Die Suche der Tech-Milliardäre nach dem ewigen Leben

Ist das Leben zu kurz? Davon sind zahlreiche Silicon-Valley-Visionäre und Milliardäre überzeugt und finanzieren Start-ups, die das Altern aufhalten oder sogar umkehren sollen. Außerdem forschen junge Unternehmen, wie sich altersbedingte Krankheiten aufhalten lassen. Der Weg zu einem besonders langen und gesunden Leben ist noch weit – aber absehbar.

Von Michael Förtsch

Seine Fähigkeiten und sein Wissen sollen unvergleichlich gewesen sein. Er wurde als Abenteurer, Alchemist, Komponist und als begnadeter Erzähler gefeiert. Er soll Dutzende von Sprachen gesprochen, Kaiser und Könige beraten und wundervolle Musikstücke erdacht haben. Aber vor allem soll der mysteriöse Graf von Saint Germain dem Zahn der Zeit getrotzt haben. Es wird berichtet, eine Edeldame namens Madame de Gergy habe den Graf erstmals in ihrer Jugend getroffen. Als sie ihn 50 Jahre später erneut sah, hätte er kaum eine Falte mehr im Gesicht getragen. An Adelshöfen wurde gemunkelt, der weitgereiste Mann wandle schon über 100 Jahre oder sogar noch länger auf der Erde. Selbst Voltaire schrieb in einem Brief an Friedrich den Großen, der Saint Germain wäre „ein Mann, der niemals stirbt und alles weiß“. Das Geheimnis seines langen Lebens soll ein Tonikum gewesen sein, das seinen Körper und Geist jung und agil hielt.

Die Legende um den Grafen von Saint Germain ist spannend, aber auch vollkommener Humbug: Er wurde um 1710 geboren und starb 1784 in Eckernförde. Zwar erreichte der Graf damit ein für seine Zeit beachtliches Alter von 74 Jahren, aber das ist weit von einem ewigen Leben entfernt. Das sich um ihn rankende Mysterium ist auf Gerüchte und Lügengeschichten zurückzuführen, die der Graf selbst gestreut hat und letztlich ein Eigenleben entwickelten. Und der Kommentar von Voltaire? Der war ironisch gemeint. Auf den Philosophen hatte der angeblich so gebildete Graf einen eher umnachteten Eindruck gemacht. Die Realität tut der Faszination mit der Sagenfigur des Grafs aber keinen Abbruch – und vor allem nicht dem, wofür er stand und steht: der Überzeugung, dass es allein die Lebenszeit ist, die Wissen, Tun und Können begrenzt.

Diese Überzeugung ist nicht zuletzt in den Köpfen vieler Tech-Visionäre, Millionäre und Milliardäre verankert, die hoffen, mit ihrem Geld und ihrer Macht die Zukunft zu formen – und diese Zukunft dann auch noch erleben und genießen zu können. Manche von ihnen setzen auf rigide Diäten und schlucken Medikamente, die sie jung und agil halten sollen. Andere investieren Unsummen in die Langlebigkeitsforschung – auch: Longevity oder Life Extension Research genannt –, deren Ziel es ist, die leidigen Folgen des Alterns zu eliminieren und das maximal erreichbare Alter in die Höhe zu treiben. Die große Hoffnung ist natürlich eine Therapie gegen die Krankheit Alter, die so einfach zu verabreichen ist wie eine Impfung oder ein Vitaminpräparat.

Schon jetzt leben wir ziemlich lange

Das Leben von Menschen durch Innovation, Medizin und eine richtige Lebensweise zu verlängern, ist keine Spinnerei. Seit dem Mittelalter hat sich die Lebenserwartung der Menschen nahezu verdoppelt. Vor rund 500 bis 600 Jahren wurden nur wenige Menschen älter als 40 Jahre. Die heutige durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland beträgt für Frauen 83,4 und für Männer 78,6 Jahre. Die Lebenserwartung in anderen westlichen und asiatischen Industrienationen liegt auf einem vergleichbaren Niveau. Der Grund? Vor allem Zugang zu sauberem Trinkwasser, ausreichend Nahrung und eine fortschrittliche medizinische Versorgung, die einen Tod durch Entzündungen, Knochenbrüche oder Krankheiten wie eine Grippe fast schon unmöglich macht.

