Erkennung von Waldbränden: SpaceX bringt Satellit des Münchner Start-ups OroraTech ins All

Waldbrände und Buschfeuer so früh wie möglich erkennen, um Schlimmeres zu verhindern: Das will das Münchner Space-Start-up OroraTech durch seine Satelliten möglich machen, die mit Infrarotkameras die Erdoberfläche überwachen. SpaceX hat nun den ersten davon in den Orbit transportiert. Der zweite soll noch in diesem Jahr folgen.

Von Wolfgang Kerler

Es ist Donnerstag, der 13. Januar 2022, um genau 17.33 Uhr. Räumlich getrennt, aber doch gemeinsam verfolgen Thomas Grübler, Martin Langer, das Team von OroraTech, aber auch Kunden, Partner und Freunde des Start-ups den Livestream zur Transporter-3 Mission von SpaceX. Da ertönen endlich die entscheidenden Worte: „OroraTech separation confirmed.“ Die Falcon-9-Trägerrakete hat den ersten Satelliten des Start-ups erfolgreich in seine Erdumlaufbahn in etwa 525 Kilometern Höhe entlassen.

„Es war wirklich aufregend“, sagt Thomas Grübler, der Geschäftsführer von OroraTech, ein bisschen übermüdet, aber zufrieden lächelnd am Tag danach im Gespräch mit 1E9. Mit dem schuhschachtelgroßen Satelliten kann das Start-up nun testen, ob die Technologie, die es seit der Firmengründung im September 2018 entwickelt, wirklich funktioniert. Sie soll es möglich machen, Wald- und Buschbrände nicht erst nach Stunden, sondern kurz nach ihrem Ausbrechen zu erkennen, wenn sie noch klein und kontrollierbar sind.

OroraTech will Überwachungslücken schließen

Wie groß das Problem ist, das OroraTech angehen will, erlebte die Welt zuletzt vor gerade einmal zwei Wochen. Mitten im Winter brachen im US-Bundesstaat Colorado mehrere Feuer aus. Zehntausende Menschen mussten aus ihren Häusern fliehen. Bis der Waldbrand gelöscht war, wurden 1.000 Gebäude zerstört – und der Schaden summierte sich auf etwa eine Milliarde Dollar. Die Naturkatastrophe beendete damit ein Jahr, indem derartige Brände weltweit für Verwüstungen sorgten, ob im Süden von Spanien, in Griechenland, in Kalifornien oder in Sibirien.

„Waldbrände sind auch ein natürliches Phänomen, es geht also gar nicht darum, sie komplett zu verhindern“, erklärt Thomas Grübler. „Aber durch die langen Dürreperioden der letzten Jahre werden sie jedes Mal um einiges größer und immer unkontrollierbarer – und richten gewaltige Zerstörungen an.“ Je früher ein Feuer erkannt wird, umso eher kann verhindert werden, dass ganze Wohnviertel abbrennen.

Bisher werden Wälder vor allem von Beobachtungstürmen, mit Flugzeugen oder Drohnen überwacht. Das ist allerdings teuer und lückenhaft, weshalb es zu Verzögerungen kommt. Auch Satelliten tragen bereits zur Branderkennung bei. OroraTech selbst nutzt für seine bestehenden Kunden – private Waldbesitzer, aber auch Behörden – die Wärmebilder von zwanzig großen Wissenschaftssatelliten und wertet diese mit seiner Software aus, die auch auf Künstlicher Intelligenz basiert. Doch eine rundum zufriedenstellende Lösung ist das nicht. Zum einen, weil die Infrarotaufnahmen bisher nicht direkt in den Satelliten ausgewertet werden, sondern zuerst zur Erde geschickt werden. Das dauert. Zum anderen – und das ist das größere Problem –, weil die Satelliten nicht immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind.

„Leider gibt es gerade am Nachmittag – genau dann, wenn die meisten Brände ausbrechen – keine Satellitendaten“, sagt Martin Langer, der CTO von OroraTech, zu 1E9. „Das liegt daran, dass die Satelliten, die wir bisher nutzen, nicht primär für die Waldbranddetektion konzipiert wurden.“ Kurz gesagt: Die vorhandenen Satelliten beobachten die Erde genau dann nicht, wenn das Waldbrandrisiko am höchsten ist.

Um rund um die Uhr eine flächendeckende Überwachung sicherzustellen, bräuchte es ein ganzes Netzwerk aus Satelliten, die mit Infrarotkameras den ganzen Planeten im Blick behalten. Wissenschaftssatelliten sind dafür kaum geeignet, schon deshalb, weil ihre Herstellung oft Jahre dauert, Unsummen verschlingt und sie die Größe von Kühlschränken oder sogar Autos haben.

Kompakte Infrarotkameras ohne Kühlung

Im Gegensatz dazu passt die Technologie von OroraTech in einen standardisierten CubeSat, der die Form eines kleinen Würfels hat. Dem Start-up ist es nämlich gelungen, eine Infrarot- beziehungsweise Wärmebildkamera zu entwickeln, die ohne die bisher nötige Kühlung auskommt. Das ist entscheidend, denn diese nimmt zehnmal so viel Platz ein wie die eigentliche Optik der Kamera.

