Mönche und Aliens: Der Alien-3-Film, den ihr leider nie sehen durftet

Der dritte Teil der Alien-Filmsaga ist einer der umstrittensten. Von vielen Fans und Kritikern wird er bis heute verdammt. Dabei hat er eine faszinierende Entstehungsgeschichte und hätte einer der bizarrsten Science-Fiction-Filme überhaupt werden sollen.

Von Michael Förtsch

Vincent Ward stand mitten auf einer Autobahn, als ihm die Idee seines Lebens kam. „Ich hatte gerade eine der mittelalterlichen Festungsstädte besucht“, versucht sich der Filmemacher in einem Gespräch mit dem Artikelautor zu erinnern. Denn es ist schon Jahrzehnte her, dass der Neuseeländer als Rucksacktourist durch Deutschland wanderte. Seit jeher war er von der Kunst, Kultur und Historie Mitteleuropas fasziniert. Er sei gerade aus einer Stadt gekommen, an deren Namen er sich nicht mehr erinnert. Von den altertümlichen Mauern, den Fachwerkhäusern und all den historischen Eindrücken überwältigt, habe er dann versucht, mit seinem dicken Rucksack eine Straße zu überqueren. „Dumm, naiv und wie ein Roboter“, sagt er, sei er auf den Asphaltstreifen gelaufen. Erst als er auf der mittleren Spur stand, links und rechts hupende Autos und LKW an ihm vorbeischossen, habe er realisiert, dass er auf eine Autobahn geraten war.

„Ich steckte fest wie eine Kuh in einem Käfig“, erinnert sich Ward lachend. „Plötzlich fragte ich mich, wie es jemandem gehen würde, der vom 14. Jahrhundert ins 20. Jahrhundert geschmissen wird.“ Er selbst schaffte es schließlich nur mit Ach und Krach auf die andere Seite ohne an- oder umgefahren zu werden. Wobei auch Vincent Ward nicht gerade umgeben von Technologie aufgewachsen ist. Seine Jugend verbrachte er mehrheitlich auf einer Farm nahe Wellington in Neuseeland, wo er, wie er selbst sagt „nichts Anständiges“ gelernt hat. Wohl auch daher entschied er sich Mitte der 1980er und inspiriert von seinem Autobahnerlebnis einfach mal einen Film zu drehen. Das Ergebnis war The Navigator: An Odyssey Across Time , der heute als Kult-Klassiker gilt.

Ward erzählt in The Navigator von einer Gruppe keltischer Dorfbewohner, die von einem hellsichtigen Mönchsjungen angeleitet durch einen mysteriösen Tunnel in die 1980er geraten. Die Geschichte wird in sphärischen und traumgleichen Bildern erzählt, deren Produktion ein ziemlicher Kraftakt war. Denn als Kulissen hatte sich der Erstlingsregisseur schwer zugängliche Berghänge und Täler ausgesucht, was den Transport von Ausrüstung und Crew zu einem Albtraum machte. Außerdem waren kurz vor Drehbeginn aufgrund einer Steuerreform in Neuseeland einige der Investoren abgesprungen. Mehrmals drohte das Filmprojekt daher zu scheitern. Aber Ward setzte alles daran, den Film fertigzustellen und hatte letztlich Erfolg – mehr als er erwartet hatte.

Ich steckte fest wie eine Kuh in einem Käfig.

Vincent Ward

Als The Navigator: An Odyssey Across Time im Jahr 1988 in die Kinos kam, wurde er von der Kritik gefeiert. Zumindest in Europa, Neuseeland und Australien. Er erhielt zahlreiche Preise. In den USA hingegen ging der abstrakte Film mehrheitlich unter. Dennoch wurde er in einigen kleinen Kinos gespielt. Und in einem saß eines Abends der Hollywood-Produzent Walter Hill. Und was er da sah, das gefiel ihm. So sehr sogar, dass er seinem Kollegen David Giler befahl, sich The Navigator unbedingt auch anzuschauen. Denn Hill glaubte, mit Ward nun den Regisseur gefunden zu haben, der den beiden aus einer Misere helfen und den Film drehen könnte, der beiden seit zwei Jahren Kopfzerbrechen bereitet. Nämlich Alien 3.

