Rühren, verklumpen, recyceln: So will das Start-up Wasser 3.0 Gewässer von Mikroplastik befreien


Sie sind in Seen, Flüssen und im Meer. Selbst in Mineralwasser und Bier wurden sie nachgewiesen: winzige Kunststoffpartikel, bekannt als Nano- oder Mikroplastik. Wie lässt sich Wasser wieder davon befreien? Und wie können wir sicherstellen, dass gar kein Plastik mehr hineingelangt? Das gemeinnützige Start-up Wasser 3.0 hat eine Technologie entwickelt, mit der das gelingen könnte.

Von Wolfgang Kerler

Etwas unförmige, weiße Klumpen könnten die Lösung für ein weltweites Problem sein: Mikroplastik in nahezu allen Gewässern. In der Donau fanden österreichische Wissenschaftler schon Anfang des vergangenen Jahrzehnts mehr Plastikpartikel als Fischlarven. Das deutsche Alfred-Wegener-Institut entdeckte auch im Schnee Plastik – sei es in besiedelten Gebieten, den bayerischen Alpen oder der Arktis. Über amerikanischen Nationalparks scheint sich Plastik-Regen zu ergießen. Und im Meer – selbst in der Tiefsee – finden sich die winzigen Kunststoffteilchen ohnehin.

Sie lösen sich beim Waschen aus Kleidung, entstehen durch den Abrieb von Reifen, fallen in vielen Industrie an, kommen in Kosmetik zum Einsatz oder bleiben übrig, wenn größerer Plastikmüll im Wasser langsam zerfällt. Kläranlagen können das Mikroplastik nicht restlos beseitigen – und über das dann ausgeleitete Abwasser oder den Klärschlamm findet es seinen Weg auf Felder. Es wird damit ein Teil der Nahrungskette.

Auch in uns Menschen landet daher das Mikroplastik, über bestimmte Lebensmittel, die Luft, Staub, Getränke oder auch Kosmetik. Wie gefährlich das ist, darüber diskutiert die Wissenschaft noch. Während das Bundesinstitut für Risikobewertung derzeit laut seiner Homepage noch nicht annimmt, „dass von Mikroplastik in Lebensmitteln gesundheitliche Risiken für den Menschen ausgehen“, und auch eine Gefährdung durch Kosmetik mit Plastikpartikeln für unwahrscheinlich hält, warnen Organisationen wie der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland.

Einig sind sich aber alle darin, dass die möglichen Auswirkungen auf Menschen noch besser untersucht werden müssen, um ein abschließendes Urteil zu fällen. Zumal Tests mit Tieren negative Auswirkungen zeigten. So wuchsen Lachslarven schlechter, wenn sie in stark mit Plastik belastetem Wasser schlüpften. Außerdem bewegten sie sich weniger – und bemerkten Fressfeinde zu spät. Eine tödliche Beeinträchtigung.

Mit Low-Tech gegen Mikroplastik – überall

Die promovierte Chemikerin Katrin Schuhen, die schon für die Kunststoffindustrie und als Juniorprofessorin an der Universität Koblenz-Landau arbeitete, ist sich sicher, dass Mikroplastik einen Effekt auf das Ökosystem hat. „Der Kunststoff ist nicht abbaubar und verweilt sehr lange in der Umwelt“, sagt sie im Gespräch mit 1E9. „Außerdem sprechen wir nicht von einzelnen Polymerpartikeln, sondern von vielen unterschiedlichen Typen und Verarbeitungsprodukten und außerdem stetig wachsenden Mengen. Mikroplastik ist nicht nur per se ein menschengemachtes Umweltproblem, es ist auch ein global vorhandenes. Außerdem können sich aus Mikroplastik auch andere kritische Substanzen lösen und damit in die Umwelt gelangen. Dadurch könnte ein unkontrollierbarer Mechanismus in Gang kommen – und alles, was man nicht kontrollieren kann, birgt Gefahren.“ Zumal mit dem Plastik andere Stoffe, die eine nachweisbare Gesundheitsgefahr darstellen, ins Wasser gelangten. Weichmacher zum Beispiel.

