Gerade ist Alien: Romulus in die Kinos gekommen. Darin muss sich eine Gruppe junger Planetenkolonisten gegen außerirdische Xenomorphs zur Wehr setzen. Doch der eigentliche Feind sind nicht die aggressiven Aliens, sondern der schier allmächtige Konzern Weyland-Yutani. Angesichts der Pläne von Tech-Milliardären wie Elon Musk und Jeff Bezos wirkt der Film wie eine Warnung.
Von Michael Förtsch
Die Zukunft der Menschheit liegt im Weltraum. Denn auf der Erde wird es immer enger, die Ressourcen werden knapper und sollte es zu einer Katastrophe wie einem Asteroideneinschlag kommen, wäre die Menschheit nicht verloren, wenn’s irgendwo ein Back-up gibt. Das sagen Elon Musk, Jeff Bezos und andere Tech-Milliardäre. Aber wäre das Leben auf anderen Planeten, Planetoiden und Monden auch besser als auf der Erde? Wäre es dort wirklich lebenswert? Nicht unbedingt. Schon gar nicht, wenn man es schier allmächtigen Firmenkonglomeraten überlässt, die dann in Privatkolonien schalten und walten, wie sie wollen. Denn natürlich lässt sich mit dem Vorstoß ins All, mit der Ausbeutung anderer Himmelskörper und dem Handel mit der Hoffnung auf eine Existenz auf einer neuen Welt viel Geld verdienen.
Hier liegt der eigentliche Horror von Alien: Romulus, dem neuesten Film aus der Alien-Sage, der gerade in die Kinos kam. Denn der Film beginnt in der kargen Minenkolonie Jackson’s Star, die wegen der dichten Wolkendecke keinen einzigen Sonnentag erlebt. Die junge Koloniearbeiterin Rain will sich auf einen anderen Planeten versetzen lassen. Doch die Betreiberfirma Weyland-Yutani erhöht immer wieder die von ihr zu leistende Pflichtarbeitszeit, die für eine Versetzung eingetauscht werden kann. Sie darf nicht weg und ihre einzige wirklich vertraute Person ist Andy, ein Androide, den ihr verstorbener Vater einst vor dem Müll gerettet und als ihren Beschützer programmiert hat: Tu, was das Beste für Rain ist! Die anderen jungen Erwachsenen in der Kolonie wie Tyler, Kay, Bjorn und Navarro sind genauso frustriert. Auch sie sehen keine Zukunft für ihr Leben in dieser düsteren Welt.
„Damals, lange bevor ich Romulus drehen wollte, habe ich mir überlegt, was wohl mit [Kindern, die in einer solchen Kolonie aufwachsen] passieren würde“, sagt Fede Alvarez, der Regisseur des Films, im Interview mit 1E9. Bekannt wurde er durch seinen Kurzfilm Panic Attack und sein Remake von Evil Dead. „Wie diese Kinder in so einer Kolonie aufwachsen, die ihnen nichts zu bieten hat. Ein Ort, der nur ein toter Fels im All ist, wo es erst in 50 Jahren eine Atmosphäre geben wird.“ Laut Alvarez, der in Montevideo in Uruguay aufwuchs, würden solche jungen Erwachsenen erkennen, dass „das System für sie nicht funktioniert“. Sie würden versuchen, aus dieser Situation auszubrechen und dafür auch riskieren, etwas furchtbar Dummes und Gefährliches zu tun. Genau das passiert dann auch.
[Achtung! Es folgen Spoiler!]
Sichtbarer Schrecken
Die Gruppe um Rain entdeckt, dass offenbar ein riesiges, aufgegebenes Raumschiff die Umlaufbahn ihres Planeten streift – und droht, in den Asteroidengürtel abzudriften, der den Planeten umgibt. Für sie ist das eine Chance. Mit dem kleinen Frachter Corbelan IV könnten sie hochfliegen, andocken und teure Ausrüstung stibitzen. Oder sogar ein paar Kälteschlafkapseln abstauben, mit denen sie ohne die Unterstützung des mächtigen Konzerns die jahrelange Reise zu einem anderen Planeten antreten könnten. Sie haben nicht viel zu verlieren, denken sie. Doch als sie mit ihrem Shuttlefrachter die Wolkendecke durchbrechen und die Koordinaten des Flugobjekts ansteuern, erkennen sie: Es ist kein Raumschiff, sondern eine riesige Raumstation, die seit Jahren durch den Kosmos trudelt.