Die Geburt

Alien war ein Überraschungserfolg, den so niemand kommen gesehen hatte. Mitte der 1970er war der Special-Effects-Amateur Dan O’Bannon ein Teil des Teams, das geführt vom chilenischen Filmemacher Alejandro Jodorowsky das Science-Fiction-Epos Dune: Der Wüstenplanet auf die Leinwand bringen sollte. Jedoch scheiterte das Projekt glorios. Zu Hause in Los Angeles begann O’Bannon daher eine alte Drehbuchidee weiterzuspinnen, die er Jahre zuvor hatte. Er schrieb eine Geschichte über einen Weltraumfrachter, einen mysteriösen Planetoiden und ein außerirdisches Wesen, das die Crew terrorisiert. Aus dem zunächst There’s Someting On Our Spaceship , dann Star Beast getauften Skript wurde binnen mehrerer Monate ein Drehbuch, das auf dem Tisch von Hill und Giler von Brandywine Productions landete. Sie sahen darin Potential für einen netten Horror-Slasher, der sich mit dem richtigen Regisseur, etwas Nacharbeit und einem markanten Titel zu einem Hit formen ließe.

Die Produzenten behielten Recht. 1979 kam die Geschichte als Alien in die Kinos, gedreht von Regisseur Ridley Scott und mit Sigourney Weaver in der Hauptrolle der Ellen Ripley. Der Film war ein Erfolg und beeindruckte, schockierte und traumatisierte so manche Zuschauer. Insbesondere das Titel-gebende Alien-Wesen, das Xenomorph des Schweizer Künstlers H.R. Giger, sorgte dafür, dass der Film dem Publikum lange in Erinnerung blieb. Das Filmstudio 20th Century Fox und die Produzenten wollten mehr. Sieben Jahre später folge daher Aliens , der von James Cameron gedreht und geschrieben wurde. Er spann die Geschichten von Ellen Ripley nicht als reinen Horror, sondern einen vom Vietnam-Krieg inspirierten Action-Horrorfilm fort, der mindestens ebenso viel Eindruck hinterließ wie das Original. Bis heute streiten Fans der Saga, welcher der beiden Filme „der bessere“ ist.

Das Filmstudio 20th Century Fox drängte daher, die Alien-Reihe schnell weiterzuführen und dabei idealerweise die Geschichte von Ripley abzuschließen. Denn Sigourney Weaver war zwischenzeitlich zu einer Berühmtheit geworden und drohte, höhere Gagen zu verlangen, als es dem Studio lieb war. Noch dazu vermarktet sich das Ende einer Trilogie stets gut. Das Produzenten-Duo Walter Hill und David Giler hoffte darauf, die Rezeptur von Camerons Aliens für einen dritten Alien-Film reproduzieren zu können. Mit einer neuen Kulisse, einem neuen Genre-Einschlag und nochmals mehr der Xenomorph-Kreaturen. Hill und Giler fragten daher unmittelbar Scott und Cameron an. Aber beide standen wegen anderer Projekte nicht zur Verfügung. „Ich hatte andere Dinge, die ich tun wollte“, sagte Cameron in einem Interview mit dem Magazin Starlog.

Daher sponnen Hill und Giler selbst erste Ideen zusammen. Schließlich waren sie erfahrene Autoren und hatten ihren Teil dazu beigetragen, das Drehbuch zum ersten Alien-Film in Form zu bringen. Aber Lust hatten sie nicht darauf. „Das Studio wollte noch einen [ Alien-Film]“, sagte Hill in der Ausgabe #12 von Film International. „David und ich hatten es ein bisschen satt und wollten es hinter uns bringen.“ Den beiden spukten klischeehafte Bilder davon im Kopf herum, wie Ellen Ripley eine neue Alien-Spezies durch eine Blade-Runner-artige Metropole jagt. Auch gab es den Einfall, ein Godzilla-artiges Xenomorph New York City angreifen zu lassen. Aber für diese Einfälle konnten sie sich die Produzenten nicht einmal selbst begeistern. Im September 1987 wandten sich Hill und Giler, die zeitweise mit der Idee eines auf zwei Filme aufgeteilten Alien-3-Films spielten, deswegen an den gerade hoch gehandelten Neuromancer-Autor William Gibson.

