Dieses Hochhaus soll funktionieren wie ein Regal

Eine Gruppe von Architekten und Ingenieuren hat ein Hochhaus erdacht, das sich den Bedürfnissen von Städten und seiner Bewohner anpassen soll. Die Etagen sollen aus Modulen bestehen, die sich herausziehen und gegen andere austauschen lassen. Ein Bürokomplex soll sich dadurch zu einem Hotel oder einem Wohnhaus umrüsten lassen.

Von Michael Förtsch

Der Platz in vielen Innenstädten ist rar. Daher wird gerne teuer, hoch und dediziert gebaut. Schlanke Türme werden als Hotels, Büro- und Wohnanlagen geplant. Aber ändern sich die Verhältnisse in den Städten, kann es schnell dazu kommen, dass sich der Bedarf wandelt – und ein Gebäude nicht mehr liefern kann, was aktuell gebraucht wird. Abriss, Neubau oder zumindest ein aufwendiger Umbau werden dann nötig. Das britisch-norwegische Architekturbüro Haptic und das Ingenieurbüro Ramboll wollen das ändern. Für ein Grundstück nahe der Grønland Metro Station in Oslo haben sie ein Hochhaus entworfen, das sich leicht an einen neuen Bedarf anpassen lassen soll. Denn der Regenerative High-Rise genannte Turm soll vollkommen modular gestaltet sein – und sich in allen Städten rund um die Welt nachbauen lassen.

Die Idee der Architekten? Statt einem typischen Hochhaus mit einer festen Konfiguration an Räumen soll das Regenerative High-Rise eher einem riesigen Regal gleichen. In das können im oberen Teil je nach Bedarf drei Etagen überspannende Module eingeschoben werden, die beispielsweise für die Nutzung als Büro-, Hotel-, Wohn- oder Gewerbeflächen konfiguriert sind. Im Mittelteil sollen sich ein- und zweistöckige Module integrieren lassen. Diese sollen wiederum so gestaltet sein, dass sie sich sehr flexibel mischen und verbinden lassen. Die Module sollen sowohl kleine Single-Wohnungen ermöglichen als auch Wohnungen für Großfamilien und Wohngemeinschaften, die sich über zwei oder drei Etagen spannen. Auch Module für Freiluftbereiche, kleine Gärten oder Stadtfarmen sollen möglich sein.

„Wie die Pandemie gezeigt hat, können sich Bedürfnisse und Anforderungen plötzlich ändern“, sagen die Architekten. „Und die Bausubstanz [einer Stadt] muss in der Lage sein, darauf zu reagieren.“ Daher ist das Regenerative High-Rise zwar initial für einen Standort im norwegischen Oslo vorgeschlagen, aber soll keinen einmaligen Prestigebau darstellen, sondern sich in nahezu allen Städten nachbauen und entsprechend den örtlichen Bedürfnissen anpassen lassen. Ein „universelles Design“ solle das Gebäude darstellen. Frischwasser-, Abwasseranlagen, Strom- und Wärmeversorgung: alles soll in das Basisgerippe des Gebäudes integriert sein und nach einem Plug-and-Play-Prinzip funktionieren.

Eine alte Idee?

Geht es nach den Architekten und Ingenieuren von Haptic und Ramboll soll das Hochhaus aber nicht nur modular und dadurch wandlungsfähig sein, sondern auch möglichst nachhaltig. Sowohl für die Konstruktion der Regalstruktur als auch der Module sollen mehrheitlich Holzverbundwerkstoffe zum Einsatz kommen, die langlebig und feuerfest sind. „Hundert Jahre und mehr“ sollen für den Holzbau kein Problem darstellen, sagt Tomas Stokke, einer der Planer, gegenüber Dezeen. Lediglich für die zentralen Pfeiler und das Fundament, die die Konstruktion tragen, wären Stahl und Beton notwendig.

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Ob das Regenerative High-Rise in Oslo tatsächlich umgesetzt werden kann, das ist noch offen. Jedoch wollen die Designer und Ingenieure ihre Ideen auch in einer Studie zusammenfassen, die die Möglichkeiten, das Potential und die Machbarkeit eines solch modularen Turmbaus für moderne Städte zusammenfasst – und Stadtplaner motivieren soll, das Konzept zu erproben. Erste Interessenten gäbe es bereits, sagt Stokke. „Wir haben den Vorschlag mit einer Reihe potenzieller Kunden besprochen“, so der Architekt. „Und wir würden das Projekt gerne realisieren.“

Wirklich neu ist das Konzept eines modularen Hochhauses übrigens nicht. Der japanische Architekt Kishō Kurokawa hat in den 1950ern die Architekturbewegung des Metabolismus erdacht. Deren Kernidee war es, dass sich Städte an die Nöte und Bedürfnisse der Bewohner anpassen sollten. Statt Gebäude stetig neu zu bauen, sollten sie sich durch den Austausch modularer Einheiten erneuern lassen. Eines der wenigen Gebäude, die Kurokawa umsetzen konnte, ist der Nakagin Capsule Tower in Tokio, der aus zwei Türmen besteht, an den einzelne Kapseln angeschlossen sind. Nach Jahren der Vernachlässigung und des Verfalls hat 2022 hat dessen Abbau begonnen.

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Titelbild: Forbes Massie

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