Will Deutschland mit Deep Tech erfolgreich sein, muss es dem Bürokratiemonster an den Kragen

Vielversprechende Technologie-Start-ups werden in Deutschland zu oft von Bürokratie ausgebremst oder verunsichert – sei es, weil Rechtssicherheit fehlt oder das staatliche Beschaffungswesen undurchsichtig ist. Das muss sich ändern, wenn das Land seine Technologieführerschaft in neue Industrien überführen will.

Ein Debattenbeitrag von Thomas Lange

Ja, es gibt sie, die Zukunftstechnologien, in denen Europa weltweit führend ist. Oder sagen wir: führend sein könnte. In keiner anderen Weltregion etwa gibt es so viele Unternehmen, die an sogenanntem Kulturfleisch arbeiten, also an Fleisch, das zwar aus tierischen Stammzellen gewonnen wird, aber nicht am Huhn oder Rind heranwächst, sondern im Bioreaktor. In den Genuss dieser Innovationen werden aber zunächst nur Gourmets in Amerika, Singapur und Israel kommen. Dort sind entsprechende Produkte nämlich bereits zugelassen – anders als in Europa.

Auch in Deutschland haben wir die Chance, weltweit führend in Deep Tech zu werden – also genau in den auf gründlicher wissenschaftlicher Forschung aufbauenden Technologiefeldern, auf denen die Industrien von morgen basieren. Doch immer wieder bremsen Bürokratie und Regulatorik den Fortschritt.

Die Bundesregierung hat das Thema grundsätzlich erkannt und ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz auf den Weg gebracht. Es soll die Wirtschaft jährlich um fast 950 Millionen Euro entlasten und umfasst unter anderem Maßnahmen wie die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für steuerliche und handelsrechtliche Unterlagen.

Diese Maßnahmen sind wichtig, gehen aber nicht weit genug. Die Diskussionen über den Zusammenhang von Bürokratie, Regulatorik und Innovation werden bislang entweder zu pauschal geführt („Bürokratiewahnsinn“) oder so kleinteilig, dass nur noch wenige Experten mitreden können. Dazwischen gibt es wenig. Ein fortschrittsfördernder Ansatz würde sich aber dadurch auszeichnen, dass er die langfristige strategische Vision und die schrittweise Umsetzung technologischer Roadmaps zusammendenkt.

Für Deep Tech ist das besonders wichtig. So geht es bei der Fusionsenergie etwa vor allem um frühzeitige Planungs- und Rechtssicherheit für den Bau von Demonstratoren – und später für den Betrieb von Kraftwerken. Eine angemessene Regulatorik muss dabei insbesondere dem Umstand Rechnung tragen, dass Fusionsenergie im Vergleich zur Kernkraft erheblich sicherer ist und zudem kaum radioaktiver Müll anfällt.

Bei innovativen Weltraumtechnologien, wie zum Beispiel Microlaunchern, geht es vor allem um die öffentliche Beschaffung. Als Ankerkunde könnte der Staat einer ganz neuen Weltraumökonomie zum Durchbruch verhelfen. Und nur wenn Europa zu einem Leitmarkt für New Space wird, werden wir auch globale Leitanbieter hervorbringen können.

Bei Quantentechnologien dürften sich regulatorische Herausforderungen nicht zuletzt aus deren Dual-use-Natur ergeben, also der potentiell militärischen Nutzbarkeit von Quantencomputern, Quantensensoren und Quantenkommunikation. Dabei werden berechtigte Sicherheitsinteressen immer wieder mit der notwendigen Offenheit für internationalen Handel und ausländische Investoren in Einklang zu bringen sein.

Spezialisierte Fonds und eine Task Force für Deep-Tech-Regulatorik

Ein guter Anknüpfungspunkt, die Regulatorik im Deep-Tech-Bereich vorausschauend und innovationsförderlich mitzugestalten, könnten spezialisierte Wagniskapital- und Wachstumsfonds in den jeweiligen Technologiefeldern sein. Diese Fonds könnten – obwohl privatwirtschaftlich finanziert – strukturelle Schnittstellen zu Behörden und zur Regierung vorsehen. Ähnlich wie bei der J-Startup-Initiative in Japan oder dem Japan Space Fund ließen sich so Innovation und Regulatorik im regelmäßigen Austausch früh synchronisieren.

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Des Weiteren könnte die Bundesregierung eine Task Force für Innovation und Regulatorik einrichten, die eine ähnliche Stellung wie der Normenkontrollrat hat, aber „aktivistischer“ agiert. Dieses Team von Praktikerinnen und Praktikern könnte regulatorische Schmerzpunkte aus den verschiedenen Deep-Tech-Communities und -Branchen zusammentragen, sie verständlich aufbereiten und regelmäßig Vorschläge unterbreiten, wie die Regierung Innovationshindernisse aus dem Weg räumen kann. Dazu gehören auch Freiheitszonen und sogenante Sandboxes, die eine Erprobung innovativer Regulatorik erlauben.

Auf diese Weise könnten wir dem Bürokratiemonster in Deutschland an den Kragen gehen – und im Bereich Deep Tech zu einem der Leitmärkte für die Industrien von morgen werden.

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