Eine noch höhere Lebenserwartung – und das bei einer wachsenden Zahl von Menschen – ist nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch möglich. Laut einer Statistik des Pew Research Center steigt die Zahl der Menschen, die ein Alter über 100 Jahren erreichen. Zwischen 1990 und 2015 soll sich die Zahl der Überhundertjährigen vervierfacht haben. Ebenso wächst die Zahl der Supercentenarians – Menschen, die ein Alter von 110 Jahren und darüber erreichen. Als ältester Mensch, dessen Lebensdaten verifiziert werden konnte, gilt derzeit die Französin Jeanne Calment, die ein Alter von 122 Jahren erreichte. Sie starb 1997. Zwei Jahre darauf erreichte die US-Bürgerin Sarah Knauss immerhin 119 Jahre. Es existieren noch zahlreiche Berichte über Menschen, die angeblich noch älter wurden, deren Daten aber nicht bestätigt sind. Beispielsweise soll der Tunesier Ali Ben Mohamed El Amri im Jahr 2010 im sagenhaften Alter von 129 Jahren und 360 Tagen verstorben sein.

Wie die School of Medicine der Boston University in einer umfangreichen Studie ermittelte, leiden Menschen, die solch hohe Alter erreichen, bis kurz vor ihrem Tod nicht oder zumindest kaum an Krankheiten, die sonst mit einem gehobenen oder hohem Alter assoziiert sind. Darunter beispielsweise Demenz, Diabetes, Krebs, Parkinson, Herz- und Hirnschläge oder Gefäßkrankheiten. Solche Krankheiten sind es, davon sind Forscher überzeugt, die nicht nur Leid verursachen und Lebensqualität kosten, sondern einem Gros der Menschheit selbst bei moderner und guter medizinischer Grundversorgung wertvolle Lebensjahre rauben.

„Einer von zehn Menschen, die 65 Jahre und älter sind, leidet etwa an einer Form von Alzheimer“, sagte die Biotechnologin und Investorin Marianne Mertens während 1E9 THE CONFERENCE Ende 2021. Zahlreiche Unternehmen und Bio-Start-ups arbeiten daran, solche altersbedingten Krankheiten zu eliminieren oder zumindest effektiv therapierbar zu machen. „Es gibt Behandlungsmethoden, die bisher aber nur die Symptome lindern und Menschen einige wenige zusätzliche Jahre verschaffen,“ so Mertens, die für den Wagniskapitalfonds Apollo Health Ventures in zahlreiche Unternehmen investiert, die an effektiven Behandlungsmethoden forschen. Tatsächlich arbeiten weltweit zahlreiche Unternehmen an verschiedensten Ansätzen, die nachhaltige Therapien von altersbedingten Krankheiten ermöglichen oder diese komplett verhindern sollen.

Unter diesen ist das 2013 als Teil der Google-Familie gegründete Calico. Aber auch unabhängige oder von finanzkräftigen Fonds finanzierte Start-ups wie Biosplice, Insilico, Life Biosciences, Refox Pharma, Ochre Bio, Cambrian Biopharma und viele andere. Sie forschen beispielsweise an Methoden, um mit dem Alter auftretende Zellfehlfunktionen aufzuhalten und Zellschäden zu reparieren, die Alterskrankheiten bedingen. „Wir glauben, dass diese Krankheiten an ihrer Wurzel gepackt und behandelt werden können“, so Mertens. „Auf einem zellularen oder sogar molekularen Level.“

Mit Ergänzungsmitteln zum hohen Alter?

