsamen Muster und Wettbewerbsprobleme“ ausmachte, die die Abgeordneten während ihrer Recherchen bei allen vier Unternehmen feststellten.
„Jede Plattform stellt das Nadelöhr für einen wichtigen Vertriebskanal dar“, sagte Cicilline. „Egal, ob sie den Zugang zu Informationen oder zu einem Marktplatz kontrollieren – diese Plattformen haben den Anreiz und die Fähigkeiten, ihre Macht auszunutzen.“
Im Austausch für einen Zugang zu ihren Kanälen könnten sie überhöhte Gebühren verlangen oder Knebelverträge durchsetzen, führte der Politiker aus. Außerdem hätten sie die Möglichkeit, Daten über Privatkunden, aber auch über Firmen, die auf ihre Plattformen angewiesen sind, zu sammeln und einzusetzen. Sie könnten potenzielle Konkurrenten überwachen – um diese dann zur Sicherung ihrer Macht zu kaufen, zu kopieren oder von der eigenen Plattform auszuschließen.
Einige der Fälle, die die Abgeordneten dann ansprachen und mit teils neuen Beweisen unterfütterten, haben wir hier für euch zusammengefasst.
Google gegen Yelp: Bedrohte der Internetriese die Bewertungsplattform?
Zuerst wurde Google mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert. Zahlreiche Online-Unternehmen hätten dem Ausschuss mitgeteilt, dass Google ihre Inhalte stehle, um eigene, vergleichbare Dienste aufzubauen – um diese anschließend zu bevorzugen. Ganz konkret kritisierte Cicilline, wie Google im Jahr 2010 gegen Yelp vorgegangen sein soll, eine Bewertungsplattform für Restaurants. Zuerst habe Google die Yelp-Rezensionen „gestohlen“, um damit eine eigene Restaurant-Suchmaschine zu starten. Dann soll es sogar zu einer Art Erpressung gekommen sein.
„Herr Pichai, wissen Sie, wie die Antwort von Google lautete, als Yelp darum bat, mit dem Diebstahl der Restaurant-Reviews aufzuhören“, fragte der Abgeordnete eher rhetorisch und fuhr gleich selbst fort. „Unsere Untersuchung zeigt, dass die Antwort von Google war, Yelp mit dem kompletten De-Listing zu drohen.“ Yelp habe dann nur noch zwei Optionen gehabt: Google weiter zu erlauben, die eigenen Reviews zu stehlen – oder komplett aus den Google-Suchergebnissen zu verschwinden.
Sundar Pichai ging nicht auf den Fall ein. Er betonte, dass es Google immer darum gehe, „den Usern das zu geben, was sie wollen“. Auf die Frage, ob Google seinen Einblick in den Online-Traffic nutze, um Konkurrenten auszumachen, die dem Unternehmen gefährlich werden könnten, antwortete Pichai ebenfalls allgemein. „Genau wie andere Unternehmen versuchen wir, anhand von Daten, die wir sehen, Trends zu verstehen – um dadurch die Produkte für unsere User zu verbessern.“
Hat Amazon bewusst Verluste gemacht, um einen Konkurrenten auszuschalten?
Die demokratische Abgeordnete Mary Gay Scanlon warf Amazon vor, Konkurrenten nicht nur durch den üblichen Wettbewerb überflügeln, sondern durch unerlaubte Kampfpreise zerstören zu wollen. Um das zu untermauern, konfrontierte sie Jeff Bezos mit Dokumenten aus dem Jahr 2009, die ihr euch bei WIRED ebenfalls anschauen könnt. Dabei ging es um den damals sehr erfolgreichen Online-Händler Diapers.com, der Windeln und Babyprodukte verkaufte.
Amazon musste damals feststellen, dass es dem Konkurrenten offenbar gelungen war, günstiger liefern zu können. Daher habe man nach Maßnahmen gesucht, um Diapers.com zu schwächen, wie interne E-Mails bewiesen. Eine Maßnahme: Amazon sollte dieselben Preise wie Diapers.com anbieten, „egal, was das kosten wird“, wie es in einer E-Mail hieß. In nur einem Monat soll Amazon durch die Preissenkungen Verluste in Höhe von 200 Millionen Dollar akzeptiert haben, nur um Diapers.com aus dem Markt zu drängen.
„Ihre eigenen Dokumente zeigen, dass der Preiskampf gegen Diapers.com funktionierte“, führte Mary Scanlon gegenüber Jeff Bezos aus. „Innerhalb weniger Monate kam [die Firma] in Schwierigkeiten – und Amazon kaufte sie schließlich.“ Nach der Übernahme des einstigen Konkurrenten habe Amazon die Windelpreise wieder angehoben. „Herr Bezos, haben Sie persönlich dafür gesorgt, dass die Preise erhöht wurden, nachdem ihr Wettbewerber eliminiert war?“, fragte die Abgeordnete. Jeff Bezos antwortete, dass er sich daran nicht mehr erinnern kann.