Sie glaubten, dessen düstere, dreckige und pessimistische Cyberpunk-Ästhetik könnte gut zu Alien passen. Bis zum Frühjahr 1988 verfasste der Autor auf Basis einer 16-seitigen Ideensammlung der beiden Produzenten eine überdrehte Science-Fiction-Parabel auf den kalten Krieg, die er selbst als „den Versuch eines Romanautors“ bezeichnet, der „im Kino Halt gewinnen will“. Eine Weltraum-Sozialisten-Republik namens Union of Progressive Peoples mit einer riesigen Raumstation, genetische Experimente und ein Alien-Virus kommen vor, das aus infizierten Menschen und Affen fertig ausgewachsene Xenomorph platzen lässt. Aber „wirklich gut war das nicht“, sagte Gibson später. Zu chaotisch, opulent und teuer wäre seine Vision gewesen, urteilten zudem Hill und Giler. Mehrfach schrieb Gibson das Skript um und dampfte es ein. Letztlich beendete ein Autorenstreik die Zusammenarbeit der Produzenten mit Gibson.

Natürlich war Gibson nicht der einzige Autor, der Interesse hatte, an einem Hollywood-Film zu arbeiten. Der mittlerweile für die Produzenten als potenzieller Regisseur gehandelte Renny Harlin, der gerade durch Nightmare on Elm Street 4 ins Scheinwerferlicht gerückt war, empfahl den Near-Dark-Autor Eric Red. Der schrieb binnen zwei Monaten ein obskures Drehbuch, dessen Geschichte in der Raumstation North Star angesiedelt ist, die unter einer riesigen Kuppel eine Nachbildung des mittleren Westens der USA beherbergt – mitsamt Feldern, Farmhäusern und Traktoren. In einem geheimen Biolabor der Station sollte jedoch auch mit Alien-DNA an Bauernhoftieren gearbeitet werden. Folglich müssen sich die Bauern bald Xenomorph-Kühen, -Schweinen und -Hühnern stellen. Ellen Ripley sollte in dem Drehbuch nicht vorkommen, sondern ein Cyborg-Soldat namens Sam Smith, da unklar war, ob Weaver weiterhin an Alien 3 beteiligt wäre.

Das Drehbuch kam nicht gut an und auch Eric Red bezeichnet es in der Rückschau als „ein Stück Müll“. Daher engagierten Hill und Giler den späteren Pitch-Black- und Riddick-Autor David Twohy. Der lieferte 1989 ein Skript, das sich um einige Neuankömmlinge und eine Medizinerin auf einer Gefängnisraumstation in der Erdumlaufbahn namens Moloch Island dreht. „Ein Fleck Hölle, wo eigentlich der Himmel sein sollte“, heißt es im Skript. Gefangene arbeiten dort in Stahl- und Eisenhütten, die Erze aus Asteroiden verarbeiten. Außerdem werden die Gefangenen für Experimente mit Kreaturen missbraucht, deren DNA eingeschlossen in einem Asteroiden gefunden wurden. Diese Wesen brechen jedoch aus und marodieren letztlich durch die Zellenblöcke und Gefängnisanlagen.

Wir machen den Film nicht ohne Sigourney.

Joe Roth

Ausgerechnet dieses Skript gefiel Sigourney Weaver. Daher war der größte Kritikpunkt nun: Ripley fehlt. „Wir machen den Film nicht ohne Sigourney“, sagte 20th-Century-Fox-Chef Joe Roth in einem Bericht von Entertainment. Also fand Twohy bei einer Überarbeitung eine Möglichkeit, sie in die Geschichte einzuflechten. Nun brauchte es nur noch einen Regisseur. Denn zwischenzeitlich hatte sich Renny Harlin verabschiedet, da er keines der Drehbücher mochte – und drehte stattdessen wenig später Stirb Langsam 2. Zu diesem Zeitpunkt hatten Walter Hill und David Giler jedoch bereits jenen bislang kaum bekannten Regisseur namens Vincent Ward als Kandidaten für den Regiestuhl ausgemacht.