Viel Potential sehen Wissenschaftler und Immortalisten wie der Harvard-Forscher David Sinclair auch in schon bekannten und verfügbaren Medikamenten – und sogenannten Supplements, also Nahrungsergänzungsmitteln. Darunter die Nicotinsäure Nicotinamid-Mononukleotid, das Diabetesmittel Metformin, der Cholesterinsenker Statin oder das Antioxidanzmittel Resveratrol. Ihnen wird nachgesagt, dass sie bestimmte altersbedingte Erscheinungen verlangsamen oder sogar eine Anti-Krebs-Wirkung entfalten. Studien, die diese Wirkungen beim Menschen bestätigen oder etwaige Nebenwirkungen aufzeigen, sind bislang noch rar. Daher raten Wissenschaftler und Ärzte dringend von einer unbeaufsichtigten Nutzung dieser Mittel ab und sind vorsichtig, was deren zukünftige Nutzung im therapeutischen Rahmen angeht.

„Ich kommentiere ungern spezifische Wirkstoffe und Behauptungen [was die Wirkung bei Menschen angeht]“, sagt etwa Richard Miller von der University of Michigan gegenüber 1E9, der als einer der Pioniere der Altersforschung und der Behandlung von altersbedingten Krankheiten bei Mäusen gilt. Miller hat vor über 20 Jahren eine Zwergmaus namens Yoda genetisch verändert, um ihre Hypophyse, Schilddrüse und Insulinproduktion zu verändern und ihr Leben dadurch auf vier Jahre gestreckt – was rund 136 Menschenjahren entsprechen würde.

Laut Miller variiere „das Verhältnis von guter Wissenschaft, plausibler Spekulation und Humbug“ sehr stark, vor allem, wenn es um schon auf dem Markt verfügbare und frei verkäufliche Wirkstoffe geht, die das Altern verlangsamen sollen. Aber es gebe oft angepriesene Wirkstoffe, die durchaus „positive Auswirkungen auf das Überleben, die Krankheitsresistenz, die körperlichen und kognitiven Funktionen zu haben scheinen“, wenn sie bestimmten Versuchstieren wie Ratten oder Mäusen verabreicht werden.

Wir […] haben handfeste Anhaltspunkte, zumindest bei Versuchen mit Mäusen, das bestimmte Wirkstoffe die durchschnittliche und maximale Lebensspanne um bis zu 20 Prozent verlängern könnten.

Richard Miller

„Wir, also die wissenschaftliche Gemeinschaft, haben handfeste Anhaltspunkte, zumindest bei Versuchen mit Mäusen, das bestimmte Wirkstoffe die durchschnittliche und maximale Lebensspanne um bis zu 20 Prozent verlängern könnten“, sagt Richard Miller. Darunter sind unter anderem, wie Miller und andere Forscher über die vergangenen Jahre feststellten, das Krebsmedikament Rapamycin, der als Antidiabetikum genutzte Zucker Acarbose und 17-α-Estradiol – oder Alfatradiol –, das jedoch nur bei männlichen Mäusen eine Wirkung zeigte. Geht es nach dem US-Forscher, sei es richtig und wichtig, hier weiterzuforschen. Weitere Erkenntnisse könnten die „Entwicklung von Medikamenten anregen, die für Menschen ähnliche Vorteile bieten.“

Das maximale Alter?

Sollte die Entwicklung von Therapien für altersbedingte Krankheiten und lebensverlängernden Medikamenten gelingen, könnten viele Menschen in den kommenden Jahrzehnten sowohl länger gesund bleiben als auch älter werden. Tatsächlich ist die Todesursache bei zahlreichen Überhundert- und Überhundertzehnjährigen nicht krankheitsbedingt. Stattdessen kann ein aufgrund reduzierter Zellfunktionen altersgeschwächtes Organ wie das Herz, die Leber oder die Niere nach einem „kurzen Aussetzen“, wie es natürlich im Laufe des Lebens immer wieder auftreten kann, es nicht mehr schaffen, seine Funktion erneut aufzunehmen. Laut einer Studie der École Polytechnique Fédérale de Lausanne und der Chalmers and Gothenburg University sei es daher ab einer gewissen Altersgrenze schlichtweg eine Frage des Glücks, ob jemand noch seinen nächsten Geburtstag erlebt oder nicht.

