Wäre der Optimus-Roboter von Tesla in der Politik besser aufgehoben?

Bei seinem AI Day hat der Elektroautobauer Tesla zwei humanoide Roboter präsentiert. Ein Medienspektakel um schwankende, winkende Maschinen, die noch nicht allzu viel können. Ihr Einsatz im Haushalt oder der Fabrik erscheint unserer Science-Fiction-versierten Kolumnistin @Kryptomania daher noch in weiter Ferne. Aber vielleicht eignen sich Roboter ohnehin besser, um politische Ämter zu übernehmen?

Eine Kolumne von Dr. Aleksandra Sowa

Auf dem AI Day 2022 wurden von Tesla zwei Roboter-Prototypen vorgestellt. Einer von ihnen, „Bumble C“, war ein humanoider Roboter, der auf der Bühne herumlief und dem Publikum zuwinkte. Gewissermaßen diente Bumble C als Vorprogramm für den ganz in Tesla-Regie entwickelten Roboter namens Optimus, dessen Prototyp der Autohersteller sogleich darstellte. Nur konnte der Optimus noch nicht selbst auf der Bühne laufen (diese Funktionalität soll laut Elon Musk bereits in den nächsten Wochen verfügbar sein), weswegen vermutlich sein Vorgänger, Bumble C, mit auf die Bühne durfte.

Im Grunde genommen tat der Roboter Bumble C nichts Besonderes: „It didn’t do anything impressive on stage, but it was able to walk around and wave at the crowd“, berichtete electrek.co nach dem Event. Herumlaufende Roboter sind wir eigentlich gewöhnt, schrieb auch Matthias Hohensee für die Wirtschaftswoche, ob auf vier oder zwei Beinen, sind sie der Öffentlichkeit hinreichend aus den (teilweise sehr lustigen) Videos von Boston Dynamics bekannt.

„Vor zehn Jahren wäre solch eine Premiere eine ganz große Nummer gewesen, bevor der schon 1992 gegründete Roboterpionier Boston Dynamics seine Roboter öffentlich präsentierte und dann erst Videos von Roboterhunden und humanoiden Robotern ins Netz stellte, teils beängstigend echt vom Bewegungsablauf und millionenfach geklickt“, merkte er kritisch an. Der allgemeinen Euphorie zum Trotz, die Erfindungen des kultigen Tesla-CEOs Elon Musk üblicherweise begleitet, muss man objektiv feststellen, dass die auf dem AI Day präsentierten Fähigkeiten von Bumble C kaum reichen, um ein Ei zu braten oder einen Tee zuzubereiten.

Wofür der Roboter mit Kompetenzen wie Laufen und Winken jedoch qualifiziert zu sein scheint, ist eine Kandidatur für die US-Präsidentschaftswahl.

„Roboter sind im Grunde anständig.“ Und Menschen?

Die Idee, dass Roboter, anstatt Menschen zu bedienen, ihnen eigentlich viel besser als ihre politischen Vertreter dienen könnten, ist gar nicht neu. Stanislaw Lem hat in Summa Technologiae (1964) den Einsatz von Homöostaten diskutiert, die zuerst Fabriken und Unternehmen steuern, dann vielleicht auch ganze Volkswirtschaften anführen könnten. Nicht ohne Risiken, natürlich.

Auch der Science-Fiction-Autor Isaac Asimov griff das Thema in seinen Robotergeschichten auf. In der Kurzerzählung Evidence (Schlagender Beweis) von 1946 lässt Asimov seine Protagonistin, eine Roboterpsychologin, erklären: „Ich mag Roboter. Ich habe sie bedeutend lieber als menschliche Wesen“, und scheint überzeugt, dass Roboter, wenn sie sich nur an die von Asimov konzipierten Robotergesetze halten, bessere (und nicht nur billigere) Politiker und Staatsanwälte sein könnten als die Menschen selbst. Die drei Gesetze der Robotik sind für die Maschinen obligatorisch – für die Menschen nicht. Verletzt jemand diese Gesetze, also fügt beispielsweise einem anderen Menschen Schaden zu, kann er unmöglich eine Maschine sein. „Unglücklicherweise funktioniert diese Prozedur nur in dieser Richtung“, erklärt die Roboterpsychologin. Hält sich jemand an die Gesetze, so ist er entweder eine Maschine, „aber [vielleicht] ist er auch nur ein sehr guter Mensch“. Sind Roboter geistig wirklich so anders als Menschen, wird die Roboterpsychologin gefragt: „Völlig anders. Roboter sind im Grunde anständig.“

Roboter und Maschinen, auch wenn nicht humanoid, sondern in Form gesichtsloser Hard- und Software, sind in der Politik kein Novum. Im Grunde genommen ist „[n]och nicht mal ein menschliches Gehirn […] in der Lage, ohne die Hilfe anderer zu regieren“, konstatierte Asimov in den Robotergeschichten. Kluge politische Entscheidungen, die aus dem Bauch heraus getroffen werden, gehören eher der Vergangenheit an. Und auch wenn sie noch gelegentlich so gefällt werden, sorgt eine Armee von wissenschaftlichen Referenten dafür, dass sie mit geeigneten (statistischen) Daten, Zahlen, Fakten und Prognosen untermauert sind, ehe sie der Öffentlichkeit präsentiert werden.