Schwer zu kriegen

Obschon Vincent Ward mit The Navigator einiges an Aufmerksamkeit erregt hatte, war er für das Produzenten-Duo nicht einfach zu finden. Denn nach seinem ersten großen Erfolg, gab er all seine Ersparnisse für Recherchereisen für eine Filmidee aus und lebte daher zeitweilig in einem mickrigen Kellerappartement. Das Angebot aus Hollywood hätte ad hoc all seine finanziellen Probleme gelöst. Dennoch lehnte Ward die Offerte ab – wie auch schon andere vorher. „Viele haben mich angerufen, wollten mit mir reden. Steven Spielberg gehörte dazu“, so Ward. Das hatte nicht mit Arroganz zu tun, so der Regisseur, sondern eher mit Ehrfurcht. Er glaubte, dass er nicht für Hollywood bereit war, ihm die Erfahrung und die „richtigen Drehbücher für all das“ fehlten.

Das Produzenten-Duo gab aber nicht auf. Immer wieder riefen sie an und schickten ihm auch das 100 Seiten starke Drehbuch von Twohy. Letzteres stützte die Entscheidung des Neuseeländers aber nur zusätzlich. „Ich las es. Ich hasste die Geschichte“, sagt Ward. „Ich sagte daher wieder: Nein.“ Nachdem sein Agent und seine Freunde ihn als „wahnsinnig“ bezeichneten, diese Chance und das Geld einfach auszuschlagen, ließ er sich letztlich aber doch breitschlagen. Aber Ward stellte eine Bedingung. Wenn er Alien 3 drehen würden, dann basierend auf einer eigenen Geschichte. „Sie sagten: Mach!“, so Ward. „Ändere das Drehbuch, das ist okay.“ Das tat er dann auch.

Der Flug nach LA

Zu Beginn des Jahres 1990 saß der zu diesem Zeitpunkt knapp 33 Jahre alte Vincent Ward in einem Flugzeug nach Los Angeles. Zuvor hatte er Alien und Aliens geschaut. „Hier wurde zwei Regisseuren die Möglichkeit gegeben, eine ganz persönliche Vision zu verwirklichen“, sagt er. Genau das würde er auch versuchen, dachte er sich. Wenn er einen Hollywood-Film dreht, dann einen, der seinen Interessen, seiner Persönlichkeit und Leidenschaft entspricht. Erst zum Jahreswechsel hatte Ward mit Edge Of The Earth einen 185 Seiten starken Bildband mit Zeichnungen und Malereien veröffentlicht, die von The Navigator inspiriert waren und Prozessionen, Teufelsaustreibungen, Kirchenschiffe und altertümliche Bibliotheken zeigen. Laut Ward formten sich diese Bilder über die rund 15 Flugstunden in seinem Kopf zu einer Geschichte, die er dann Hill und Giler in groben Zügen präsentierte.

In nur wenigen Wochen fasste Vincent Ward unterstützt vom legendär flinken Drehbuchautor John Fasan, der von den Produzenten angeheuert worden war, seine Ideen in ein verfilmbares Skript. Bereits Ende März 1990 war die erste Fassung fertig, die dann zunächst bei den Produzenten und dann 20th Century Fox auf dem Schreibtisch landete. Sie war origineller und auch schräger als alles, was sie erwartet hatten.

Das Drehbuch beginnt mit einem Zitat aus Narziß und Goldmund von Hermann Hesse: „Aber wie willst denn du einmal sterben, Narziß, wenn du doch keine Mutter hast? Ohne Mutter kann man nicht lieben. Ohne Mutter kann man nicht sterben.“ Dann folgen Beschreibungen von Lichtern, Flüssen aus geschmolzenem Glas, Dampf und kurze Eindrücke von riesigen Räumen ganz aus Holz: Eine mittelalterliche Glaserei wird beschrieben. Dann kommen Männer in Mönchskutten ins Bild. Ein Mönch hat sich schwer verbrannt. Anschließend folgt die Kamera einem Heiler namens John durch zahlreiche surreale Szenerien: eine riesige Bibliothek, auf den Kopf gestellte Kirchenschiffe, kleine Seen und weite Getreidefelder und Weiden mit Windmühlen, die sich unter langen Hallen mit blau bepinselten Decken aufspannen.