Die Chance, dass jemand, der es bis 110 schaffte, noch 20 weitere Jahre erlebt, stehe beispielsweise „eins zu einer Million, was möglich, aber sehr unwahrscheinlich ist“, sagte Anthony Davison, einer der Co-Autoren der Studie. Aber was wäre die praktische Obergrenze für einen natürlich alternden, aber gesunden Menschen – und wieso? Das wollten Wissenschaftler des Forschungs- und Entwicklungsunternehmens Gero ermitteln und studierten den Alterungsprozess mehrere Menschengruppen aus den USA, Großbritannien und Russland.

Laut den im Mai 2021 in Nature Communications veröffentlichten Resultaten liege die Obergrenze eines natürlich und gesund alternden Menschen bei rund 150 Jahren. Zwischen einem Alter von 120 und 150 Jahren würde ein menschlicher Körper rapide und nachhaltig „seine komplette Resilienz“ und Regenerationsfähigkeit aufgeben. Rote Blutzellen, Muskelgewebe und Körperzellen werden nicht mehr so schnell neugebildet, was dazu führt, dass der Körper irgendwann einfach den Betrieb einstellt. „Wir kommen zu dem Schluss, dass die Kritikalität, die zum Ende des Lebens führt, eine intrinsische biologische Eigenschaft eines Organismus ist“, umschreiben die Autoren der Studie ihren Befund. Oder anders gesagt: Ein Mensch ist einfach dafür gedacht, mit fortschreitendem Alter zu sterben.

Junges Blut

Muss sich ein Körper wirklich nach vielen angehäuften Lebensjahren abschalten? Oder lässt sich die Biologie austricksen. Ganz einfach, indem ein Körper und dessen Funktionen nicht nur stabilisiert und therapiert werden, sondern indem der Körper jung gehalten, vielleicht sogar verjüngt und der Alterungsprozess umgekehrt wird? Diese Überlegung ist nicht neu. Bereits 1492 hoffte der Leibarzt des damaligen Papstes Innozenz VIII., den dem Tode nahen Kirchenvater mit einem gewagten Experiment neue Lebenskräfte zu verleihen. Getreu der biblischen Weisheit, dass „des Leibes Leben im Blute“ liegt, ließ er den Papst das Blut von drei zehnjährigen Jungen trinken.

Natürlich half der Versuch nichts. Innozenz VIII. starb nur wenig später. Aber ganz falsch lag der Kirchenarzt nicht. Im Jahr 1956 entdeckte der Biochemiker und Gerontologe Clive McCay bei einem verstörenden Experiment, dass „junges Blut“ tatsächlich eine revitalisierende Wirkung entfalten kann. Er nähte junge und alte Ratten an einer breiten Wunde aneinander, so dass sich deren Blutkreislauf verband. Er beobachtete, dass sich bei den älteren Ratten durch diese künstliche Parabiose über mehrere Monate prägnante Alterungserscheinungen umkehrten. Ihre Knochendichte erhöhte sich, ihre Muskeln wurden stärker und ihr Fell sogar glänzender: Es schien, als würden sie jünger. Aber vor allem: Die alten Ratten lebten bis zu fünf Monate länger als jene, die nicht an den Blutkreislauf eines Jungtiers angeschlossen waren.