An ihren Plänen ändert das jedoch nichts. Sie docken an die Raumbasis an, können mit den Identifikationscodes des Wayland-Yutani-Androiden Andy die Türen öffnen und finden sowohl die Schlafkapseln als auch das benötigte Kühlmittel. Doch als sie die Kartuschen mit dem Kältemittel aus den Anschlüssen einer Kryokammer ziehen, begehen sie einen schweren Fehler. Denn damit unterbrechen sie das Kühlsystem und erwecken unbeabsichtigt Dutzende von Facehuggern aus ihrer Stasis – die tellergroßen Spinnenwesen, die sich an den Gesichtern ihrer Opfer festsaugen und ihnen den Embryo eines Xenomorphs einpflanzen. „Wir scheuen uns auch nicht zu zeigen, wie sich das Xeno[morph] fortpflanzt“, sagt Alvarez. „Es ist wichtig, das zu zeigen, weil es Teil des Schreckens ist.“
Plötzlich müssen die jungen Kolonisten um ihr Leben rennen. Ihre einzige Hilfe ist ein schwer verletzter Androide namens Rook, der von einem der biomechanischen außerirdischen Wesen in Stücke gerissen wurde. Er war der wissenschaftliche Leiter der Station und wird mit Hilfe einer Computer-Konsole notdürftig reaktiviert – und schaut dem einst von Ian Holm gespielten Ash aus Alien nicht nur zufällig ähnlich. Sein Speicherchip gibt dem Androiden Andy weitere Sicherheitsfreigaben für bisher verschlossene Teile der Station, die er durchqueren muss, um zu seinem Schiff zurückzukehren.
Der Speicherchip verändert Andy aber auch. Er überschreibt seine bisherige primäre Direktive mit einer neuen: Er soll nicht mehr das tun, was für Rain das Beste ist, sondern für die Firma Weyland-Yutani. Und das ist nicht unbedingt das Überleben der verängstigten Jugendlichen, sondern die Rettung der Forschungsergebnisse und eines endogenen Retrovirus, der aus den DNA-Proben der außerirdischen Kreaturen entwickelt wurde. Ein Wirkstoff, der die Evolution der Menschheit beschleunigen soll.
Im Universum verzahnt
Nach der ersten Begegnung der jungen Kolonisten mit den Xenomorph überschlagen sich in Alien: Romulus die Ereignisse. Ein Teil der Gruppe will fliehen, ein Teil der Raumstation explodiert, das Schiff wird weit weg von der ursprünglichen Landebucht auf die andere Seite der Station geschleudert. Blut fließt, Haut und Fleisch werden verätzt und aufgeschlitzt, Knochen brechen. Es wird hier überdeutlich, dass Fede Alvarez nicht nur viel Erfahrung mit Horror hat, sondern auch das Alien-Universum kennt. „Ich wollte zur ursprünglichen Form [von Alien] zurückkehren“, sagt er. „Was Ridley damals machen wollte, war ein Texas Chainsaw Massacre im Weltraum. Ein echter Exploitation-Film, Horror in Reinform.“
Außerdem finden sich durch den Film hinweg zahlreiche Reminiszenzen auf die vorherigen Filme. Einige subtil im Hintergrund, andere vielleicht etwas zu deutlich. Aber vor allem greift der Regisseur zahlreiche Elemente aus dem überraschend weit ausgedehnten Alien-Universum auf. Nicht nur aus den Filmen, sondern auch Romanen, Comics, Videospielen wie Alien: Isolation und Drehbüchern, die es nie in die Produktion geschafft haben. „Oh ja, ich habe während meiner Recherchen und der Vorproduktion so viel gelesen“, sagt Alvarez. „Bevor ich das erste Wort [für Alien: Romulus] geschrieben habe, habe ich mir alles angesehen, was ich finden konnte. Allein mit den Comics habe ich Stunden verbracht. Und dann die Romane. Es gibt einfach so viel.“