Die merkwürdige Mittelalterwelt ist aber kein Kloster oder eine Abtei auf einem fremden Planeten. Sie befindet sich in einer kugelrunden Raumstation namens Arceon, die als Exil für eine christliche und technologie-feindliche Sekte konstruiert und von dieser viele Jahrzehnte auf- und ausgebaut worden war – zu großen Teilen aus Holz und Glas. „Es war ein Ort wie aus den Bildern von Hieronymus Bosch“, sagt Ward. „Es hat verschiedene Ebenen auf denen verschiedenste Dingen passieren: die Glaserei, die Farmen, die Maschinen, die für Gravitation und Luft sorgen.“ Der im Skript acht Kilometer – aber laut Ward wohl „im finalen Film“ nur 1,5 Kilometer – breite Kunstplanet hat sogar eine dünne Atmosphäre und ein kleines Meer in einem Bassin, das sich unter einem Kirchturm auftut, der aus der Station hinausragt.

Eben in diesem künstlichen Meer schlägt das Rettungsschiff ein, mit dem Ripley und das Mädchen Newt nach dem Ende des Films Aliens vom Militärschiff SS Sulaco fliehen mussten, nachdem es aus unerfindlichen Gründen von den Xenomorph überrannt wurde. Über Tage haben die Mönche bereits „das himmlische Licht“ beobachtet. Beim Aufprall stirbt Newt offenbar. Nur Ripley überlebt. Wie Ward sagt, hätte ihn Newt „nur genervt.“ Aber vor allem hätte er Ripley „einen Schlag versetzten“ wollen, der sie im Folgenden hadern lässt, ob es sich überhaupt lohnt, weiterzukämpfen. Dazu sollte sie, wie auch in dem Alien 3 , der letztlich im Kino startete, ein Alien-Embryo in sich tragen. Es sollte einem finsteren, tragisch-komischen Scherz gleichkommen, dass sie sich ein Kind und eine Familie wünscht aber stattdessen ein Xenomorph bekommt. „Für mich war es interessant, dass sich die Elemente der Alien-Geschichte mit der christlichen Mythologie überlagern lassen könnten“, sagte Ward. „Der Stern, das himmlische Gefährt mit der Gesandten und der Dämon, der ihr nachfolgt.“

Laut dem Drehbuch sollten die Mönche die Alien-Jägerin bergen und gesund pflegen. Tage bleibt sie bewusstlos und wird dabei von Albträumen geplagt. In einem davon sollte ein Xenomorph sich langsam an sie anschleichen, als wolle es sie küssen. In anderen sollte sie über ihre Tochter fantasieren, die bereits vor Jahren verstorben ist. Als sie erwacht, wird ihr erklärt, dass die Mönche hier nach „alter Art“ leben – und das schon seit 70 Jahren. Als sie hört, dass Newt tot ist und wie ihr Leichnam aussah, versucht Ripley die Mönche zu warnen. Denn sie fürchtet, dass ein Facehugger ins Shuttle gelangt sein könnte, der Newt mit einem Xenomorph infiziert hat, das aus ihr herausbrach und nun frei rumläuft. Ripley wird nicht geglaubt. Der Abt fürchtet, sie könnte ihre ruhige Lebensweise stören und lässt sie unter Arrest stellen.