Die Experimente von Clive McCay wurden über die Jahre von mehreren Forscherteams wiederholt. Mit ganz ähnlichen Resultaten. 2005 zeigten Forscher an der Stanford University School of Medicine, dass ein geteilter Blutkreislauf die Heilungsfähigkeiten älterer Nager verbessern kann. 2014 fanden Forscher an der Stanford University heraus, dass sich auch das Gehirn von Mäusen auf diese Weise anregen lässt, neue neuronale Verbindungen aufzubauen und besser zu funktionieren; fast als wären sie um einige Jahre verjüngt. Verantwortlich dafür sind wohl mehrere Wirkmechanismen. Wissenschaftler der Harvard University mutmaßen, dass die Proteine GDF11 und TIMP2 ein Teil davon sein könnten, deren Konzentration im Blut mit zunehmendem Alter abnimmt. Ein Team der University of Pittsburgh fand Ende 2021 zudem Hinweise auf Extracellular Vesicles, eine Art Botenstoff, der in Form von mRNA Baupläne für ein Protein namens Klotho codiert, das mit der Regeneration von Haut und Muskelgewebe in Verbindung gebracht wird.

Nun glauben einige Forscher, dass ein solcher Verjüngungseffekt durch junges Blut nicht nur bei Nagern, sondern auch bei Menschen erfolgreich sein kann. Seit 2016 bietet das US-Start-up Ambrosia aus dem kalifornischen Monterey Menschen über 30 Jahren eine Transfusion mit dem Blut von Spendern zwischen 16 und 25 an. Der umstrittene Milliardär Peter Thiel hat sich bereits früh auf die Warteliste setzen lassen. Zunächst wurde die Prozedur im Rahmen einer klinischen Studie durchgeführt, die 2018 abgeschlossen wurde. Aktuell müssen die Patienten bei einer einmaligen Behandlung 5.500 US-Dollar für einen Liter und 8.000 US-Dollar für zwei Liter an Blut für eine Transfusion zahlen.

Nach Kritik von Wissenschaftlern, verschiedener Pharmafirmen und einer Warnung der Food and Drug Administration vor solch einer Prozedur (aber nicht vor Ambrosia im speziellen) stellte das Unternehmen 2019 seinen Dienst kurzfristig ein. Bereits nach wenigen Monaten wurde der Betrieb wieder aufgenommen. Seitdem ist Ambrosia, wie die Firma gegenüber 1E9 bestätigt, im Geschäft und habe eine große Anzahl an Patienten behandelt.

Auch andere Firmen wie Alkahest und das Young Blood Institute experimentieren mit den verjüngenden und heilenden Effekten von „jungem Blut“ – oder zumindest Blutplasma. Bisher ist nicht gesichert, ob solche zeitweiligen Transfusionen einen nachweisbaren und anhaltenden Effekt erzielen können und menschliche Körper die gleichen Reaktionen zeigen wie Mäuse.

Zumindest in zwei bisherigen Studien konnte „kein plausibler Beweis für eine Auswirkung auf die Lebensspanne“, „ein Unterschied in der Sterblichkeit“ oder eine Auswirkung auf Degenerationserscheinungen durch Blut- oder Blutplasmatransfers festgestellt werden. Die Wissenschaftlerin Amy Wagers, die die Verjüngungswirkung von Blut bei Mäusen untersucht, kritisierte daher Firmen wie Ambrosia und das Young Blood Institute. Laut ihr gibt es keine Erkenntnisse oder Belege für eine Wirksamkeit, die Versuche an Menschen rechtfertigen. Jedoch arbeitet Wagners mittlerweile selbst bei einem Start-up namens Elevian, das in die gleiche Richtung forscht.

Kann Geld die Sterblichkeit besiegen?

Regelmäßige Bluttransfusionen von jungen Menschen, selbst wenn sie nachweislich funktionieren würden, um das eigene Leben zu verlängern und den alternden Körper vor dem Zerfall zu retten: Das ist eine gruselige Vorstellung, die spätestens durch die Serie Silicon Valley fest in der Popkultur verankert ist. Wohl auch daher suchen Milliardäre und Silicon-Valley-Visionäre nach einem anderen und „direkteren Wegen“, um der letzten Grenze zu entgehen. Wohlhabende Möchte-gern-Immortalisten investieren Millionenbeträge in Start-ups und Wissenschaftler, die eine Rückkehr der Jugend oder zumindest ein gesundes und verlängertes Leben durch revolutionäre Medikationen oder Gen-Therapien in Aussicht stellen.