„Den souveränen Manager, der aus dem Nichts Entscheidungen trifft, gibt es seit Jahren nicht mehr“, bestätigte auf der Konferenz Künstliche Intelligenz – Dein Freund oder Helfer? des Bundesjustizministeriums ein Referent von der Commerzbank. Auch wenn diese Daten manchmal den Eindruck erwecken, von einem Laien schnell auf ein Stück Papier gekritzelt worden zu sein, so sind sie heute fast immer das Ergebnis der Arbeit von Maschinen: von Data-Analytics-Software, Auswertungsprogrammen oder Prognose-Tools. Ein durchschnittlicher Mensch, das wusste schon der Vater der Management-Kybernetik, Stafford Beer, kann nicht mal ein einfaches System von drei linearen Gleichungen mit drei Unbekannten im Kopf berechnen.

4.000 Wählerstimmen für eine KI-Kandidaten

Doch gesichtslose Maschinen scheinen nicht genug: Im Jahr 2018 trat bei den lokalen Bürgermeisterwahlen der Stadt Tama in der japanischen Präfektur Tokio Michihito Matsuda an. Was man auf den Wahlplakaten sah: einen (weiblichen) Roboter. Kaum erkennbar war, dass dahinter – wohl dem Wahlgesetz geschuldet – ein Mensch steckte. Sein Wahlslogan „Künstliche Intelligenz wird Tama verändern“ stieß auf gute Resonanz bei den Wählern. Der KI-Anwärter versprach, „faire und ausgewogene“ Politik zu betreiben und „Richtlinien für die Zukunft“ zu erarbeiten, wobei er großen Wert auf die Lösung des Problems der alternden Bevölkerung legte, teilte ein japanisches Nachrichtenportal mit.

Im Wahlkampf sicherte der Mann hinter der KI zu, bei einer erfolgreichen Wahl zum Bürgermeister nur als Avatar der KI zu agieren, die, so seine Überzeugung, bessere Entscheidungen treffen kann, als je ein Mensch es zu hoffen wagte. „[W]ith hysteric politicians driving people insane back then, residents may just decide to finally welcome their AI overlords“, kommentierte soranews24.com. Dazu kam es zwar nicht, aber Michihito Matsuda soll immerhin ca. 4.000 Wählerstimmen erhalten haben und damit fast zehn Prozent Anteil.

Auch wenn menschliche Politiker bisher bei Wahlen mit einem mit Abstand besseren Ergebnis abgeschnitten haben: Warum geben relativ viele Menschen ihre Stimme trotzdem einer KI? Diese Entwicklung ist weder neu noch sollte sie uns überraschen. Für den französischen Technologie-Philosophen Gilbert Simondon zum Beispiel ist Kybernetik eine logische Konsequenz des Fortschritts. Eine weitere logische Konsequenz ist steigendes Vertrauen in die Maschinen und dass man Alter Techno dem Alter Ego mehr und mehr vorziehen werde.

Dies untersuchten in einem Experiment Neural Signatures of Betrayal Aversion: An fMRI Study of Trust drei Wissenschaftler aus Deutschland und den USA, indem sie Probanden Entscheidungen über eine Geldaufteilung treffen ließen. Menschen würden die Entscheidung über die Aufteilung von gemeinsamem Geld lieber einem neutralen Computer als einem Geschäftspartner überlassen, war das Ergebnis des Experiments. Mit dieser Strategie würden Menschen offenbar unbewusst negative Emotionen vermeiden, die mit einem potenziellen Vertrauensbruch verbunden sind, stellten die Forscher fest.

Fast zu menschlich, um als Mensch durchzugehen?

Roboter gelten als effektiv, unbestechlich, objektiv und nicht korrumpierbar. „Könnte man einen Roboter schaffen, der in der Lage wäre, einen hohen Regierungsposten einzunehmen, ich glaube, niemand würde ihm gleichkommen können“, sinniert in Asimovs Erzählung Schlagender Beweis die Roboterpsychologin. Infolge der Gesetze der Robotik wäre er nicht imstande, Menschen Schaden zuzufügen, unfähig der Tyrannei, der Korruption, der Dummheit und des Vorurteils.

