Der Wissenschaftler, der angeblich die ersten gen-manipulierten Babys erschuf, muss ins Gefängnis

Der chinesische Wissenschaftler He Jiankui, der 2018 die Geburt zweier mit der Gen-Schere CRISPR manipulierter Babys verkündete, war eine ganze Weile abgetaucht. Seine Forschung sorgte unter Wissenschaftlern weltweit für Empörung. Nun ist er in China zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt worden. Unsicher bleibt, ob er tatsächlich geschafft hat, was er behauptet.

Der Wissenschaftskrimi um die ersten genmanipulierten Kinder der Welt hat, wie es scheint, vorerst ein Ende gefunden. Am 25. November 2018 hatte der chinesische Wissenschaftler He Jiankui in einem Video seinen Durchbruch verkündet. Er und sein Team an der Southern University of Science and Technology im chinesischen Shenzhen gaben an, zwei Embryonen modifiziert zu haben, bevor sie in die Gebärmutter einer Frau eingesetzt wurden. Neun Monate später seien „zwei wunderschöne kleine chinesische Mädchen namens Lulu und Nana weinend und so gesund wie jedes andere Baby zur Welt“ gekommen, sagte He Jiankui damals.

Der Wissenschaftler erklärte, dass er die gerne als Gen-Schere bezeichnete Technik CRISPR/Cas9 verwendet hat, um die Erbanlage für CCR5-Rezeptoren aus den Genen der Kinder zu entfernen. Dadurch seien sie, das ist zumindest die Hypothese der chinesischen Genetiker, immun gegen das HI-Virus. Die Eltern der Kinder stammten laut He Jiankui aus einer Aids-Selbsthilfegruppe – und hofften, so ein gesundes Kind zu bekommen. Abseits des Eingriffes seien die Mädchen aber unverändert, hieß es. Die Kinder seien keine Designer-Babys und es hätte auch keine Manipulationen gegeben, um sonstige genetische Vor- oder Nachteile ihrer DNA auszugleichen.

Wissenschaftlich interessant, aber ethisch fragwürdig

Zwei Tage nach der Videoenthüllung erklärte He Jankui seinen Eingriff auf der Tagung Second International Summit on Humane Genome Editing. Dort offenbarte er auch, dass noch eine weitere Frau mit einem von ihm modifizierten Kind schwanger sei. He Jankuis Auftritt und seine Forschung sorgten für einen Aufschrei und eine Debatte in der Wissenschaft. Der Tenor: Die Geburt der Kinder sei eine wissenschaftlich interessante, aber ethisch sehr fragwürdige Leistung. Insgesamt 122 Wissenschaftler verurteilten die Gen-Manipulation in einem Schreiben als Verletzung der Menschenrechte, die „der Vertrauenswürdigkeit der Wissenschaft schweren Schaden zugefügt“ habe.

Genetische Manipulation an Menschen ist für zahlreiche Wissenschaftler ein Tabu. Einerseits weil die Langzeitfolgen genetischer Eingriff vielfach noch unerforscht und damit unvorhersehbar sind. Aber ebenso, weil sich daraus ethische, moralische, aber auch religiöse Fragen ergeben, die gesellschaftlich noch nicht abschließend debattiert wurden. In zahlreichen Industrienationen wie Deutschland, weiteren EU-Staaten und den USA sind Eingriffe wie sie der chinesische Forscher vorgenommen hat, verboten.

He Jiankui soll Universität und Krankenhaus getäuscht haben

Nach dem Auftritt auf der Tagung in Hongkong blieb He Jiankui zunächst verschwunden. Angeblich war er von seiner Universität, die nach eigenen Angaben nicht über die Experimente informiert war, zurückbeordert, beurlaubt und unter Hausarrest gestellt worden. Parallel dazu wurden durch den Medizinischen Ethikrat der Stadt Shenzhen und die Nationale Gesundheitskommission Chinas Ermittlungsverfahren gegen den Wissenschaftler eingeleitet. Im Januar meldete die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua dann, dass der Forscher nach ersten Erkenntnissen zahlreiche Gesetze gebrochen habe. Er habe „gegen die Ethik und die Integrität wissenschaftlicher Forschung verstoßen“.

Am Montag erging ein Urteil gegen He Jiankui. Der Forscher wurde zu drei Jahren Haft und einer Geldzahlung von drei Millionen Yuan – rund 380.000 Euro – verurteilt. Die genetische Manipulation der menschlichen Embryonen sei illegal gewesen und sei laut dem Urteil nur aus dem Streben „nach persönlichen Ruhm und Vorteil“ durchgeführt worden. Ebenso habe He Jiankui seine Universität und das Krankenhaus, in dem die Eingriffe vorgenommen wurden, vorsätzlich getäuscht und die Versuche unzureichend dokumentiert. Auch zwei Kollegen von He wurden in Regress genommen und zu mehrmonatigen Haft- und hohen Geldstrafen verurteilt.

Ist der chinesische Wissenschaftler auch noch ein Hochstapler?

Zeitgleich mit der juristischen Aufarbeitung des Falls, begann auch die wissenschaftliche: Anfang Dezember konnten mehrere Wissenschaftler die Unterlagen und die Birth of Twins After Genome Editing for HIV Resistance überschriebene Studie von He Jiankui einsehen, die unter anderem Technology Review zugespielt worden waren. Danach meldeten die Experten Zweifel daran an, dass die genetischen Eingriffe wirklich zielführend waren. Zahlreiche von He aufgestellte Behauptungen würden nicht durch Daten gestützt und das angebliche Ausschalten der CCR5-Rezeptoren sei durch die Unterlagen nicht belegbar.

Laut einem Bericht der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua sollen die drei zur Welt gekommenen Kinder, die He Jiankui modifiziert hat, auf Dauer unter gesundheitlicher Beobachtung bleiben.

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