Fünf deutsche Unternehmen, darunter auch Start-ups, bekommen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt insgesamt 208,5 Millionen Euro. Sie sollen in den nächsten vier Jahren Quantencomputer entwickeln, die auf eine bestimmte Technologie setzen: auf Ionenfallen. Damit soll die internationale Konkurrenz überrundet werden, die technisch andere Wege geht.
Von Wolfgang Kerler
Werden Supraleiter zum ersten alltagstauglichen Quantencomputer führen? Oder neutrale Atome? Oder doch Ionenfallen? Je nachdem, welches Unternehmen oder welche Forschungseinrichtung man fragt, erhält man eine andere Antwort. Einen eindeutigen Konsens, welche Technologie sich am besten eignet, um Quantenrechner mit möglichst vielen Qubits zu bauen, gibt es nämlich nicht.
Klar ist allerdings, dass Quantencomputer mit Supraleitern bisher die meiste Aufmerksamkeit bekommen haben – und das meiste Geld. Auf Supraleiter setzen Technologie-Riesen wie IBM und Google, aber auch gut finanzierte Start-ups wie das finnisch-deutsche Unternehmen IQM. Lohnt es sich da überhaupt, Millionen in andere Ansätze zu stecken? Ja, findet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, kurz DLR. Es hält Ionenfallen für einen vielversprechenden Ansatz, der vorangetrieben werden sollte.
Vereinfacht gesagt, funktioniert die Technologie so: Geladene Atome, also Ionen, werden „eingefangen“. Das heißt, sie werden mit einem elektromagnetischen Feld so in Position gehalten, dass ihr Zustand mit Laserstrahlen, Radio- oder Mikrowellen gezielt manipuliert werden kann. Und schon sind sie Qubits, die in Quantencomputern Rechenaufgaben übernehmen können.
Fünf Aufträge an fünf deutsche Firmen
Jetzt hat das DLR fünf Aufträge mit einem Gesamtvolumen von 208,5 Millionen Euro vergeben. Die fünf deutschen Unternehmen eleQtron, NXP Semiconductors Germany, Parity Quantum Computing Germany, QUDORA Technologies und Universal Quantum Deutschland sollen in den nächsten vier bis fünf Jahren – teils allein, teils in Konsortien – prototypische Quantencomputer mit Ionenfallen bauen. Dafür bekommen sie neben den Millionen auch Büros, Labore und einen Reinraum im DLR-Innovationszentrum in Hamburg gestellt.
„Damit gehen wir einen weiteren Schritt in Richtung eines programmierbaren, fehlertoleranten Quantencomputers“, sagt die Chefin des DLR, die Professorin Anke Kaysser-Pyzalla. „Durch die enge Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft entstehen Synergien, die das Ökosystem Quantencomputing stärken und damit auch Start-ups neue Möglichkeiten eröffnen.“
Zwei der fünf Verträge und eine Summe von 67 Millionen Euro konnte sich Universal Quantum Deutschland sichern, ein Ableger des britischen Start-ups Universal Quantum. Die Firma soll für das DLR einerseits einen Quantenrechner mit mindestens 50 Qubits bauen, die auf einem Chip untergebracht sind, und andererseits eine Multi-Chip-Maschine mit bis zu 100 Qubits entwickeln, die sich aus kleineren Modulen zusammensetzt.
„Modularität bedeutet, dass die Chips beziehungsweise Module miteinander verbunden werden können und dass Ionen mittels elektrischer Felder von einem Chip zum anderen transportiert werden“, erklärt Winfried Hensinger, Mitgründer und Chefwissenschaftler von Universal Quantum, gegenüber 1E9. „Die Idee ist, dann genügend Chips in zwei Dimensionen aneinanderzureihen, um die gewünschte Qubitzahl zu erreichen. Genau das ist das besondere an unserem Konzept, denn so lassen sich die Maschinen von ein paar Qubits auf Tausende oder sogar Millionen Qubits skalieren.“
So viele Qubits dürfte es brauchen, bis Quantencomputer tatsächlich in der Klimaforschung, bei der Entwicklung neuer Materialien und Wirkstoffe, zur Optimierung von Finanzportfolios oder auch zur idealen Steuerung des Straßenverkehrs eingesetzt werden können. Aktuelle Spitzenmodelle verfügen allerdings über kaum mehr als hundert Qubits und machen ziemlich viele Fehler.
Diese Vorteile sollen Ionenfallen gegenüber anderen Technologien bieten
Der Firma, die zuerst kommerzielle oder gar universell einsetzbare Quantencomputer mit Tausenden oder Millionen von Qubits baut, winkt also ein Riesengeschäft. Und es ist längst nicht ausgemacht, dass derzeitige Technologieführer wie IBM, Google oder IQM das Rennen machen, die zur Realisierung von Qubits auf supraleitende Schaltkreise setzen.
Für ihre Quantencomputer müssen die Chips auf extrem niedrige Temperaturen gekühlt werden. Winfried Hensinger von Universal Quantum bezweifelt, dass die Konkurrenz damit erfolgreich sein kann. „Es ist sehr schwierig, größere Chips mit vielen Qubits zu solchen Temperaturen zu kühlen“, sagt er. „Das bedeutet, dass es schwierig oder gar unmöglich ist, supraleitende Quantencomputer mit Millionen von Qubits zu bauen.“ Ionenfallen, wie sie seine Firma verwendet, müssten dagegen nur leicht gekühlt werden.
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Jetzt Mitglied werden!Quantencomputer mit neutralen Atomen, an denen beispielsweise das Münchner Start-up planqc arbeitet, kommen ebenfalls ohne aufwendige Kühlung aus – und sind Ionenfallen-Systemen durchaus ähnlich. Nur setzen sie nicht auf geladene Atome, also Ionen, sondern auf neutrale Atome. Diese können nicht mit elektrischen Feldern in Position gebracht werden. Stattdessen kommt Laser zum Einsatz. Auch demgegenüber sieht Winfried Hensinger Ionenfallen im Vorteil: „Neutrale Atome haben nur eine kurze Lebensdauer in deren Fallen und so ist die Skalierung zu größeren Qubitzahlen schwieriger.“
Wie schon geschrieben, je nachdem, mit welchem Unternehmen oder Forschungsinstitut man spricht, erhält man eine andere Einschätzung, welche Technologie führend ist. Im Rennen um den ersten universellen Quantencomputer dürften die Aufträge des DLR die Position der Ionenfallen-Systeme aber auf jeden Fall verbessert haben.
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Titelbild: Universal Quantum
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