Nach 13 Jahren geht es zurück nach Pandora. In diesem Jahr soll mit Avatar: The Way of Water die Fortsetzung zum Science-Fiction-Epos Avatar erscheinen. Die Ideen für die bizarre Welt reichen Jahrzehnte zurück.
Von Michael Förtsch
Mit Avatar brachte Terminator-Regisseur James Cameron im Jahr 2009 einen der erfolgreichsten Filme aller Zeiten in die Kinos. In diesem Jahr soll nun nach langem Warten mit Avatar: The Way of Water der erste von vier Nachfolgefilmen erscheinen. Avatar ist aber nicht nur einer der erfolgreichsten Filme, sondern auch einer der umstrittensten. Denn im Nachhall des bombastischen Kinostarts und des Einspielergebnisses von 2,78 Milliarden US-Dollar von Pocahontas im Weltraum behaupteten zahlreiche Personen, Cameron habe sich seinen „persönlichsten Film überhaupt“ lediglich zusammengeklaut. Eben unter anderem aus Disneys Pocahontas, dem Anime The Last Rainforest, den Bildern des Künstlers William Roger Dean und einem Pitch, den der Special-Effects-Künstler Gerald Morawski verfasst und an Cameron geschickt hatte. Insgesamt elf Klagen musste er sich stellen.
Tatsächlich plagiierte sich der Filmemacher wohl hauptsächlich selbst, wie er 2012 in einem umfangen Statement ausführte, in dem er sich gegen eine Klage verteidigte. Einige Elemente habe er aus einem Drehbuchentwurf mit dem Titel Xenogenesis entnommen, der von einem riesigen Raumschiff namens Cosmos Kindred handelt, das nach der Zerstörung der Erde einen neuen Planeten für den „Nukleus der Menschheit“ finden soll. Riesige Kampfroboter, außerirdische Wälder, leuchtende Pflanzen, fliegende Unterwasserkreaturen, geistige Verbindungen von Mensch und Maschine und einiges mehr kommt bereits darin vor. „ Xenogenesis ’ Luminous Planet hat [auch] eine einzigartige Art von Weidenbaum, der im Skript als ‚eine prächtige Mischung aus einer Glasfaserlampe, einer Seeanemone und einer Weide‘ beschrieben wird“, so Cameron.
Einen Teil der epochalen Geschichte verwirklichte Cameron schon 1978 unter eben jenem Titel als Kurzfilm – und legte damit gleichzeitig sein Regiedebüt ab. Für die Umsetzung der kompletten Geschichte und des Luminous Planet, wie er die Welt nannte, fehlte dem damals 24-Jährigen sowohl die Technik, das Geld als auch die Erfahrung.
Andere Ideen stammten aus seinem Skript Chrysalis, das von einem Rollstuhlfahrer handelt, der seine Gedankenwelten erforscht und dadurch „kosmische Reisen“ unternehmen kann. Unter anderem in eine „außerirdische Landschaft und einen Wald voll von gigantischen Bäumen“. Auch Wind Warriors, das von einem Unternehmen handeln sollte, das im brasilianischen Regenwald nach einem mysteriösen Metall sucht – die Überreste eines außerirdischen Raumschiffs –, wurde nie als eigenständiges Spielfilmprojekt verwirklicht, aber wurde zu einem Pfeiler der Welt von Avatar.
Den meisten Einfluss, und das nicht nur auf Avatar, hatte aber ein anderes Drehbuch. Eines, das James Camerons größter Film hätte werden können. Nämlich Mother. „Es war 1980 oder 1981“, sagte Cameron in einem Interview mit Sci-fi-online im Jahr 2008, „Ich arbeitete an Notizen für ein erstes Treatment für eine Science-Fiction-Geschichte, die ich zunächst E.T. taufte, also ‚außerirdisch‘, ein oft verwendeter Begriff in der Science Fiction. Aber während der Arbeit erfuhr ich, dass Steven Spielberg einen Film mit dem Titel E.T. The Extraterrestrial dreht, also änderte ich den Titel meiner Geschichte. Ich nutzte zunächst Protein als vorläufigen Arbeitstitel, änderte ihn dann aber in Mother – denn es geht in der Geschichte um ein weibliches, genetisch verändertes Wesen, das versucht, das Überleben seiner Jungen zu sichern.“
Die Ausgangssituation für Mother beschreibt Cameron selbst so: „Die Menschen haben die Erde ausgeplündert und wollen nun einen anderen Planeten ausbeuten. Es war ein Plan, geboren aus Verzweiflung. Denn auch die Erde wurde zur Hölle, erdrückt von einem Meer von Homo sapiens, und sie brauchten ein neues Gebiet. Nicht nur einen neuen Kontinent, sondern eine ganze Welt wurde benötigt.“ Die Suche danach wird in Mother von einem riesigen Konglomerat betrieben, der Triworld Development Corporation, die aber sonst nur als „die Firma“ bezeichnet wird. Sie beutet bereits Planeten wie die Venus und Monde wie den Titan aus. Und sie findet nun einen extrasolaren Planeten mit einer lebendigen Flora und Fauna – aber vor allem: einer Unzahl an Ressourcen, die gefördert werden können, um die irdische Industrie zu befeuern. Genau wie später die Resources Development Administration in Avatar und die Weyland-Yutani Corporation in Aliens.