Was der Regisseur aus all seinen Ideen und Inspirationen komponiert hat, ist ein schneidender Science-Fiction-Horror-Schocker, der die Stimmung, die Optik und den dystopischen Charme der Originalfilme einfängt – ohne den Rest des Alien-Universums wie Alien 3, Die Wiedergeburt, Prometheus oder Covenant zu verleugnen. Er wollte Romulus „so nah wie möglich an das Original heranbringen“, sagt er. Um das zu erreichen, wurden viele Effekte praktisch umgesetzt: mit ferngesteuerten Facehuggern, einer riesigen Alien-Animatronik und Schiffsmodellen, die von Hand gebaut und dann 3D-gescannt wurden, bevor sie digital ins All gesetzt wurden. Auch die Kameraarbeit und die Lichtstimmung erinnern an das Original von Ridley Scott, das Alvarez selbst zum ersten Mal auf einer Videokassette gesehen hat.
Warnung für die Zukunft?
Bei aller Angst und Gewalt wird in Alien: Romulus schnell klar, dass das einst vom Schweizer Künstler Hans Ruedi Giger geschaffene Sternenbiest nicht das einzige Monster ist. Sondern auch – oder vor allem – die Ausbeutung, der Hyperkapitalismus und die Macht von Unternehmen, deren Ressourcen und Freiheiten jene von Staaten längst übersteigen. Wo das Xenomorph seinen Instinkten und Jagdtrieben folgt, ist es der Konzern Wayland-Yutani, der das Leben der jungen Kolonisten gezielt aufs Spiel setzt und ihre Existenz dem Profit und den Unternehmensgeheimnissen unterordnet.
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Jetzt Mitglied werden!Bereits in Alien und Aliens wurde die lebensverachtende Mechanik der Konglomerate im fiktiven Universum aufgezeigt. Dass die Besatzungen von Raumschiffen und Raumbasen als entbehrlich angesehen werden, ihr Überlebenswille sogar von Androiden sabotiert wird, die in die Besatzungen eingeschleust werden und nur dem Wohl des Unternehmens dienen sollen. Eine dystopische Zukunftsvision, die aber gar nicht so weit entfernt von den Vorstellungen von Tech-Milliardären wie Elon Musk und Jeff Bezos ist, die futuristische Kolonien auf dem Mars und im Weltraum errichten wollen. Kolonien, die natürlich von ihren Unternehmen gebaut, betrieben und regiert werden – und die nicht primär dem Leben, sondern der Arbeit dienen.
Bereits vor mehreren Jahren stellte Jeff Bezos seinen Plan für eine Raumstation namens Orbital Reef vor. Letztlich ein Bürohochhaus mit Laboren, 3D-Druckern und Computerarbeitsplätzen im All, das sein Start-up Blue Origin in den Erdorbit bringen soll. Und Musk, der kündigte emotionslos an, dass natürlich einige sterben werden, wenn es zum Mars geht. Schließlich sind auch diese New-Space-Initiativen grundsätzlich auch nur Unternehmen, die Umsatz machen und Gewinn abwerfen sollen. Nicht groß anders als das fiktive Weyland-Yutani dessen Ziel es zwar ist, die Menschheit ins All zu bringen und neue Welten zu erschließen. Aber das letztlich nur darauf aus ist, seine Markposition zu stärken, einen höheren Börsenwert und Ausschüttungen für die Anteilseigner zu erarbeiten. Kolonien auf fremden Welten sind dabei nur ein Mittel zum Zweck und die menschlichen Siedler ein kleines Rädchen in einer Maschine, das sich einfach ersetzen lässt.
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