Mit einem Bremsfallschirm für Satelliten wollen zwei deutsche Firmen Weltraumschrott vermeiden

Der Satellitenbauer Reflex Aerospace und der Raumfahrt-Zulieferer HPS haben sich im Kampf gegen Weltraumschrott zusammengetan: Sie wollen Satelliten mit Segeln ausstatten, die bei Bedarf ausgeklappt werden können und dafür sorgen, dass die Satelliten am Ende ihres Einsatzes zügig in die Erdatmosphäre stürzen und verglühen.

Von Wolfgang Kerler

Im Orbit der Erde wird es enger, seit Transportflüge in den Weltraum immer günstiger werden und Firmen wie SpaceX riesige Konstellationen von Satelliten installieren. Zum Beispiel, um die Erde mit Internet aus dem All zu versorgen. Umso wichtiger wird es, Weltraumschrott zu vermeiden. Denn Kollisionen mit den über eine Million kleinen und großen Teilen ausgedienter Raketen und Satelliten, die laut der europäischen Raumfahrtagentur ESA um unseren Planeten kreisen, können neues Gerät zerstören.

Damit die Schrottwolke nicht noch größer und gefährlicher wird, arbeiten Forschungsinstitute und Unternehmen an Lösungen, um vorhandene Überreste im Orbit einzusammeln und bei künftigen Missionen Müll gleich vollständig zu vermeiden. In Europa sind unter anderem Satelliten, die mit einer großen Klaue ausgestattet sind, die größere Objekte greifen kann, oder auch Raumschiffe, die Schrott aus der Umlaufbahn fischen können, in Entwicklung.

Das 2021 gegründete Start-up Reflex Aerospace mit Sitz in München und Berlin will für seine Kleinsatelliten, die deutlich günstiger und schneller produziert werden sollen als bei etablierten Herstellern, jetzt auf eine Lösung des Raumfahrt-Zulieferers HPS aus München setzen: das ADEO De-Orbit Subsystem. Hinter dem Kürzel steckt eine Technologie, die zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, kurz: DLR, entwickelt wurde.

Ein Segel für mehr Widerstand

Das ADEO-System lässt Satelliten, die nicht mehr gebraucht werden, beschleunigt in die Erdatmosphäre sinken, wo sie verglühen. Dafür wird an entfaltbaren Masten ein Segel aufgespannt, das je nach Satellitengröße eine Fläche von zwei bis zu über 100 Quadratmetern haben kann und das vorher in einer Art „Rucksack“ untergebracht war.

Das Segel vervielfacht die Fläche des Raumfahrzeugs, was den Widerstand durch die im niedrigen Orbit vorhandene Restatmosphäre vergrößert. Es kann also wie ein Bremsfallschirm wirken und den Satelliten verlangsamen, wodurch dieser zügiger in die Erdatmosphäre eintritt. Das passiert nach dem Aufspannen des Segels von selbst und auch bei Satelliten, die sich nicht mehr aktiv manövrieren lassen, weshalb ADEO als passives Wiedereintrittsystem bezeichnet wird. Laut DLR soll es deutlich leichter und günstiger sein als vorhandene aktive Systeme.

Gestern, also am 20. September, unterzeichneten Reflex Aerospace und HPS ihre Absichtserklärung. Schon bei der ersten Weltraummission von Reflex, bei der im Jahr 2024 Satelliten zu Demonstrationszwecken ins All geschossen werden, soll ADEO laut einer Mitteilung der beiden Firmen installiert sein.

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Zwar sei es aus wirtschaftlicher Sicht zunächst verständlich, dass manche im Markt zögerten, in Nachhaltigkeit zu investieren, sagt Reflex-Chef Walter Ballheimer. „Doch das ist kurzsichtig und würde unweigerlich zu einer Situation führen, in der Raumfahrtaktivitäten wegen der Menge an Trümmern in der niedrigen Erdumlaufbahn unglaublich riskant werden.“

Für Reflex ist eine Lösung des Entsorgungsproblems umso wichtiger, da das Unternehmen auf 250 bis 500 Kilogramm schwere Satelliten setzt, die nicht nur in viel kürzeren Zeiträumen einsatzbereit sein sollen als bisherige Satelliten von Airbus, OHB & Co. – in Monaten satt Jahren, sondern auch kürzer genutzt werden sollen – nicht mehr 15 Jahre, sondern auch mal nur vier oder fünf. Denn, so die Annahme des Start-ups, das Weltraumgeschäft werde immer dynamischer, so wie zuvor schon andere Branchen.

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Titelbild: HPS

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