Versucht China, die Technik von SpaceX zu kopieren?

Chinesische Ingenieure haben auf einem ‚Weltraumtag‘ demonstriert, wie die Zukunft der chinesischen Raumfahrt aussehen soll. Dabei zeigten sie eine Rakete, die dem Starship von SpaceX zum Verwechseln ähnlich sieht. Ebenso wie ein Raketenflugzeug, das mit einem elektromagnetischen Katapult in die Luft geschossen werden soll.

Von Michael Förtsch

Im September 2016 stand Elon Musk auf der Bühne des International Astronautical Congress in Guadalajara, Mexiko. Wie so oft sprach er über den Mars. „Was ich wirklich machen möchte, ist [die Reise zum] Mars zu ermöglichen“, sagte er. „Ich möchte, dass es machbar wird; dass es etwas wird, das wir zu unseren Lebzeiten, erreichen können. Ich möchte, dass ihr da hin könnt.“ Dann stellte Musk vor, wie er das schaffen möchte: mit dem sogenannten Interplanetary Transport System, einer Kombination aus einem riesigen Raumschiff, das an der Spitze einer noch größeren Rakete in den Orbit geschossen wird.

Im Orbit angekommen, würden sich Rakete und Raumschiff trennen. Die Raketenstufe würde zur Erde zurückkehren und das Raumschiff mit einem eigenen Antrieb zum roten Planeten starten. Oder: Es würde ebenso zur Erde zurückkehren – und damit jeden Punkt der Welt in rund einer halben Stunde erreichen können. Das Interplanetary Transport System trägt seit 2018 den Namen Starship – und die Raketenstufe den Namen Super Heavy. Doch schon lange bevor Elon Musk das rund 50 Meter hohe Raumschiff samt der 70 Meter hohen Rakete präsentierte, arbeitete das Raumfahrtunternehmen SpaceX an der Idee. Seit rund zehn Jahren. Mal unter dem Codenamen BFR. Dann und wann auch unter dem Titel Mars Colonial Transporter.

Doch erst im vergangenen Jahr absolvierte ein Starship-Prototyp mit dem Namen SN5 einen ersten Flug. Er stieg 150 Meter in die Höhe und krachte nach einem allzu eiligen Sinkflug auf den Boden. Beim Test eines weiteren Prototypen mit der Bezeichnung SN10 in diesem Jahr setzte das Starship dann sachte auf dem Boden auf – explodierte aber wenige Minuten später. Dass das Konzept trotzdem revolutionär ist, da sind sich Experten und Raumfahrtbehörden ziemlich einig. Daher wurde es bereits für NASA-Missionen zum geplanten Lunar Orbital Platform-Gateway ausgewählt. Ebenso sollten Astronauten des Artemis-Programms mit einem Starship auf der Mondoberfläche landen – jedenfalls stand das fest, bis Konkurrent Blue Origin wegen einem angeblich „fehlerhaften Auftragsvergabeverfahren“ protestierte.

Vom Startship überzeugt sind offenbar auch chinesische Raumfahrtingenieure. Denn die scheinen es nun zu kopieren.

One-Hour Global Arrival in Space Transportation System

Auf dem Nationalen Weltraumtag in Nanjing stellte die China Academy of Launch Vehicle Technology – kurz CALT –, einer der größten staatlichen Luft- und Raumfahrtfabrikanten, zwei Pläne für neue Transportsysteme vor, mit denen sich schwere Lasten, vor allem aber Passagiere zuverlässig in den Erdorbit transportieren ließen – wodurch auch nahezu jeder Ort auf unserem Planeten in unter einer Stunde erreichbar würde. Ein Video, das offenbar von einem Teilnehmer des Weltraumtages abgefilmt und auf Weibo geteilt wurde, zeigt beide Systeme als eine Computeranimation. Zu Beginn schwebt die virtuelle Kamera über einen Weltraumbahnhof hinweg, der vom Space Port America inspiriert scheint.

Dann zoomt die Kamera auf einen Startplatz, auf dem eine Rakete samt oben angedocktem Raumschiff steht, das dem Starship – in seinem Design von 2017 – nicht nur sehr, sondern zum Verwechseln ähnlich sieht. Angefangen bei der grundsätzlichen Form, dem blankpolierten Stahl bis hin zu den Finnen. Ebenso zeigt das Video, wenn auch knapper geschnitten und in Teilen seitenverkehrt-gespiegelt, genau die gleiche Funktions- und Ablaufweise, die das Earth-to-Earth -Video von SpaceX von 2017 veranschaulichte. Wie sich Rakete und Raumschiff trennen, zur Erde zurückkehren und sicher wieder aufsetzen, scheint eindeutig bei SpaceX abgeschaut. Die China Academy of Launch Vehicle Technology nennt die Kombination schlicht One-Hour Global Arrival in Space Transportation System.