Aber dieser Planet ist keine sonderlich heimelige Umgebung für Menschen, sondern eher das Gegenteil. Seine Atmosphäre ist giftig und seine Tier- und Pflanzenwelt tödlich. Daher entwickeln Wissenschaftler die Xenomorph – der Begriff, der später die Bezeichnung für die Albtraumwesen in der Alien-Saga wird. Aber in Mother ist es „meine Bezeichnung für ein gentechnisch verändertes außerirdisches Wesen, das [basierend auf lokalen Lebensformen] geschaffen wird, um den Bedürfnissen der Firma zu dienen“, so Cameron in der Erklärung zum Rechtsstreit um Avatar. Als „Arbeiter in den Minen“ werden diese Gen-Sklaven eingesetzt – und zwar „kontrolliert [von Menschen] über einen psychischen Link“. Doch sie werden auch zur Erforschung der restlichen Welt genutzt, da die Firma ebenso großes Potential in der Ausbeutung von Wirkstoffen sieht, die sich der obskuren Flora finden lassen.
Laut Cameron gab es in der Geschichte von Mother einen „Charakter, der sehr wie Ripley“ aus der Alien-Saga ausgestaltet war. Und es sollte in Form des genetisch veränderten Mutterwesens auch eine Form der Alien-Königin geben, die es später in Aliens zu sehen gab. Der Film „endet mit einem großen Kampf zwischen der Protagonistin und der Mutter, während der Hauptcharakter in [einer Maschine steckt], die ich später den Power Loader genannt habe“, so Cameron.
Als Cameron für den Dreh einer Fortsetzung von Ridley Scotts Alien verpflichtet wurde, habe er vieles aus seinem Mother-Drehbuch adaptiert. „Es passte einfach“, so Cameron. „Ich nahm einfach all den Kram, über den ich schon nachgedacht habe und packte es zusammen.“ Zusätzliche Ideen entnahm er einem weiteren Drehbuch, an dem er parallel schrieb – nämlich Rambo 2. Der Vietnam-Krieg und wie er geführt wurde, hatte Cameron viel beschäftigt. Insbesondere die asynchrone Kriegsführung und die Traumata, die viele der Soldaten der Parteien davon trugen.
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Jetzt Mitglied werden!Zahlreiche Einfälle aus Mother konnte Cameron also in Aliens verwirklichen. Aber das Kernthema, dass „Menschen, versuchen, eine neue Grenze auf einer fernen, unberührten Welt“ zu durchschlagen, habe ihn nicht losgelassen, wie er in mehreren Interviews anführte: „Wir sind die außerirdischen Invasoren.“ Und auch die Idee, einen anderen Körper zu steuern, der nicht der eigene ist, sei etwas, das den Regisseur nachhaltig faszinierte. Vor allem, nachdem er die Titanic-Dokumentation Ghosts of the Abyss drehte. Menschen, die über mehrere Stunden Drohnen oder Tauchgeräte steuern, könnten „diese Fahrzeuge fühlen, als wären sie ihr eigener Körper“, erklärte Cameron sein Interesse am Thema. Er selbst habe das erlebt, als er für die Dokumentation einen Tauchroboter lenkte.
All das habe dazu geführt, dass Cameron bereits Mitte der 1990er seine Ansätze, Gedanken und Faszinationen in ein neues Drehbuch goss. Ebenso wie Ideen aus anderen Filmen, aber auch Romanen, die ihn inspirierten. Darunter sind Lawrence von Arabien, Der Smaragdwald, Das Dschungelbuch und Ferngully. Das neue Drehbuch betitelte er zunächst Project 880 – und es war bereits sehr nah an dem, was später Avatar: Aufbruch nach Pandora werden sollte. „Ich entschied mich damals jedoch, das Projekt nicht weiterzuverfolgen, weil ich der Meinung war, dass die Technologie noch nicht so weit war, um Avatar so zu drehen [wie ich es wollte]“, so Cameron. Erst zehn Jahre später war es laut dem Regisseur so weit. Erst da sei es möglich gewesen, die Welt von Pandora zum Leben zu erwecken.
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