Diese Entwicklung sieht Richard Miller durchaus positiv. „Ich bin froh, dass sich wohlhabende Menschen und Wirtschaftsgrößen jetzt für die Biologie des Alterns interessieren“, sagt er. Denn was Forschern oft fehlt, um von Experimenten zu Erkenntnissen und dann zu anwendbaren Medikamenten zu kommen, sind Ressourcen: Geld, Labore und mit-forschende Kollegen und Kolleginnen. Allerdings sei es, so Miller, nicht immer so einfach, zu unterscheiden – vor allem für wohlhabende Geldgeber –, „welche Ideen wirklich aussichtsreich und glaubhaft sind und welche nur Luftschlösser darstellen“.

Erst Ende 2021 wurde Altos Labs gegründet. Den Anstoß dazu gab ein Treffen des Mail.ru-Gründers und Facebook-Investors Juri Borissowitsch Milner mit mehreren Wissenschaftlern, die an Prozessen forschen, die zu einem Jungbrunnen führen könnten. Das unter der Leitung des Krebsforschers Richard Klausner arbeitende Unternehmen soll eine Methode entwickeln, um die „biologische Programmierung“ des Menschen zu verändern – und damit das Altern und auch Alterskrankheiten einfach abzuschalten. Bei einzelnen Zellen funktioniert das bereits. Ebenso war es Forschern gelungen, mit diesem Prozess bei einer kahlen Maus wieder Haare wachsen zu lassen.

Es ist unglaublich ehrgeizig, zu versuchen, das Altern zu heilen, und wir glauben, dass es Jahrzehnte dauern könnte, bis dieses Ziel erreicht ist, wenn es überhaupt erreichbar ist.

Brian Armstrong und Blake Byers

Laut Miller gibt es „viele wissenschaftliche, logistische und gesetzliche Hürden“ dabei, einen solchen Prozess für Menschen zu adaptieren. Daher werden von Altos derzeit Wissenschaftler aus aller Welt an mehreren Niederlassungen rund um den Globus rekrutiert und mit „Sportstar-Gehältern“ gelockt, wie MIT Technology Review berichtet. Gewinnen konnte Altos Labs unter anderem Juan Carlos Izpisúa Belmonte, der mit Stammzellen Muskelgewebe verjüngen will, und den bekannten deutsch-amerikanischen Biochemiker Peter Walter, der aufgrund seiner Arbeit rund um Proteinfaltung und Organzellen als Anwärter für den Nobelpreis für Medizin gilt. Alleine im Januar 2022 hat das Forschungsunternehmen ganze drei Milliarden US-Dollar von Investoren eingesammelt. Zu den Geldgebern gehören dabei nicht nur Milner, sondern auch Jeff Bezos und andere Silicon-Valley-Milliardäre.

Nur kurz nach Altos Labs wurde die Gründung von NewLimit öffentlich gemacht, das vom Milliarden-schweren Coinbase-Gründer Brian Armstrong und dem Standford-Forscher Blake Byers gestartet wurde. Das Ziel ist das gleiche wie bei Altos: eine Möglichkeit finden, um die epigenetische Reprogrammierung des Zell-Codes zu ermöglichen, den „[Alterungs-]Prozess zu verlangsamen, aufzuhalten oder umzukehren“, wie die Gründer ganz klar schreiben. Möglich werden soll das nicht nur durch erfahrene und geniale Wissenschaftler, sondern auch durch Künstliche Intelligenz.