Bislang äußerten sich weder Elon Musk noch SpaceX zu der Kopie. Jedoch dürfte sie keine große Überraschung sein. Dass China das Tun von SpaceX genau verfolgt, ist seit Langem bekannt. Bereits seit den ersten Tests für wiederverwendbare Raketen sollen chinesische Beobachter dabei gewesen sein und diese dokumentiert haben. Laut dem Journalisten Eric Berger soll beispielsweise ein Schiff mit chinesischen Spionen den Wiedereintritt der ersten Falcon-1- und Falcon-9-Raketen mit Videokameras aufgezeichnet haben.

Darauffolgend fanden sich immer wieder Elemente der SpaceX-Raketen an den ebenfalls von CALT entwickelten Raketen der Langer-Marsch-Serie. Beispielsweise wurden bei der Langer Marsch 2C im Jahr 2019 sogenannte Gitterflosse eingeführt, die der Falcon 9 helfen, beim Wiedereintritt und dem Landeanflag zu navigieren. Auch wurde angekündigt, dass die neue Rakete Langer Marsch 8 ab 2025 genau wie die Falcon 9 in Teilen wiederverwendbar sein soll und die erste Raketenstufe selbstständig zur Erde zurückkehren und auf einer Plattform im Wasser landen soll. Eben genau wie bei den SpaceX-Raketen.

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Wie Ars Technica schreibt, ist es jedoch nicht nur CALT, das die Raketentechnik von SpaceX kopiert, sondern auch finanziell gut ausgestattete Start-ups in China. Unter anderem wirbt das Unternehmen Galactic Energy auf seiner Website mit einer in der Größe und Tragkraft geschrumpften Eins-zu-Eins-Kopie der Falcon-9-Rakete, die es Pallas-1 getauft hat. Auch das Unternehmen LinkSpace scheint mit Raketen wie der SRV-1 und Newline-1 unter Hochdruck daran zu arbeiten, die Technik und das Erfolgsrezept von SpaceX zu replizieren.

Ein Raketenraumschiff

Auf dem Nationalen Weltraumtag zeigte die China Academy of Launch Vehicle Technology aber nicht nur ihre Kopie des Starship. In dem kurzen Video wurde im Anschluss auch noch ein weiteres und weit futuristischeres Konzept vorgestellt: ein Horizontal Take-off and Landing Launcher getauftes System aus einem Weltraumflugzeug und einem elektromagnetischen Katapult. Das Raumschiff wird von der Rampe gefeuert, schießt weit in den Himmel, um dann seine Scramjet-Triebwerke zu zünden, um mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit um die Erde zu sausen. Das Konzept in dem Video ist nicht neu, sondern im Gegenteil bereit sehr alt.

In den 1960ern arbeiteten die Physiker James R. Powell und Gordon Danby am Brookhaven National Laboratory an einer Magnetschwebetechnologie, auf der nahezu alle modernen Magnetschwebebahnen basieren. Powell kam auf die Idee, dass sich diese Technologie auch nutzen ließe, um Flugzeuge in die Luft und Raumschiffe in das Weltall zu befördern. Er nannte die Methode StarTram und entwickelte sie daraufhin mit einer gleichnamigen Firma weiter. Dabei griff er später auch Elemente auf, die in einem ähnlichen Konzept namens MagLifter ausgearbeitet waren, das der NASA-Forscher John C. Mankins 1994 entwickelt hatte.

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Das StarTram-Konzept wurde in den 1990ern bei der NASA viel diskutiert – und dennoch eingemottet, da es technisch machbar, aber zu herausfordernd und teuer erschien. 2010 wurde es jedoch in einer neu gedachten Variante wiederlebt – nahezu genauso, wie es die CALT nun in ihrem Video zeigt. Die Idee der NASA: Eine über zweieinhalb Kilometer lange elektromagnetische Startbahn soll einen Überschallschlitten, auf dem ein Raumschiff sitzt, auf Mach 1,5 beschleunigen und in die Luft schießen. Gewinnt der Schlitten eine gewisse Höhe, zündet er seine Triebwerke und fliegt selbstständig weiter, um eine Geschwindigkeit von Mach 10 zu erreichen. Der Schlitten und das Raumschiff erreichen den Orbit und koppeln sich voneinander ab, woraufhin das Raumschiff selbstständig weiterfliegt. Sei es, um im All eine Mission zu absolvieren oder in Windeseile jeden Ort der Erde zu erreichen.

Wie ernst es China mit der Umsetzung der Starship-Kopie und des Elektroschlitten-Flugzeugs ist, das lässt sich schwer sagen. Jedoch hat sich die chinesische Industrie dem Ziel verschrieben, bis 2045 die führende Kraft bei der Luft- und Raumfahrttechnologie zu werden. Ein großer Schritt dahin soll eine chinesische Raumstation sein, deren Bau mittlerweile mit dem Aussetzen eines ersten Moduls begonnen hat. Ein weiterer ist ein mysteriöses Raumschiff, an dem chinesische Ingenieure bereits seit Jahren arbeiten und das offenbar Ende letzten Jahres seinen ersten Einsatz erlebte. Angeblich handelt es sich dabei um eine chinesische Variante des Space Shuttle beziehungsweise eine Weiterentwicklungen des Konzepts wie dem Dream Chasers oder der Boeing X-37.

Teaser-Bild: SpaceX

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