Der Kurznachrichtendienst Twitter wird vielfach genutzt, um Falschinformationen und Verschwörungstheorien zu verbreiten. Das soll sich ändern. Noch vor der US-Präsidentschaftswahl könnte Twitter einen Warnhinweis einführen, der Tweets kennzeichnet und korrigiert, die Fake News verbreiten.
Von Michael Förtsch
Die Liste der Washington Post umfasst mittlerweile über 16.000 Einträge. So oft soll der US-Präsident Donald Trump seit seinem Amtsantritt „falsche oder irreführende“ Behauptungen aufgestellt haben. In seinen Reden und in Interviews nimmt er es mit der Wahrheit und Faktenlage demnach nicht immer besonders genau. Rund ein Fünftel der Unwahrheitenliste verweist auf Posts auf dem Twitter-Account von Trump. Denn der US-Präsident benutzt den Kurznachrichtendienst sehr oft, um spontan emotional geladene Aussagen und Ankündigungen zu verbreiten. Allein im Januar twitterte Trump über 5.000 Mal. Werden aktuelle Pläne von Twitter realisiert, könnten zahlreiche Tweets von Trump zukünftig mit einem Warnhinweis versehen sein.
Ebenso wie Facebook war auch Twitter in den vergangenen Jahren mehrfach und heftig kritisiert worden. Denn immer wieder wurde die Plattform missbraucht, um gezielt Falschinformationen und Verschwörungstheorien zu verbreiten – vor allem im politischen Umfeld. Da sah das Unternehmen, wie auch Twitter-Chef Jack Dorsey schon vor zwei Jahren eingestehen musste, einiges an Nachholbedarf. Das mit den Fake News „haben wir noch nicht ausgetüftelt“, sagte er damals. Nun gelangten vorläufige Pläne ins Internet, die zeigen, wie Twitter zukünftig mit Fehlinformationen und Lügen umgehen könnte – vor allem welchen, die von Accounts mit zahlreichen Followern abgesetzt werden.
Ganz ähnlich wie Facebook könnte auch die Kurznachrichtenplattform bald mit zertifizierten Faktenprüfern, Journalisten und Experten zusammenarbeiten. Diese sollen dann die Inhalte von kontroversen Tweets überprüfen, die beispielsweise von Politikern, Parteien oder öffentlichen Personen abgesetzt werden. Aber nicht nur: Denn Nutzer sollen mittels eines Community-Systems auch aktiv Tweets zur Überprüfung melden können. Bewährt sich ein Nutzer als zuverlässiger Hinweisgeber, könnte er mit einem sichtbaren Abzeichen in seinem Account belohnt werden und digitale Punkte sammeln, die seinen Meldungen an Twitter mehr Gewicht verleihen.
Große Warnschilder für Fehlinformationen
Werden die Inhalte von Tweets als falsch oder irreführend identifiziert, sollen sie mit einer farblichen Kennzeichnung versehen werden. Sie soll in einem matten Orange und Rot darauf hinweisen, dass der Post die Leser in „gefährlicher Weise“ täuschen würde. Direkt unter dem Hinweis selbst sollen Textfelder mit Korrekturen von einem oder sogar mehreren Faktenprüfern angebracht sein, die den Tweet richtigstellen. Die sollen ähnlich groß angezeigt werden wie der Tweet selbst. Gleichzeitig soll die Reichweite des entsprechenden Tweets eingeschränkt werden. Bildschirmfotos einer Demonstration, die NBC News zugespielt wurden, zeigen entsprechende Hinweise unter Tweets von US-Politikern wie Bernie Sanders und Kevin McCarthy.
Zwischenzeitlich bestätigte Twitter die Pläne. Das Unternehmen arbeite an einer „ganzen Zahl von Möglichkeiten, Fehlinformationen anzugehen und Tweets in einen Kontext einzubetten“, heißt es von Twitter. Die farbigen Kennzeichnungen und Melde- und Korrekturmöglichkeiten seien eine „mögliche Iteration“. Aber wie und wann diese letztendlich umgesetzt werden könnten, das sei noch offen. Jedoch ist es sehr wahrscheinlich, dass Twitter seine Pläne noch vor den kommenden Präsidentschaftswahlen in den USA ausrollt, die am 3. November abgehalten werden.
Bereits Anfang März will Twitter eine andere Richtlinie umsetzen. Zukünftig will der Kurznachrichtendienst damit beginnen, „manipulierte Medien“ als solche zu kennzeichnen oder zu entfernen, wenn sie Schaden anrichten könnten. Gemeint sind damit unter anderem Deepfake-Videos oder Videos, die „signifikant verändert“ wurden, um Situationen gezielt zu verfälschen und damit „die körperliche Unversehrtheit von Menschen“ gefährden oder „gesellschaftliche Unruhen“ hervorrufen könnten, wie Twitter ausführt. Damit zieht Twitter in diesem Bereich mit Facebook gleich, das bereits Anfang Januar angekündigt hatte, Deepfake-Videos zu entfernen.