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Deshalb plädiert Katrin Schuhen dafür, das Wasser vom Mikroplastik zu reinigen – und in Zukunft gar kein Mikroplastik mehr hineinkommen zu lassen. Und damit wären wir wieder bei den weißen, unförmigen Klumpen. Denn zu denen lässt sich das Mikroplastik durch ein Verfahren bündeln, das Katrin Schuhen und ihr Team von Wasser 3.0 entwickelt haben. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin des nicht-kommerziellen Start-ups mit Sitz in Karlsruhe.

„Unser Ziel ist sauberes Wasser – und das weltweit“, sagt sie. „Deswegen setzen wir bei unseren Lösungen auf einen Low-Tech-Ansatz , der nicht nur nachhaltig, sondern auch kosten- und ressourceneffizient ist. Unsere Technologie ist weltweit einsetzbar, nicht nur in Industrieländern, die sich teures Equipment leisten können und über viele Fachkräfte verfügen.“

Die mobilen Container, in denen Wasser 3.0 die eigene Technologie verbaut, lassen sich überall aufstellen, wo Wasser gereinigt werden muss: in Kläranlagen, Fabriken oder dort, wo Meerwasser genutzt wird. Was in den Containern passiert, ist die Agglomerationsfixierung des Mikroplastiks. „Für uns als Chemiker hört sich das ziemlich gut an“, sagt Katrin Schuhen. Für Nicht-Chemiker lässt sich das Verfahren mit der englischen Formulierung clump and skim noch etwas simpler auf den Punkt bringen, auf Deutsch: verklumpen und abschöpfen.

Recycling in der Bau- oder Glasindustrie

In einem ersten Schritt wird das Wasser gerührt, damit sich das Plastik in einer Wasserschicht sammelt. Dann wird die „magische Zutat“ dazugeben, wie Katrin Schuhen sie nennt. Ein spezielles Hybridkieselgel, das aus verschiedenen Substanzen so zusammengemischt wurde, dass alle Kunststoffpartikel damit reagieren – und Klumpen bilden, die sich leicht abschöpfen lassen. „Im Prinzip funktioniert es wie bei einem Zwei-Komponenten-Kleber.“

Das Gel ist ungiftig. Aus seinem Hauptbestandteil Siliciumdioxid, bekannt als Kieselsäure, besteht auch Quarzsand. „Und wenn der giftig wäre, könnten wir uns im Sommer nicht an den Strand legen“, erklärt die Chemikerin.

Die Agglomerate – oder: Klumpen – könnten verbrannt werden und so als Energiequelle genutzt werden. „Das ist aber nicht unsere Lösung“, sagt Katrin Schuhen. „Wir wollen, dass sie wiederverwertet werden.“ Möglich wäre das etwa als Füllstoff in der Bau- oder Glasindustrie. Forschungsprojekte mit Partnern laufen bereits. Doch damit diese Form von Recycling Sinn ergibt, braucht es größere Mengen des Materials. Dafür wiederum müsste die Technologie von Wasser 3.0 noch häufiger zum Einsatz kommen. Dass sie in Kläranlagen, mit Süß- und Salzwasser oder auch mit industriellen Abwässern funktioniert, hat sie in Tests bereits bewiesen.

Kläranlagen sind nicht so gut wie ihr Ruf

Sorgen bereiten Katrin Schuhen allerdings die Nachwirkungen einer Schweizer Studie. Diese kam im vergangenen Jahr zum Ergebnis, dass 98 Prozent der winzigen Plastikpartikeln bereits jetzt von modernen Kläranlagen aus dem Abwasser herausgefiltert werden. Ist die Lösung von Wasser 3.0 also überflüssig? „Nein“, sagt die Firmenchefin. „die Kommunikation rund um die Studie war leider etwas einseitig.“ Denn anders als das Verfahren von Wasser 3.0, das das Mikroplastik in Klumpen bündele und damit tatsächlich beseitige, könnten Kläranlagen die Teilchen eben nicht eliminieren . „Sie landen im Klärschlamm“, sagt Katrin Schuhen. „Und wird der zum Beispiel in der Landwirtschaft verwendet, gelangt das Plastik wieder ins Ökosystem. Wird der Schlamm verbrannt, gehen Ressourcen verloren, nachhaltige Kreislaufwirtschaft sieht anders aus.“

