Die Küche wird zur Farm, die Dusche zum Online-Shop und unsere Träume durch Sensoren optimiert

Die Stadt der Zukunft, das Zuhause der Zukunft, das Leben der Zukunft – darum ging’s auf der Consumer Electronics Show, die vor ein paar Tagen in Las Vegas endete. Mit ein bisschen Abstand vom Messetrubel gibt uns 1E9-Mitgründerin Daria eine Einschätzung, welche Konzepte überzeugend waren – und welche eher überflüssig.

Von Daria Saharova

Es sind nun ein paar Tage vergangen, seit die CES 2020 in Las Vegas ihre Türen geschlossen hat. Auf meinem langen Rückflug hatte ich Zeit, die vielen Antworten zu sortieren, die dort auf die Frage „Wie sieht unser Leben und Wohnen in der Zukunft aus?“ gegeben wurden. Kurz gesagt wird die Zukunft laut der CES smart, elektrisch und vernetzt sein. Aber was soll das genau heißen? Welche Lösungen und Produkte und welche Unternehmen werden dabei eine Rolle spielen? Vermutlich nicht alle, die auf der CES zu sehen waren. Denn nicht alles, was ich dort gesehen habe, war wirklich überzeugend, das als Vorwarnung vorab.

Toyota baut die Zukunftsstadt

Was mich wirklich beeindruckt hat, war die Woven City von Toyota. Der japanische Autohersteller brachte nicht nur Elektrofahrzeuge mit, sondern eine 360-Grad-LED-Installation einer eigenen Stadt der Zukunft. Diese ist nachhaltig, vernetzt und smart. Okay, das haben wir schon öfter gehört. Toyota bleibt aber nicht bei einem reinen Verkehrskonzept, sondern wird eine echte Stadt auf einem stillgelegten Fabrikgelände bauen. Es geht dabei neben der Integration autonomer Fahrzeuge auch um Robotik, automatisierte Wohnkonzepte und KI.

Gebaut wird auch nachhaltig, zum Beispiel sollen die Gebäude aus Holz bestehen. Die Energieversorgung übernehmen Solaranlagen sowie Brennstoffzellen, die mit Wasserstoff betrieben werden. Es gibt heute schon konkrete Pläne für die Automatisierung des Zuhauses, für die Gesundheitsversorgung und den Straßenbau. Das Ganze soll ab 2021 auf 175 Hektar mit 2.000 Mitarbeitern, ihren Familien und Wissenschaftler in der realen Umgebung getestet werden. Der dänische Stararchitekt Bjarke Ingels plant die Anlage.

Besteht die Smart City nur aus Autos?

Nach den durchaus imposanten Auftritten einiger Autobauer – nicht nur von Toyota – hatte ich also hohe Erwartungen, was die Ausstellung im dedizierten Bereich Smart City anging. Die wurden aber eher enttäuscht. Denn es war wenig Platz und auch hier lag ein Schwerpunkt auf Mobilität. Viel wurde über Robotaxis (Autox) und LiDar (Livox) gesprochen. Parken wandert außerdem in die Cloud und wird intelligent.

Weil Mobilität elektrisch werden soll, hat es mich wenig überrascht, dass auch viele Charging-Anbieter zu sehen waren. Wer vorne mit dabei? Amazon Home Services. (Ohnehin präsentierte sich Amazon als der Anbieter für Mobilität, Smart Homes und so weiter.) Außerdem haben Green Motion Car und Wallbox bidirektionale Ladestationen für zuhause ausgestellt. Die Autobauer machten auch mit, Audi zum Beispiel mit der E-Tron Smart Charging Function . Die deutschen Industriegiganten Siemens und Bosch durften auch nicht fehlen und stellten ihre Lösungen zur vernetzten Mobilität aus.

Ich hätte gerne noch mehr dazu erfahren, wie sich ganze neue Verkehrssysteme, auch mit Flugtaxis, auf die Städteplanung auswirken. Und wie sich die Nutzung von Gewerbeimmobilien verändern könnte. Dazu habe ich leider nichts gefunden.

Wir sollen überall zuhause sein – und sicher

„Anything is Home“ stand auf einem überdimensionalen Plakat von LG ThinQ. Man könnte den Spruch rückblickend auch zum Motto der ganzen Messe erklären. Durch die Konnektivität aller Geräte und Objekte und die Verlängerung des Wohnzimmers ins Auto soll man das Gefühl von Zuhause 24/7 erleben können. Trotzdem gab es natürlich einen eigenen Smart-Home-Bereich. Leider herrschte auch hier das typische Flair einer Messe. Und gefühlt gab es immer mindestens fünf Anbieter für das gleiche Produkt.