„Wir haben die erste miniaturisierte multispektrale Wärmebildkamera entwickelt“, sagt Thomas Grübler dazu. So werden kompakte Satelliten möglich, deren Herstellung und Transport deutlich günstiger ist. Das Ziel von OroraTech wird damit greifbar: Bis Ende 2026 will das Start-up eine Konstellation mit 100 Satelliten platzieren und damit jeden Punkt der Erde innerhalb von einer halben Stunde beobachten können. Die Daten der Infrarotkameras sollen dann direkt in den Satelliten ausgewertet werden, um sofort Waldbrand-Warnungen zur Erde schicken zu können.

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Der gerade von SpaceX ins All transportierte Satellit wird ganz allein wohl noch keinen Brand verhindern können. „Das ist unsere erste Mission“, sagt Martin Langer. „Es geht uns vor allem darum, unsere Technologie zu testen.“ Deswegen konzentrierte sich OroraTech auch auf das Innenleben des CubeSats – Kamera, KI-fähige Prozessoreinheit, Software – und überließ den Bau des Satelliten dem luxemburgischen Hersteller Spire, der auf Kleinsatelliten spezialisiert ist.

Im vierten Quartal dieses Jahres will OroraTech einen zweiten, technisch aufwendigeren Satelliten ins All schicken. Bis Ende 2023 sollen dann acht Satelliten eine Mini-Konstellation bilden, die bereits handfeste Ergebnisse liefern soll. „Schon damit werden wir die zeitliche Beobachtungslücke, die derzeit existiert, halbieren“, sagt Martin Langer.

Jetzt allerdings warten Thomas Grübler und Martin Langer erst einmal auf die ersten Daten ihres ersten Satelliten. In einem Monat soll deren Übertragung beginnen. Die beiden hoffen darauf, dass die Pandemie es bis dahin zulässt, diesen Moment mit dem gesamten OroraTech-Team zu feiern – nicht nur virtuell.

Titelbild: OroraTech

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Richtig, cool, dass ihr jetzt einen Satelliten oben habt! Congrats @thomas.gruebler and dich und das ganze Team von Orora Tech.

Ich erinnere mich ganz gut an unser erstes Kennenlernen bei KPMG München im Februar 2018, während einer Abendveranstaltung zu Startups, als Thomas glaube ich sogar noch an der Uni war, noch keine Firma hatte und mir von seinen Pläne erzählte.

Es ist unglaublich zu sehen, was seitdem in der New Space community, vor allem hier in Bayern passiert ist. Und es ist sicherlich kein leichter Weg bis hierher zu kommen. Chapeau nochmal!

Vielleicht wird es Zeit ein Update zu @Space_BY zu bringen. Seit den ersten Treffen und Initiativen, auch von @t.sattelberger initiiert, noch vor Corona, ist viel passiert und gerade die heimische Space Startup Szene hat bislang geliefert! Meine These: überdurchnittlich mit Referenz auf „Startup Land“

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Super, dass es bald ein Beobachtungssystem für Waldbrände und deren Früherkennung auf globaler Ebene gibt.

Vor länger Zeit schon gab es einen Artikel aus der complex systems community, der Feedbackkopplungen zwischen Waldbränden und lokalen Ökologien und großen klimatischen Änderungen ins Auge fasste (Fokus damals weniger auf Klima). Hier ein Bild zur Veranschaulichung:

Und ein Link zur Quelle (von Bild und Artikel):
https://www.pnas.org/content/102/50/17912https://www.pnas.org/content/102/50/17912

Ich denke, gegeben der unglaublichen Mengen CO2, die bei solchen Bränden freigesetzt werden, müsste jemand mal solche Feedback Dynamiken und vor allem positive Rückkopplungen, also die Verstärkung von Waldbränden → CO2 release → Erwärmung → mehr Trockengebiete / Varianz und Extremwetterlagen → mehr Brände und CO2, etc, modellieren oder untersuchen.

Oder ist das schon Teil der großen Klimamodelle? Gabs es hierzu schonmal auf 1E9 Artikel? Erinner mich an HPC / supercomputer Artikel aber dediziert zu den Klimamodellen?

Jedenfalls glaube ich dass die Kombination aus so einer Orora-Tech Konstellation, als „Thermometer für den Planet“ und lokale Brand-Detektion mit globalem Blick ein super Dateninstrument für Echtzeitmanagement von solchen Dyamiken sein kann, in Kombination mit großen Rechenmodellen.

ZB kann man so bestimmt effizienter und Dynamischer Brandentwicklungen und -ausbreitungen erkennen. Viel Unglück vermeiden und vielleicht über Klimamodelle sogar bestimmte Regionen stärker unter Beobachtung setzen und mehr Ressourcen auf Vermeidung legen.

Viel Erfolg weiterhin!

nochmal Co2, bei Waldbränden werden m.E. mehr als 1ooo mal soviel Schadstoffe frei gesetzt als wir jemals einsparen könnten

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