Außerdem will Wasser 3.0 nicht erst in den Kläranlagen ansetzen, sondern schon viel früher. „Wir wollen dazu beitragen, dass sich Mikroplastik gar nicht erst verbreiten kann.“ Deshalb hofft Katrin Schuhen auf den Einsatz ihrer Technologie in einer ganzen Reihe von Industrien, die Kunststoffe verarbeiten – und Mikroplastik verursachen.

Plastik abschaffen will sie übrigens nicht – mit Ausnahme von Einwegprodukten, die einmal kurz genutzt werden und dann im Müll oder schlimmstenfalls in der Natur landen. „Wir werden auch weiterhin Kunststoffe brauchen“, sagt sie. „Aber dort, wo wir sie vermeiden können, sollten wir das auch machen. Und vor allem sollten wir Plastik recyceln und dafür sorgen, dass es nicht in die Umwelt gelangt.“ Damit nicht nur in der Donau irgendwann wieder mehr Fischlarven als Plastikpartikel herumschwimmen.

Titelbild: Getty Images

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Weiss man eventuell schon mehr über etwaige Dämm-Eigenschaften, als Wärmedämmung von Fassaden beispielsweise? Kann mir vorstellen, dass es als leichtes und isolierendes Material in einer nachhaltigen Architektur Vorteile hätte.

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Ist es logisch Lösungen für ein Problem zu suchen von dem noch nicht einmal bekannt ist ob es sich um ein Problem handelt? In vielen Artikeln in der Presse wird das Mikroplastik thematisiert, Forscher reisen scheinbar überall hin und suchen danach. Aber wo ist der Nachweis das es schadet - wem schadet es, wieviel schadet es? Schadet es überhaupt? Es gibt ja nun diverse ungelöste Umweltprobleme auf der Welt (bspw. richtig große Plastikteile in den Meeren, „Mikro“ ist da nichts von) also wieso stürzt man sich auf dieses - weil es gerade „Hip“ ist?

Wie das oben genannte Beispiel mit den Lachsen zeigt, gibt es ja bereits Untersuchungen, die negative Auswirkungen auf das Ökosystem belegen. Ansonsten sind sich in der Wissenschaft alle einig, dass noch Forschungsbedarf besteht.

Und wieso sollte man in der Zwischenzeit das Risiko eingehen, dass durch Mikroplastik schwerwiegendere Folgen für Artenvielfalt, aber unter Umständen auch für die menschliche Gesundheit entstehen, wenn es günstige Technologien gibt, um das Problem gar nicht erst entstehen zu lassen? Skeptischer wäre ich, wenn wir hier von einer superteuren Lösung sprechen würden, für die die gesamte Infrastruktur umgebaut werden muss. Aber das ist ja nicht der Fall.

Bei Zigaretten, CO2-Emissionen und ähnlichen Schadstoffen haben wir erst dann die negativen Auswirkungen realisiert, als es zu spät war. Das muss doch nicht immer passieren?

Ich glaube auch, wenn man „hip“ sein will, gründet man nicht zwangsläufig eine gemeinnützige Firma und steckt dort viel Herzblut rein :wink:

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Ich frag dazu mal nach. Guter Punkt.

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Intuition und Logik könnten hier hilfreich sein.

Forschung, vor allem naturwissenschaftliche Grundlagenforschung (auch andere wissenschaftliche Disziplinen, wie die Geisteswissenschaften) bedienen sich dieser beiden Instrumente. Oftmals weiss die Forschung noch nicht einmal, nach was sie genau sucht. Der „Scheinwerfer der Erkenntnis“ (Popper) muss ja zunächst erstmal von jemandem geschwenkt werde, um irgendwas zu erleuchten. Wohin leuchten, wenn man nicht weiss wo man suchen will und was man finden soll?