Der Fokus der meisten bekannten Anbieter lag auf Sicherheit und Zugang zu Gebäuden. Ring, der in Februar 2018 von Amazon für eine Milliarde Dollar übernommene Anbieter von vernetzten Klingeln, baute sogar ein ganzes Häuschen mitten im Pavillon auf, um die eigenen Produkte zu demonstrieren. Das Versprechen von Ring: Peace of mind inside . LG USA stellte eine Eingangstür mit integrierten Boxen für Pakete und Lebensmittellieferungen aus und warb ebenfalls für hohe Sicherheit. Genau wie viele andere Anbieter, die mir nicht alle in Erinnerung bleiben werden. Das Vertrauen in die eigene Haustür, die mit Technologie noch sicherer gemacht werden soll, scheint ein Riesenthema zu sein.

Die meisten Aussteller, insbesondere Start-ups, hatten eher kleinere Flächen, die sich oft kaum voneinander unterscheiden ließen. Zum Thema Zugang – oder: Haustür – habe ich den coolen schwedischen Anbieter Minut gefunden. Minut hat ein kamera-freies Sicherheitssystem fürs Zuhause entwickelt, das unter anderem Bewegungen aber auch Temperaturveränderungen registriert oder Alarmanlagen aus der Nachbarschaft hört. Im Juli 2019 verkündete das Start-up eine Finanzierungsrunde in Höhe von acht Millionen Dollar. Auf der CES habe ich mit einem ihrer ersten Venture-Capital-Investoren, karma.vc, gesprochen und war nicht nur von den Möglichkeiten des Produkts erstaunt, sondern auch davon, wie gut es bei den Konsumenten ankommt, dass es auf eine Kamera verzichtet.

Küchen, Badezimmer, Schlafzimmer…

…werden in der Zukunft selbstverständlich auch smart und intelligent. Das Internet der Dinge soll zur Intelligenz der Dinge werden, damit die Dinge uns das Leben erleichtern können. In der Küche soll nicht nur gekocht werden. Sie soll zu einem einzigen Kocherlebnis für den Nutzer werden. Die komplette Wertschöpfungskette des Kochens wird dabei von KI, Sensoren und – natürlich smarten – Geräten gemanagt.

Samsung, zum Beispiel, zeigte den Bot Chef, einen Roboter, der beim Kochen assistiert. Denn in der Zukunft sollen wir uns mehr entspannen und alles vorbereiten lassen. Nur für die Zutaten sollen wir verstärkt selbst sorgen. Im eigenen Zuhause oder zumindest in der Stadt angebautes Essen – durch Vertical Farming – wurde von einigen Unternehmen als Weg zur autonomen Selbstversorgung präsentiert. Besonders gefallen haben mir das Konzept HomeGrown von GE, bei dem das Essen in der Küche wächst, und das modulare System n.thing vom koreanischen Start-up Planty Cube, das kleine Indoor-Farmen möglich machen soll. Übrigens: Auch aus Investorensicht boomt Vertical Farming . Eine der größten Finanzierungsrunden in Deutschland legte vergangenes Jahr das Berliner Start-up infarm hin: 100 Millionen Dollar.

Interessanterweise fand ich weder im Health-und-Wellness noch im Smart-Home-Bereich die viel gehypten Cannabis Start-ups. Ist die Zukunft dafür nicht entspannt genug? Oder sind wir wegen der vielen smarten Produkte dann so entspannt, dass wir keine zusätzlichen „Hilfsmittel“ brauchen?

Löst das alles wirklich Probleme?

Beim Gang über die CES fragt man sich irgendwann, wie viele der gezeigten Dinge wirklich relevante Probleme lösen. Was bringt beispielsweise der smarte Mülleimer von Xiaomi Townew? Der Mülleimer besitzt einen automatischen Deckel und kann Müllsäcke versiegeln. Sinnvoll oder nicht? Das ursprüngliche Modell war anscheinend für Windeln gedacht, was aus meiner Sicht noch nachvollziehbar ist. Wenn wir schon dabei sind: Gab‘s auf der CES auch eine smarte Windel? Natürlich!

Kohler sorgte mit dem Bad der Zukunft für Aufmerksamkeit. Dieses Jahr das Produkt aller Produkte: ein Duschkopf, der mit Alexa steuerbar ist. Wie oft dachte man sich unter der Dusche nicht schon, dass man jetzt doch schnell die Einkäufe erledigen könnte? Mit von Partie war auch die intelligente Toilette, die mit der PureWarmth-App verbunden ist. Und mit Mateo kann man auf die Waage verzichten, denn ihr intelligenter Badteppich misst alles on the go . Haben wir davon nicht schon immer geträumt?

