Bundesagentur für Sprunginnovationen sucht radikal neue Energiespeicher und Computing-Konzepte

Teams, die an radikalen Innovationen arbeiten, um die Energiewende zu meistern oder ein neues Computerzeitalter einzuläuten, können sich ab jetzt um eine Finanzierung bei der Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND bewerben. Denn diese startet zwei neue Challenges, also Innovationswettbewerbe. Vielversprechende Projekte können mehrere Millionen Euro erhalten – und das in einem Auswahlverfahren, das schnell und unbürokratisch ablaufen soll.

Von Wolfgang Kerler

Weg von dreckigem Kohlestrom, umstrittener Atomkraft und vom russischen Gas: Der Ausbau der erneuerbaren Energien dient nicht mehr nur dem Klimaschutz, sondern auch der geopolitischen Unabhängigkeit. Doch das Errichten von Solarpaneelen und Windrädern alleine wird aus Sicht von Experten nicht reichen, um die Energiewende zum Erfolg zu führen. Nur in Kombination mit Energiespeichern, die überschüssigen Strom an sonnigen und windigen Tagen aufnehmen und abgeben, wenn es dunkel und windstill ist, können Erneuerbare genauso grundlastfähig werden wie konventionelle Kraftwerke.

Gerade in Deutschland hinkt der Ausbau von Speichern, die Energie über viele Stunden, Tage oder sogar Wochen aufbewahren können, hinterher. Obwohl es vielversprechende Technologien gibt: Von günstigen und ungiftigen Eisen-Salz-Batterien über Hubspeicher aus Beton bis zu urzeitlichen Mikroorganismen, die Strom in Gas verwandeln, entwickeln insbesondere Start-ups bereits jetzt neue Ansätze.

Um derartige Innovationen – genau wie disruptive Ideen, über die vielleicht noch gar nicht berichtet wurde – schneller zum Erfolg zu bringen, kündigte die SPRIND im Juli 2022 beim Festival der Zukunft von 1E9 und Deutschem Museum ihre neue Challenge zum Thema Long-Duration Energy Storage an, für die ab sofort und bis zum 16. Oktober Bewerbungen über ein Online-Formular entgegengenommen werden.

Gesucht werden technologische Ansätze, „die eine langfristige, effiziente und kostengünstige Energiespeicherung ermöglichen“. Kriterien, auf die es ankommt, sind „die Rohstoff- und Systemkosten, die Selbstentladung, der Wirkungsgrad der Speicherung, die Lebensdauer, die Energiedichte und die technische und ökonomische Skalierbarkeit der Projektidee“. Bewerben können sich neben Start-ups auch etablierte Firmen, Universitäten und andere Forschungseinrichtungen aus Europa.

Wird ein Team ausgewählt, kann es in Stufe 1 der Challenge, die ein Jahr dauert, bis zu eine Millionen Euro von der SPRIND plus Coaching bekommen. Nach diesem Jahr entscheidet eine Jury, ob das Team Teil der Challenge bleiben kann, dann gibt es über eineinhalb Jahre noch mehr finanzielle Unterstützung. Um Ideen dann auch wirklich auf den Markt zu bringen, können Projekte auch nach dem Ende der Challenge Unterstützung bekommen.

Computer der Zukunft müssen nicht unbedingt Quantencomputer sein

Auch die Online-Bewerbung für die zweite neue SPRIND-Challenge zu New Computing Concepts, die ebenfalls beim Festival der Zukunft angekündigt wurde, ist inzwischen möglich. Dabei erhofft sich die Bundesagentur Ideen für Computer der Zukunft, die nicht nur mit den stetig wachsenden Datenmengen aus unzähligen Sensoren oder dem Internet umgehen können, oder immer komplexere Modelle der Künstlichen Intelligenz ermöglichen, sondern auch mehr Energieeffizienz.

Denn wächst der Energieverbrauch für Computing und Kommunikation weiter wie bisher, „wird er bereits im Jahr 2040 die gesamte, weltweite Kapazität zur Energieproduktion einnehmen“, schreibt die SPRIND. Die Projekte, nach denen sie jetzt sucht, können entweder einen generalistischen Ansatz verfolgen oder eine spezielle Frage angehen, „zum Beispiel die Lösung von partiellen Differentialgleichungen, oder ein spezifisches Problem, dessen Lösung einen signifikanten Wissensgewinn verspricht“.