Der Amazon-Gründer und -Chef musste sich ebenfalls mit Vorwürfen auseinandersetzen, Amazon würde die Drittanbieter, die über den Amazon Marketplace verkaufen, unfair behandeln. Zum Beispiel, indem sie bestimmte, erfolgreiche Produkte plötzlich nicht mehr anbieten könnten. Oder indem Amazon ihre erfolgreichen Produkte kopiere, um sie schließlich selbst – und günstiger – anzubieten.
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Jetzt Mitglied werden!Auf die Frage der demokratischen Abgeordneten Pramila Jayapal, ob Amazon die Daten über die Geschäfte von Marketplace-Anbietern nutze, um derartige Entscheidungen zu treffen, sagte Bezos: „Ich kann diese Frage nicht mit Ja oder Nein beantworten. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass wir eine Richtlinie gegen die Verwendung verkäuferspezifischer Daten zur Unterstützung unseres [eigenen] Handelsmarkengeschäfts haben, aber ich kann nicht garantieren, dass diese Richtlinie nie verletzt wurde.“
Hätte Facebook Instagram doch nicht übernehmen dürfen?
Abgesehen von den Fragen nach einer angeblichen Diskriminierung konservativer Stimmen auf Facebook und einer möglichen Wahlbeeinflussung, zum Beispiel durch Russland, musste Mark Zuckerberg vor allem Fragen rund um die Übernahme von Instagram beantworten. Facebook hatte den Fotodienst im Frühjahr 2012 geschluckt. Aber war der Deal, der damals von den Behörden abgesegnet wurde, wirklich zulässig?
Der demokratische Abgeordnete Jerry Nadler erinnert daran, dass Übernahmen, die nur dazu dienten, mögliche Konkurrenten auszuschalten, gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Doch genau das war aus seiner Sicht die damalige Motivation von Zuckerberg und Facebook. Schließlich habe der Konzernchef vor der Übernahme in einer internen Mail, die bei der Anhörung gezeigt wurde, über den möglichen Kauf junger Konkurrenten wie Instagram oder Path das geschrieben: „Diese Geschäfte sind noch im Entstehen, aber ihre Netzwerke sind etabliert, die Marken sind bereits bedeutsam, und wenn sie in großem Maßstab wachsen, könnten sie für uns sehr disruptiv sein.“ Später wurde er noch konkreter: „Instagram kann uns deutlichen Schaden zufügen, ohne zu einem riesigen Unternehmen zu werden.“
Daraus folgerte Jerry Nadler: „Anstatt mit [Instagram] zu konkurrieren, hat Facebook es also gekauft. Das ist genau die Art von wettbewerbswidriger Übernahme, die die Kartellgesetze verhindern sollten.“ Zuckerberg verwies auf die Genehmigung des Deals durch die Federal Trade Commission und erinnerte daran, dass der Erfolg von Instagram auch wegen der Übernahme durch Facebook möglich war. „Im Nachhinein sieht es wahrscheinlich offensichtlich aus, dass Instagram die heutige Größe erreicht hätte. Aber zu der Zeit war es alles andere als offensichtlich“
Verbannt Apple potenzielle Konkurrenten aus dem App-Store?
Am besten kam bei der gestrigen Anhörung wohl Apple-Chef Tim Cook davon. Ihn konfrontierte die demokratische Abgeordnete Val Butler Demings mit dem Vorwurf, der iPhone-Hersteller habe bestimmte Programme aus seinem App-Store entfernt, mit denen Eltern ihre Kinder im Blick behalten können. Dieser Schritt sei genau dann erfolgt, als Apple seinen eigenen Dienst einführen wollte.
Doch Cook erwiderte, der Grund dafür seien Bedenken zum Datenschutz gewesen. „Wir wenden die Regeln gleichermaßen auf alle Entwickler an“, so der Konzernchef. Allerdings wurde Apple in der Vergangenheit schon häufiger von App-Entwicklern kritisiert. Auch wegen der hohen Provisionen, die fällig werden, werfen manche der Firma unfaire Methoden vor.
Und nun?
Etwas unklar blieb während der Mammutanhörung, welcher konkrete Schaden eigentlich der Allgemeinheit durch die eher robusten Geschäftspraktiken der Tech-Konzerne entsteht. Die grundsätzliche Antwort gab der Vorsitzende des Unterausschusses, David Cicilline, eigentlich schon am Anfang. Wenn Konzerne ihre marktbeherrschende Stellung ausnutzen, habe das negative ökonomische Folgen. Mögliche Firmengründer würden demotiviert, Jobs vernichtet, Preise würden steigen und die Qualität sinken. Außerdem würde die Dominanz der vier Unternehmen kleine Firmen vernichten und die Dynamik, die zum Motor der amerikanischen Wirtschaft gehöre, bremsen.
Welche politischen Schlussfolgerungen die Abgeordneten daraus ziehen, werden sie der Welt in den kommenden Monaten mitteilen müssen.