Unmittelbar danach zeigt sich jedoch, dass die Mönche auf Ripley hätten hören sollen. Der Heiler John wird gerufen, weil einige Schafe krank sind. Als er am Stall ankommt, beobachtet er, wie sich eines der Tiere windet und dann aus einer Explosion aus Blut und Eingeweiden ein Schafs-Xenomorph heraus birst. „Es zeigt die Merkmale des Tieres, in dem es sich entwickelt hat“, heißt es im Drehbuch. „Winzige rasiermesserscharfe Zähne und schwarze, glasartige Augen lugen aus einem verlängerten Kopf, der mit flaumiger, aber zotteliger Wolle bedeckt ist.“

Nun wird Ripley vorgeworfen, die „Pestilenz“ in das heilige Refugium gebracht zu haben. Sie wird in die Kerker des Kunstplaneten geworfen. Von dort will John sie retten, der glaubt, das Alien sei eine satanische Kreatur oder vielleicht sogar der Teufel selbst – und dass seine Nachkommen wie das Schafs-Alien die christliche Kolonie zerstören wollen. Währenddessen breitet sich die Alien-Plage aus. Die Sternenbestie, die offenbar aus Newt herausgebrochen war, kriecht durch die Zwischenschächte von Arceon und zieht arme Mönch direkt durch die Toiletten.

Nur kurz nachdem John die gefangene Ripley und einen weiteren Gefangenen befreit hat, stehen bereits die Felder und Mühlen von Arceon in Flammen. Das Xenomorph rauscht nun durch eines der Felder und macht sich über die wehrlosen Mönche her. Dabei scheint es wie ein Chamäleon die Muster und Farbe seiner Umgebung anzunehmen. Weitere Gottesleute sind infiziert. Wobei die Alien-Embryos nicht, wie aus Alien und Aliens bekannt, durch den Brustkorb, sondern den Hals hervorbrechen. Es sollten wilde Szenen folgen, bei denen Ripley und ihr Gefolge durch eine riesige Bücherei hetzen, während ihnen das ausgewachsene Alien nachstellt.

Im Finale treten Ripley und John dem Newt-Alien gegenüber und schaffen es, das Wesen in einen Bottich mit geschmolzenem Glas zu werfen und mit Wasser zu übergießen, woraufhin es zerfetzt wird. Aber Ripley scheint dennoch verdammt. Das Alien in ihr regt sich und will aus ihr herausbrechen. John will sie aber nicht aufgeben, vollzieht einen Exorzismus und schafft es, das Alien aus ihrem Körper in seinen zu saugen. Dann schreitet er in eine flammende Abtei.

Letztlich entkommt Ripley erneut an Bord ihrer Rettungskapsel – mitsamt Johns Hund Mattias. So endet zumindest die bei Fox eingereichte Fassung des Skripts, die noch große Logiklücken und Unschärfeb aufweist. Wo das Alien und die Facehugger wirklich herkommen, wird nicht gänzlich geklärt. Stammt das Xenomorph tatsächlich von Newt oder war es bereits ausgewachsen an Bord des Schiffs? Und wo kommen die weiteren Facehugger her, die die Mönche und Schafe infizieren? Und wieso kann sich das eine Alien im Weizenfeld tarnen wie in Chamäleon? Doch diese Macken hätten noch adressiert werden sollen – zumindest in Teilen. Es war eine erste Fassung, aber „nicht der fertige Film“, wie Ward sagt, der auch einige der Charaktere noch zu „stereotyp“ fand. Außerdem sollte auch Sigourney Weaver ein Wörtchen mitzureden haben, die Ripley gerne sterben lassen wollte. Dafür hatte Ward schon eine Szene im Kopf, in der Ripley heldenhaft in die brennenden Felder schreitet und in einem Regen aus Feuer und zerbrechendem Buntglas ihr Ende findet.

Der Anfang vom Ende

Es ist nicht sicher, ob die Vision von Vincent Ward trotz oder gerade wegen ihrer ungewöhnlichen Kulisse und Herangehensweise die Studioleiter begeisterte. 40 Millionen US-Dollar wollte sich 20th Century Fox die Produktion jedenfalls kosten lassen und gab grünes Licht. „Ich wollte jeden Penny der 40 Millionen nehmen, um die Leute in Angst und Schrecken zu versetzen“, sagt Ward. Die sogenannte Vor-Produktion lief schnell an. Es wurden Konzeptbilder und Skizzen erstellt, das nötige Equipment organisiert und vieles mehr.