Die Intuition, also das Wissen um der Dinge, die der Ratio noch nicht bekannt sind, hat schon vielen Wissenschaftlern geholfen, fündig zu werden. Und Intuition speist sich aus Prozessen von Informationsverarbeitung und verbessert sich mit Erfahrung. Intuitiv erscheint es mir zumindest sehr plausibel, dass kleine Fremdkörper in Systemen zu Problemen führen und daher sollte m.E. die „Gefahr im Verzug“ schon geklärt werden.

Das wäre dann auch gleichzeitig logisch, denn aus grösseren Plastikteilen in den Meeren, werden kausal über kurz oder lang (wie die die es überall suchen und finden allerdings schonmal feststellen: eher über kurz) Mikroteilchen. Und weil wir es ja nicht schaffen werden, alle Plastikteile aus dem Meer zu entfernen, bevor sie zerfallen, müssen wir mal ganz schnell den Scheinwerfer schwenken.

Besser wäre allerdings kein Plastik ins Meer zu werfen, auch logisch. Menschen handeln aber nun mal leider anti-intuitiv und unlogisch. Aber erfreulicherweise ja nicht immer.

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@anon86774802 das ist das Problem mit Plastik im meerY die mechanischen Kräfte zerkleinern es und es wird immer kleiner bis es in die Nahrungsketten und unsere Lebensmittel gelangt. Das tut es nicht einfach sondern konzentriert.

Ist eigentlich recht witzig wenn man sich den Kreislauf betrachtet: wir schmeißen weg und es diffundiert irgendwie. Kommt über Zeit dann aber konzentriert zurück. Man erntet was man sät. Und das verstärkt :wink:

Glaube es gibt nichts was man in ein Ökosystem flächendeckend einbringt was keinen Einfluss auf dieses hätte. Die größte Gefahr ist vielleicht das was wir (noch) nicht wissen können.

Hierbei interagieren wir zudem ungewollt auf der Größenordnung des planetaren Systems. Geht nicht um ein Flüsschen oder Tümpel der kippt. Dieser unbedachte Umgang ist meiner Meinung ein Problem. Denn hier gibt es kein Ausweg mehr wenn’s schief läuft.

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Ich denke kritische zu fragen, ob das denn unbedingt schlecht sein muss, ist interessant. D.h. ob es unbedingt negative Konsequenzen haben muss, wenn etwas systemfremdes relativ plötzlich im System integriert wird? Könnte da nicht ein marginaler Einfluss denkbar sein, der nicht nennenswert ist?

Da gibt es eine schöne Analogie im Reich der Droge. Alkohol z.B. ist ein köperfremder Stoff. Daher argumentieren so manche, dass er schädlich sei (was er nachgewiesener Massen leider auch ist). Oft wird dann behauptet, dass Haschisch hingegen weniger bedenklich sei, da Cannabinoide sogar Rezeptoren in unserem Körper haben. Was allerdings so nicht stimmt (auch wenn es weniger klar ist, ob sich schon jemand zu Tode gekifft hätte. Zu Tode getrunken haben sich allerdings leider schon viele). Haschisch Konsum hat Einflüsse, und zwar je höher die Dosis, um so folgenreichere.
Daher nach Paracelsus: The dose makes the poison. „Alle Ding’ sind und nichts ohn’ Gift - allein die Dosis macht, das ein Ding’ kein Gift ist.“

Die Kunststoffmenge, die die Menschheit bisher schon vermocht hat in den Metabolismus des Planeten zu integrieren, ist schon allein durch die schiere Grösse als Gift anzunehmen. Das globale Ökosystem wird wenig Möglichkeiten haben, sich daran anzupassen. Aber wir können unsere Technologien anpassen, wie der Artikel zeigt.

Ich würde sagen: Es ist wahrscheinlich riskant nicht zu wissen, was wir schon getan haben. Daher sollten wir versuchen herauszufinden, was wir eigentlich tun, um herauszufinden was wir tun sollten.

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Gut und schlecht. Kommt auf das Ziel drauf an :slight_smile:
Aber ja, muss nicht immer schlecht sein.