Braucht die Europäische Union ihr eigenes Satelliten-Internet, um nicht von den USA und China abgehängt zu werden? Davon scheint die Europäische Kommission überzeugt. Ein Konsortium aus Luft- und Raumfahrtunternehmen soll daher ein Gegenstück zu Startlink und Co. aufbauen.
Von Michael Förtsch
Viel Zeit ist nicht mehr. Aber eigentlich sollte der Starlink genannte Internet-via-Satellitennetz-Dienst von SpaceX noch in diesem Jahr in Deutschland starten. Die ersten Kunden in Nordamerika nutzen es bereits in einer Beta-Fassung – und sind sehr angetan. Denn die rund 900 Satelliten, die derzeit im Orbit schweben, liefern bis zu 180 Megabit pro Sekunde an Download- und bis zu 40 Megabit pro Sekunde an Upload-Rate. Und das an Orten, wo sonst kaum oder sogar gar kein Internet zu bekommen ist. Vor allem für ländliche Regionen könnte Starlink eine gute Lösung sein. Aber auch Forscher und das Militär sehen darin großes Potential. Auch daher will die Europäische Union nicht der US-Firma alleine das Feld überlassen.
Die französische Zeitung Les Echos und Bloomberg berichten derzeit, dass die EU-Komission noch bis zum Start des Jahres 2021 eine Studie in Auftrag geben will, die ausloten soll, ob und wie eine europäische Alternative zu Starlink aussehen kann. Gleichzeitig sollen aber auch schon organisatorische Vorbereitungen anlaufen, um ein solches Netz auf den Weg zu bringen. Umgesetzt werden solle der Plan über ein Konsortium, das von Airbus angeführt und von Luft- und Raumfahrtentwicklern wie OHB, Arianespace und Satellitenunternehmen wie Thales Alenia Space, Eutelsat Communications und SES mitgetragen werden soll.
Rund sechs Milliarden Euro solle das Projekt kosten, soll eine Quelle aus der EU-Kommission Les Echos verraten haben. Der Aufbau von Starlink hingegen wird von SpaceX mit rund zehn Milliarden US-Dollar beziffert – also rund 8,15 Milliarden Euro. Das soll letztlich aus etwa 42.000 Satelliten bestehen, die die Welt umkreisen. Wie das EU-Gegenstück aufgebaut sein könnte, das steht noch nicht fest. Das sollte jedoch besser schnell geklärt werden, war bereits Monate vor der aktuellen Berichterstattung von verschiedenen Unternehmen gemahnt worden.
OneWeb hätte das EU-Starlink sein können
Das europäische Satellitennetz soll ein ökonomisches Gegengewicht zum US-amerikanischen Starlink aber auch vergleichbaren Projekten wie Projekt Kuiper von Amazon oder bereits ebenso in Arbeit befindlichen Gegenstücken aus China schaffen. Auch solle es die EU technologisch unabhängiger und resilienter machen. Erst Anfang des Jahres hatte sich Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, für eine „technische Souveränität“ der EU ausgesprochen. Sie sagte, die EU müsse auch Technologien „basierend auf ihren ihren Werten und unter Einhaltung eigener Regeln“ entwickeln und betreiben können.
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Jetzt Mitglied werden!Mit OneWeb – ehemals WorldVu Satellites – war als rein privatwirtschaftliche Initiative bereits 2012 ein europäisches Konkurrenzprojekt zu Starlink gestartet. Einst gegründet auf den britischen Kanalinseln und heute beheimatet in London hatte OneWeb bis 2014 gemeinsam mit SpaceX Pläne für ein Satellitennetz erarbeitet. Aber aus unklaren Gründen gingen beide Unternehmen dann aber getrennte Wege. Bis März 2020 hatte OneWeb schon 74 Satelliten in den Orbit gebracht. Ende des gleichen Monats musste das Unternehmen dann Insolvenz anmelden.
Im Juli 2020 wurde OneWeb dann zu Teilen von der britischen Regierung und dem indischen Kommunikationsdienstleister Bharti Global übernommen. Mittlerweile geht die Arbeit daher weiter. Binnen 18 Monaten soll das Netzwerk für erste Kunden bereit sein. Durch den Brexit werden Großbritannien und damit auch OneWeb nicht mehr in der EU sein.
Teaser-Bild: Getty