Im Sommer 1990 wurde der Künstler und Experimentalarchitekt Lebbeus Woods angeheuert, um die Konstruktion der hölzernen Sakralbauten zu betreuen. Der errichtete in den Pinewood Studios in England, wo der Dreh stattfinden sollte, bereits erste größere und kleinere Bestandteile der geplanten Sets. Zudem traf sich Ward mit dem Schweizer Künstler und Alien-Vater HR Giger, der Ideen besteuern sollte. Und auch den Monty-Pyhton-Berühmtheiten John Cleese und Michael Palin stattete Ward einen Besuch ab, da er sie als Mönche im Film haben wollte. Passend zum religiösen Thema setzte das Studio Ostern 1991 als Kinostart an. Jedenfalls bis die gesamte Produktion plötzlich ins Stolpern geriet.

Die Kosten für die Produktion von Alien 3 waren den Verantwortlichen plötzlich zu hoch. Der Film müsse günstiger und damit zwangsweise simpler, weniger aufwendig und epochal ausfallen. Mehrfach habe Ward vom Studio und den Produzenten kurze Notizen und Anmerkungen erhalten, was ginge und was nicht. Bei einer Unterredung wurde die Möglichkeit debattiert, das Holzkloster in eine Bergbaugemeinde auf einem Asteroiden umzuplanen. Im Stillen wurden bereits die Drehbuchautoren Greg Press und John Fasano engagiert, um das ursprüngliche Skript in eine „leichtgewichtigere“ Fassung umzuarbeiten, die sich mit einem weitaus kleineren Budget realisieren ließe.

Vincent Ward bestand auf die ihm ursprünglich zugesicherte kreative Freiheit. „Ich habe gesagt, dass ich den Film nicht drehen werde, wenn sie von der Kernidee, die ich ihnen vorgeschlagen habe – und der sie vollends zugestimmt haben –, abweichen“, sagt Ward. Daher saß er wenig später nicht mehr mit am Tisch, als die Zukunft von Alien 3 besprochen wurde, sondern vor der Tür. Ward verließ die Produktion – und das sei, wie er in der Rückschau sagt, „schade“, aber auch „okay“. Die am Film Beteiligten erfuhren eher beiläufig von Wards plötzlich Abgang – und waren darüber vielfach enttäuscht. Denn die Passion und Ambition, die Ward in die ganze Produktion eingebracht hatte, sei ansteckend gewesen. Auch für Sigourney Weaver, die seine Geschichte als „eine sehr originelle Idee, die mich und alle anderen sehr beeindruckt hat“ bezeichnete.

Für Ward war die Erfahrung mit Alien 3 vorerst das Ende seiner Hollywood-Karriere. Stattdessen drehte er von 1991 bis 1992 den Film Flucht aus dem Eis , eine Romanze, die in der Arktis spielt. Einen Hollywood-Erfolg landete er später dann aber dennoch. Über mehrere Jahre entwickelte er die Geschichte für einen Film, die schließlich 2003 als das Tom-Cruise-Spektakel The Last Samurai in die Kinos kam. Es war der größte Film an den Ward bisher beteiligt war.

Zerrissen

Nach dem Aus für Vincent Ward sollte die Produktion von Alien 3 nicht unterbrochen werden. Zu viel hatte die ganze Unternehmung bereits gekostet – Geld, Zeit und Personal. Die Produzenten machten kein großes Aufheben um die Situation, sondern heuerten prompt einen neuen Regisseur an, der den verlassenen Regiestuhl als Chance sah: den zu dieser Zeit gerade einmal 28 Jahre alten David Fincher, der später als Fight-Club- und The-Social-Network-Macher bekannt wurde, damals aber noch als Kameraassistent und Regisseur für Musik- und Werbevideos arbeitete. Zusammen mit dem Highlander- und Beverly-Hills-Cop-2-Autor Larry Ferguson arbeitete er auf Basis der letzten Drehbuchentwürfe eine weitere Skriptfassung aus, die allem voran schnell und günstig bewältigbar sein sollte.