Apropos Träume! Auch die werden messbar und damit effizienter und tiefer! Denn wir können eine neue Tech-Kategorie willkommen heißen: Sleeping Tech . Das Bett der Zukunft verfügt über Sensoren, die Herzfrequenz, Puls, Schlafbewegung sowie das Klima messen und uns damit helfen sollen, das Schlafen zu optimieren. Nach zwei anstregenden Tagen auf der Messe, war die Sleeping-Tech-Testecke mein Lieblingsbereich. Die meisten er dort gezeigten Produkte stehen noch nicht zum Verkauf, aber hier wenigestens ein Name zu merken: Number Climate360. Zusätzlich zu smarten Betten gab es eine Menge an smarten Kissen, Uhren, Lampen, Kopfbänder.

Schweinefleisch gibt’s jetzt auch ohne Schwein

Zum smarten und vor allem zum nachhaltigen Leben gehören natürlich auch Essen und Trinken. Hier meine zwei CES-Picks aus diesem Bereich:

Der Champion: Impossible Foods stellte bei der CES 2020 Impossible Pork vor, ein pflanzliches Produkt, das sich von Geschmack und Aussehen her sehr dem Schweinefleisch ähnelt. Der Fleischersatz ist außerdem kosher und glutenfrei. Zum Testen gab es aber auch den klassischen fleischlosen „Rindfleisch“-Burger. Schmeckt wirklich lecker!

Der Newcomer: Zero Mass Water ist ein Start-Up-Ableger der Arizona State University und entwickelte eine sogenannte „Trinkwasser-Solaranlage“, mit der man Wasserdampf aus der Luft gewinnen und zu Trinkwasser kondensieren kann. Echt erfrischend!

Daria Saharova ist nicht nur Mitgründerin von 1E9, sondern auch Partnerin bein Venture Capital Fonds Vito ONE. Wer ihre Highlights kompakt zusammengefasst sehen will, kann dies in unserem Instagram-Kanal.

Titelbild: Toyota

Disclaimer: Darias Reise fand auf Einladung der BMW Group statt.

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Danke für den Input von der CES @Daria!

Ich muss mich ehrlich gesagt immer wieder daran erinnern, dass die Messe Consumer Electronics Show heißt, um mich nicht zu sehr zu ärgern :wink: Denn tatsächlich geht’s ja sehr oft darum, irgendwelche alltäglichen Dinge mit „Technologie“ anzureichern, um von Konsumenten höhere Preise zu verlangen. Ob das Leben dadurch wirklich viel besser wird, spielt erstmal keine Rolle.

Die Ansätze zum Vertical Farming finde ich total spannend. Mich würde mal interessieren, wieviel Ertrag man da eigentlich haben kann – und ob es dadurch einen wirklichen Effekt haben kann auf Anbauflächen, Lieferwege etc.? Mein Bauchgefühl sagt, dass gerade die Lösungen für den Haushalt noch eher die Dimensionen von Balkonkästen haben… Aber ist nur ein Bauchgefühl, dem ich mal nachgehen will.

Die Toyota-Stadt schaut zumindest im Video wirklich nach einem lebenswerten Ort aus. Vor allem, weil sie so grün ist und Fußgänger so viel Platz haben.

2 „Gefällt mir“

Endlich mal ein entspannter Tech-Trend :slight_smile:
Wenn man nicht nur die Traumdauer sondern auch den Inhalt der Träume optimieren will, helfen die Leute vom MIT Dream Lab.

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Sicher auf der CES 2021 dabei;-)

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Die Frage ist, woher das kommt… warum sich Gründer zum Beispiel mit solchen Produkten beschäftigen?

Es gibt unterschiedliche Lösungen, zum Beispiel gibt es in München ein Startup namens Argrilution. ihr Produkt ist in der Dimension einer Mikrowelle. Getrieben wird der Design durch die durchschnittliche Grösse der Küchen. Hier ist der Unterschied zwischen Europa (mehr kleinere Wohnflächen) und den USA (oft Häuser und grössere Flächen) riesig!

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Weil ihnen Investoren das Geld für sowas hinterherwerfen :-P?

Jein. Die Zeit für single smart product invests ist eigentlich vorbei… Ich würde lieber in die Potato auf Blockchain investieren!

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