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Die KI-Systeme von NewLimit sollen lernen, tierische und menschliche Zellen zu lesen und Änderungen festzustellen, die sich mit dem Alter ergeben – und dann herausfinden, wie sich diese Veränderungen zurückstellen lassen. „Es ist unglaublich ehrgeizig, zu versuchen, das Altern zu heilen, und wir glauben, dass es Jahrzehnte dauern könnte, bis dieses Ziel erreicht ist, wenn es überhaupt erreichbar ist“, meinen Brian Armstrong und Blake Byers. „Aber gerade deshalb halten wir es für dringend notwendig, heute damit zu beginnen.“

Tatsächlich ist ein Erfolg trotz all des Geldes und der renommierten Wissenschaftler keinesfalls garantiert. Dennoch ist die Hoffnung groß, dass Menschen bei einem Durchbruch irgendwann ganz selbstverständlich 100, 200 Jahre werden könnten – oder sogar noch älter –, wie manche Forscher und Investoren hoffen. Der umstrittene KI-Pionier und Bioinformatiker Aubrey de Grey ist sogar überzeugt, dass 1.000 Jahre irgendwann die durchschnittliche Lebenserwartung darstellen werden. Auch ist Aubrey de Grey sicher, dass grundsätzlich bereits sämtliche Biotechnik existiert, die für die Eingriffe nötig sind, um ein langes Leben zu ermöglichen. Es müssten nur noch die Schalter gefunden werden, die umgelegt werden müssen.

Richard Miller glaubt nicht daran. Oder ist zumindest sehr skeptisch, was solche Dimensionen angeht. Aber dass Menschen ihr Alter beeinflussen und Leben verlängern können, das sei nicht zu leugnen. Laut Miller gibt es ein paar sehr einfache Dinge, die jeder tun kann: Sport treiben, nicht rauchen, sich gesund ernähren beispielsweise. Die Lebensdauer einer Maus könne alleine durch eine gezielte Dosierung der aufgenommenen Kalorien um bis zu 40 Prozent gesteigert werden. Wer gesund und alt werden will, der kann also sofort darauf Einfluss nehmen. Ein Wunderelixier wie jenes des Grafen von Saint Germain, warnt Richard Miller, gibt es nicht. Zumindest noch nicht. Jeder, der einem eine allumfassende Therapie oder eine Pille verspricht, die jung und fit macht, „will dich reinlegen“, sagt Miller. „Meist für Geld.“

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Kleiner Vertipper hier :face_with_hand_over_mouth:

Schöner Artikel, muss bei der Art Thematiken immer an „Der 200 Jahre Mann“ denken und ähnliche Filme. Ich hab gestern erst die folge von Stargate gesehen, Staffel 2 Folge 4 (Virtueller Alptraum) wo die Menschen einfach mal locker flockig 1000 Jahre in einer Virtual Reality rumgedümpelt haben und dann, als wäre nichts gewesen, aus ihre Automaten steigen und wieder anfangen in der „echten“ (Das Universum ist eine Simulation-Theorie-Metaebene) Welt anfange zu leben, auf dem Planeten den Sie für tot und unbewohnbar gehalten hatten, der aber schon lange wieder bewohnbar ist. Mindestens einer dieses Volkes war gegen Ende der Folge am Durchdrehen.

In der Folge danach hat ein Mensch den Sarkophag der Goa’uld missbraucht und wurde stolze 700 Jahre alt, aber er war auch komplett wahnsinnig geworden.

Ich frage mich da schon, ob wir unterbewusst vlt. schon wissen, dass ein zu langes Leben uns mehr schadet als nützt. Ich jedenfalls kann mir nicht vorstellen so alt zu werden, mich gruselt das schon. Auf der anderen Seite, welche Wunder könnte man noch miterleben, wenn ich die Möglichkeit hätte so alt zu werden. Wahnsinn wäre das.

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Eines der m.E. brenzligsten Themen für soziale Spannungen der Zukunft.
Danke für diesen aktuellen Rundumblick.

Bis jetzt gibt es den großen Gleichmacher „Tod“. Der Sprössling eines Milliardärs kann dumm sein oder ein Pechvogel und die Familie wieder absteigen lassen.

Was aber, wenn die Macht und Wohlstand immer in denselben Händen bleiben, Wenn Reich sich dauerhaft und erfolgreich von Arm abkoppelt?

Literaturtipp:
„Die nackte Sonne“ von Asimov

LG, Stefan

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