Die Kurzerzählung handelt von einem Politiker – einem Staatsanwalt –, der für das Amt des Bürgermeisters kandidiert und unter Verdacht gerät, ein Roboter zu sein. Er wurde nie dabei beobachtet, zu essen oder zu schlafen, wirft ihm der (zweifelsohne menschliche) Gegenkandidat vor. Man sagte ihm nach, nie einen unschuldigen Menschen verfolgt zu haben. Es gäbe Dutzende, denen man den Prozess nicht macht, weil das Beweismaterial ihm nicht genüge, obwohl er die Geschworenen wahrscheinlich hätte überzeugen können: „Er ist fast zu menschlich, um noch glaubhaft zu erscheinen.“

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So weit gehen die Ambitionen von Elon Musk bzgl. des Einsatzes seiner Roboter offenbar noch nicht. Gleichwohl schwingt der Effizienzgedanke die ganze Zeit mit, nicht nur, was die Leistung der Energiebatterien betrifft, sondern auch was den künftigen Preis angeht, den der Milliardär auf unter 20.000 Dollar drücken möchte. Der Unterschied zu den früheren Versuchen, humanoide Roboter herzustellen, sollte auch sein, dass der Optimus von Tesla nicht als Einzelstück, sondern in einer höheren Anzahl produziert werden könnte.

Dabei soll die KI-Technologie, die bereits in den Tesla-Fahrzeugen zum Einsatz kommt, sinnvoll verwendet werden, um den Robotern unfallfreie (umfallfreie) Bewegungen und Erledigungen einfacher Aufgaben zu ermöglichen. Möglich soll auch die Übernahme sinnvoller Aufgaben in der Produktion sein: „[T]he automaker even showed the robot performing a task at an actual workstation at the Fremont factory“.

Auf dem AI Day 2022 sah das Publikum vorsichtige bis bescheidene Ergebnisse, doch möglicherweise kommt noch mehr in der Zukunft, wenn man die aktuell viel zitierte Aussage des Tesla-CEO, die ihm in der deutschen Presse den Vorwurf einbrachte, er würde plötzlich „wie ein Kommunist“ klingen, ernst nimmt. Demnach sollte der Roboter Optimus nicht nur eine fundamentale Veränderung der Zivilisation („fundamental change in civilization as we know it“) bringen, sondern auch die Armut beenden („ending poverty” through improving economic output when used in industry“).

Bis es aber so weit ist, müssen wir uns die Eier leider noch selbst braten und den Tee selbst kochen – aber nur solange wir noch genug mit unserer Arbeit verdienen, um uns Tee und Eier zu leisten.

Dr. Aleksandra Sowa gründete und leitete zusammen mit dem deutschen Kryptologen Hans Dobbertin das Horst Görtz Institut für Sicherheit in der Informationstechnik. Sie ist zertifizierter Datenschutzauditor und IT-Compliance-Manager. Aleksandra ist Autorin diverser Bücher und Fachpublikationen. Sie war Mitglied des legendären Virtuellen Ortsvereins (VOV) der SPD, ist Mitglied der Grundwertekommission und trat als Sachverständige für IT-Sicherheit im Innenausschuss des Bundestages auf. Außerdem kennt sie sich bestens mit Science Fiction aus und ist bei Twitter als @Kryptomania84 unterwegs.

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Mal wieder kritisch nachgefragt: Hatte Musk nicht vor einiger Zeit zusammen mit Stephen Hawking und anderen vor der weiteren Entwicklung von KI gewarnt?
Oder war das bloß PR, um mal in einer Reihe mit solchen Namen genannt zu werden?

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Das scheint schon da und hie aufgefallen zu sein:

:sunglasses:

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Elon hat eure Sorgen doch berücksichtigt… im Video vom AI Day oben sagt er so ungefähr bei 15:50, dass Tesla die perfekte Company ist, um an der General AI zu arbeiten. Schließlich werde sie als Aktiengesellschaft von der Öffentlichkeit kontrolliert: „If I go crazy, you can fire me.“ Was soll da schief gehen :wink: ?

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Ah, mit der Logik wäre die Deutsche Bahn als Aktiengesellschaft genauso ideal dafür geeignet. :joy:
Aber vielleicht könnte man EMusk rein vorsichtshalber jetzt einfach schon mal feuern :sunglasses:

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Wenn die KI von Elon Musk irgendwann Amok läuft und Menschheit ausradiert, weil sie bspw. unkontrolliert und unreguliert entwickelt wurde, dürfte es uns wenig Trost spenden, dass man ihn dafür entlassen darf :wink:

Wer auch immer dann noch übrig ist, um das tatsächlich zu tun.

Es wäre doch ein Ding, wenn seine eigenen Roboter ihn feuern würden. Gab es das Szenario nicht bei Capek in R.U.R.? :robot:

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