Von Wolfgang Kerler
Manchmal ist es anstrengend, sich nicht wie der Astronaut auf dem Bild zu fühlen. Dann scheint es, als würden wir in eine ungewisse Zukunft treiben – ohne Kontrolle, fremden Mächten ausgeliefert, auf dem Weg in die Dunkelheit. Panik-Schlagzeilen füttern unsere Angst. Kleine Kostprobe? Gerne.
Die Digitalisierung bedroht Millionen von Jobs. Künstliche Intelligenz wird alles verändern. Deutschland und die EU verpassen die Zukunft. Wer nicht digitalisiert, verliert. Unsere fetten Jahre sind vorbei. Die Zukunft spielt in China. Facebook zerstört die Demokratie. Die Killerroboter kommen.
Herrliche Aussichten sind das. Was bleibt einem da, als von der guten alten Zeit zu träumen und Populisten zu wählen? Oder neuen Technologien abzuschwören und die Landlust zu abonnieren? Nicht viel. Es sei denn, wir holen uns die Zukunft einfach zurück. Legen wir los.
Fordern wir konkrete Antworten!
Wenn das nächste Mal jemand behauptet, Künstliche Intelligenz wird alles verändern, sollten wir neugierig nachhaken. Was genau meint er mit Künstlicher Intelligenz? Wie funktioniert sie? Was kann sie? Wann ist sie einsatzbereit? Schon fallen Luftschlösser von Wichtigtuern in sich zusammen. Was dagegen Substanz hat, wird greifbar und verständlich.
Aus der mystischen Künstliche Intelligenz wird, zum Beispiel, ein von Menschen entwickeltes Computerprogramm, das gesprochene Sätze erkennt und auf Wunsch den neuesten Wetterbericht ausspucken oder die Playlist starten kann. Nicht schlecht. Um das zu lernen, war das System jedoch auf unzählige Hörbeispiele angewiesen, die von Menschen kuratiert wurden. Aha! Das Programm ist immer noch beeindruckend, aber weit weniger beängstigend.
Oft wird über neue Technologien berichtet, als stünden sie morgen im Laden. Fragt man genauer nach, erfährt man, dass Leder aus dem Reagenzglas oder elektrische Flugzeuge noch nicht soweit sind, wie es in ersten überoptimistischen Ankündigungen hieß. Durchatmen!
Lassen wir uns nicht verrückt machen!
Könnt ihr euch noch erinnern, wie oft Deutschland und Europa schon am Ende waren? In den 1980er Jahren hätten sie von Japan geplättet werden sollen. Zur Jahrtausendwende war Deutschland „der kranke Mann Europas“. Vor zehn Jahren tobte erst die Finanz- und dann die Eurokrise. Tja, wir leben noch. Ziemlich gut sogar.
Zurzeit wird vorhergesagt, dass China und die USA uns abhängen, vor allem im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Diese Prognose sollten wir ernst nehmen. Dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie wie vorherige Untergangsszenarien nicht eintritt.
Düstere Prophezeiungen erzeugen Handlungsdruck. Die Bundesregierung und die EU stellen erstes Geld bereit und zimmern eifrig Aktionspläne. Die Industrie ist alarmiert und fährt ihre Investitionen hoch. Das sind gute Nachrichten! Menschen mit Ideen und Zukunftskonzepten finden plötzlich Gehör. Sogar die Chancen auf Budget steigen.
Diskutieren wir, welche Zukunft wir uns wünschen!
Konkrete Informationen statt nebulöser Buzzwords. Realismus statt Panik. Dann können alle mitreden. Das ist entscheidend. Neue Technologien und Entwicklungen sind schließlich keine Naturgewalten, denen wir ausgeliefert sind. Wir dürfen selbstbewusst über ihren Nutzen, ihre Chancen und Risiken diskutieren. Wir können gemeinsam Visionen entwickeln. Kommen darin keine Killerroboter vor, werden sie vielleicht nie gebaut.
Aus einer Diskussion von Datenschützern, die erst als Spielverderber galten, entstand am Ende ein Gesetz von globaler Bedeutung. Milliardäre geben sich plötzlich reumütig, damit wir ihre soziale Netzwerke nicht verlassen. Ausgelaugte Parteien ringen endlich um Anschluss an den Zeitgeist. Warum? Weil wir über Unwiderstehliches verfügen: Wahlrecht und Kaufkraft.
Außerdem sorgt das Internet trotz seines ramponierten Rufs für mehr Chancengleichheit. Jeder bekommt Zugang zu Wissen. Jeder erhält eine Stimme. Das Netz bringt Menschen zusammen. Und plötzlich entstehen Bewegungen.
Einfach machen oder einfach lassen!
Fragen, diskutieren, fordern. Manchmal reicht das nicht. Manchmal muss man Ideen in die Tat umsetzen. Die Gelegenheit ist günstig. In Deutschland eine Firma zu gründen bleibt zwar ganz schön bürokratisch. Doch es gibt inzwischen viele Förderangebote. Das Risiko ist dank unseres Sozialsystems überschaubar. Und in Europa wird so viel Wagniskapital verteilt wie noch nie.
Gleichzeitig haben immer weniger Menschen Lust auf einen klassischen Nine-to-Five-Job. Sie suchen nach Sinn und Bestätigung. Gleichgesinnte zu finden, ist also leichter geworden, ob für ein Start-up oder ein ehrenamtliches Projekt. Einfach machen.
Weniger erfüllend, aber noch leichter ist es, Dinge einfach zu lassen. Auch das verändert die Zukunft. Wer Diskussionen auf Facebook und Twitter zu anstrengend findet, löscht die Profile. Wer genervt ist vom Paketchaos, bestellt nicht online. Wer kein Auto kaufen will, nutzt eben die Öffentlichen, das Fahrrad oder Carsharing.
Gemeinsam in die Zukunft!
Schauen wir uns zum Schluss den Astronauten auf dem Bild noch einmal an. Vielleicht treibt er gar nicht in den Untergang? Ist es nicht viel eher eine Astronautin, die fröhlich von ihrem ersten Spaziergang im All zur Raumstation schwebt? Wahrscheinlich freut sie sich schon auf das nächste Abenteuer. Oder auf eine gefriergetrocknete Leckerei.
Wir wollen 1E9 zur Denkfabrik für die Zukunft machen, zu einem Ort, an dem Zukunftsoptimisten Information und Inspiration finden, sich austauschen und vernetzen können und gemeinsam Lösungen für eine bessere Zukunft suchen können. Noch sind wir in der Testphase, aber bald kann jeder mitmachen. Dann holen wir uns gemeinsam die Zukunft zurück!
Das Astronauten-Bild stammt übrigens vom Künstler Marc Gumpinger. Er wird seine Werke und Ideen bei unserer Konferenz am 11. Juli 2019 in München zeigen und erklären. Hier, in unserem Magazin, erfahrt ihr auch bald mehr über ihn.