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Wirklich zufrieden war mit diesem Drehbuch allerdings niemand. Sigourney Weaver kritisierte das neue Skript, das sie klingen lasse, wie einen „angepissten Sportlehrer“, und legte ihr Veto ein. Daher übernahmen Hill und Giler und verschmolzen die Drehbücher von Ward und Twohy. Aus dem Klosterplaneten wurde der Gefängnisplanet Fiorina ‚Fury‘ 161, die Glasbläserei wurde zu einer Metallhütte und die Mönche wurden zu Sträflingen, die zur Religion gefunden haben. Aber auch diese Fassung stieß auf Widerstand.

Trotzdem begann im April 1991 der Dreh. Im Hintergrund arbeiteten Giler und Hill weiter. Immer wieder erhielt Fincher daher per Fax Änderungen der Dialoge und umgebaute Szenen von den Produzenten. Deswegen mussten immer wieder eigentlich abdrehte Passagen neu gefilmt werden. Das frustrierte sowohl die Darsteller als auch Fincher. Dazu erkrankte der Kameramann Jordan Cronenweth nach einigen Wochen schwer und musste durch Alex Thomson ersetzt werden. Für zusätzlichen Druck sorgte ein Trailer, den das Studio in den Kinos laufen ließ, der den neuen Kinostart für Winter 1991 ankündigte. Fincher und den Produzenten war klar, dass der Film dieses Datum reißen würde. Denn einer Probevorstellung einer ersten Schnittfassung im September 1991 fiel der Film bei einem Testpublikum glatt durch.

Vor allem zahlreiche Logiklücken, inkonsistente Charaktere und mangelnde Erklärungen für Situationen wurden auf den Feedback-Karten vermerkt. Nach dem offiziellen Drehschluss wurden Cast und Crew daher nochmals für Nach- und Neudrehs eingeflogen. Darunter für eine Szene, in der ein Alien aus einem Hund herausbricht, die einst aus Kostengründen ausgespart wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten Hill und Giler elf Fassungen ihres Drehbuchs geschrieben. Bei der Nachproduktion und dem Schnitt bestand das Studio auf einen Film, der weniger als zwei Stunden lang ist – eine halbe Stunde weniger, als es Fincher lieb war. Als Alien 3 im Mai 1992 mit gehöriger Verspätung in den Kinos startete, wurde er zwar zum finanziellen Erfolg. Doch sowohl viele Zuschauer als auch Kritiker zerrissen den Film.

Aber wie willst denn du einmal sterben, Narziß, wenn du doch keine Mutter hast? Ohne Mutter kann man nicht lieben. Ohne Mutter kann man nicht sterben.

Hermann Hesse

Bis heute gilt Alien 3 für viele als der schlechteste Teil der Saga – wobei die später erschiene und über 30 Minuten längere Assembly-Cut-Schnittfassung, die auf Finchers Notizen basiert, viele Fans gewonnen hat. David Fincher erklärte Jahre später in einem Interview, dass „niemand [ Alien 3 ] mehr hasst als ich“. Ganz so hart mag Vincent Ward nicht urteilen. Er hat Alien 3 trotz seiner Enttäuschung geschaut und meint, David Fincher habe „das Beste aus dem gemacht, was er unter diesen Umständen erreichen konnte“. Dennoch kommt es Ward vor, als sei seine Vision geradezu „ausgeweidet“ worden. Von seinem Drehbuch seien nur „kleine Dinge“ und einige Wendungen übriggeblieben. Dennoch habe er seinen Teil zur Alien-Saga beitragen können, und das schätze er. Die Arbeit an Alien 3 , meint Ward, habe ihn stark geprägt, aber auch beinahe überfahren – so wie die Autos auf der deutschen Autobahn.

Der Artikel basiert auf einem Interview, das der Artikelautor bereits vor mehreren Jahren mit Vincent Ward führte.

Weitere Information und zahlreiche weitere Bilder zu Vincent Wards Alien 3 findet ihr auf der offiziellen Website des Regisseurs und Künstlers.

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Titelbild: Sega / Anpassung Michael Förtsch

Konzeptbilder: 20th Century Fox / Vincent Ward, Stephen Ellis, Mike Worrall

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