„Wir suchen nicht nach Quantencomputern“, sagte Rafael Laguna de la Vera, der Direktor der SPRIND, beim Festival der Zukunft über die neue Challenge. „Wir freuen uns sehr, dass so viele Mittel in Quantum fließen, das ist großartig. Aber wir suchen nach dem ganzen Rest.“ Quanten-Computing sei nur die „Spitze des Eisbergs“.

Jano Costard, Challenge Officer der SPRIND, ergänzte, dass es um Konzepte jenseits der digitalen Computer gehe – auch wenn diese über die vergangenen Jahrzehnte so erfolgreich waren, dass man gar nicht über Alternativen nachdenken musste. „Doch jetzt stoßen wir auf Grenzen, die wir überwinden müssen.“ Mit der Challenge wolle die SPRIND daher in einer ersten Stufe theoretische Konzepte ausmachen, die einen völlig anderen Weg beschreiten: „Egal, ob es sich dabei um Neuromorphic Computing handelt oder um Reservoir Computing oder sogar um molekulares Computing handelt, also DNA, die für Berechnungen genutzt werden könnte – wir sind in an all diesen Ansätzen interessiert“, so Costard.

Die Computing-Challenge richtet sich an die gleichen Zielgruppen wie der Aufruf zu Energiespeichern, die Modalitäten sind allerdings etwas anders. Die erste Stufe dauert nur neun Monate, die Finanzierung beträgt bis zu 250.000 Euro pro Team. Bewerbungsschluss ist der 2. Oktober.

Aus Grundlagenforschung erfolgreicher Produkte machen

Im Dezember feiert die Bundesagentur SPRIND ihren dritten Geburtstag. Ende 2019 wurde sie von der Bundesregierung gegründet, um ein seit Jahrzehnten diskutiertes, aber bis heute nicht wirklich gelöstes Problem zu lösen. Rafael Laguna de la Vera sprach es auch beim Festival der Zukunft an: Deutschland sei zwar gut darin, durch Grundlagenforschung neue Technologien zu entwickeln. „Aber wir sind nicht gut darin, diese Technologien raus in die Welt zu bringen und in nützliche Produkte zu verwandeln.“ Eine der größten Hürden sei die in Deutschland und Europa fehlende Finanzierung – vor allem, wenn es um Deep-Tech-Innovationen und Hardware gehe.

Firmen wie Siemens, Bosch oder Bayer, die immer noch die deutsche Wirtschaft tragen, seien Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet worden. „Das ist sehr lange her“, so Laguna de la Vera. „Doch immer noch sorgen diese Firmen für den Wohlstand, den wir alle in diesem Land genießen. Daher müssen wir jetzt neue, disruptive Innovationen erschaffen, um neue derartige Firmen zu gründen.“

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Dafür müsse das „Tal des Todes“ überbrückt werden, in dem Erfinderinnen und Gründer, die aus Hochschulen- und Forschungseinrichtungen heraus Deep-Tech-Firmen starten wollen, hierzulande zu oft das Geld ausgeht. „Hier kommen wir ins Spiel und helfen“, so Laguna de la Vera Überzeugende Projekte könnten von der Bundesagentur durchaus vergleichsweise unbürokratisch Millionensummen bekommen.

Das Vorbild der SPRIND ist die Forschungsbehörde DARPA des US-Militärs, die seit Jahrzehnten die Entwicklung von bahnbrechenden Technologien vorantreibt – und ohne die es vermutlich weder die Covid-19-Impfstoffe, noch GPS, PCs oder das Internet gegeben hätte. Auch das Konzept der Challenges, die Innovationen hervorbringen sollen, stammt aus den USA. Anders als die DARPA schließt SPRIND allerdings die Förderung militärischer Projekte aus. Außerdem verfügt die Bundesagentur noch nicht über das Milliardenbudget der Amerikaner. Für die Jahre 2019 bis 2022 stellte die Regierung erst einmal 151 Millionen Euro bereit.

Titelbild: Jano Costard und Rafael Laguna de la Vera präsentierten die neuen SPRIND Challenges, Hans-Martin Kudlinski für 1E9

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