Pneumo Planet: Ein Architekt aus Österreich plant eine aufblasbare Basis für den Mond

Die Europäische Raumfahrtorganisation ESA will auf den Mond und dort eine dauerhafte Basis errichten. Eine der aussichtsreichen Ideen dafür stammt aus Österreich. Ein Architekt aus Wien hat einen Plan für ein Habitat entwickelt, das sich einfach aufblasen lässt.

Von Michael Förtsch

Der 12-jährige Adolar muss leise sein, wenn er auf seine Erkundungstouren geht. Auf Zehenspitzen schleicht er immer wieder aufs Dach, wenn seine Eltern bereits schlafen. Dabei hat er seinen Hund Schnuffi und einen Geigenkasten. Wenn er diesen öffnet, kann es los gehen. Denn in dem Kasten steckt keine Geige, sondern ein aufblasbares Raketenraumschiff aus Gummi und Kunststoff. Binnen Sekundenbruchteilen entfaltet es sich und thront dann auf der Dachterrasse. Nachdem es seine Zugangsrampe ausgefahren hat, steigt Adolar ein, schnallt sich auf dem Pilotensitz fest und fliegt zu den Sternen. Er landet auf Märchenplaneten, Monden voller Maschinenwesen und vielem mehr. Das ist die Handlung der erstmals 1969 ausgestrahlten ungarischen Trickfilm-Serie Adolars phantastische Abenteuer.

Der österreichische Architekt Thomas Herzig hat von der Serie noch nie etwas gehört. Aber: „Ich werde sie mir ansehen“, sagt er im Gespräch mit 1E9. Denn er hat Ideen, die denen des Kindergenies aus der TV-Serie nicht unähnlich sind. Er plant nämlich eine Raumstation auf dem Mond, die genau wie die fiktive Weltraumrakete einfach aufgeblasen werden soll. Erfahrung damit hat Herzig. Schon im Jahr 2005 kam ihm die Idee, aufblasbare Bauelemente zu entwickeln – basierend auf dem Zellen- oder Blasenprinzip, wie es in der Natur zu beobachten ist. Dabei werden größere Strukturen aus zahlreichen Hohlräumen konstruiert, die sich gegenseitig stützten und stabileren. Diese Technik kommt schon seit Jahren bei Traglufthallen zum Einsatz. Herzig entwickelte das Prinzip mit seiner Firma Pneumocell weiter, so dass sich verschiedenste Bauteile zu komplexen Strukturen verknüpfen und verbinden lassen.

„Ich dachte mir, so etwas wäre ideal für die Polarforschung“, erklärt er. „Etwa für eine flexible, bewegliche Unterkunft – für das Forschen und Wohnen.“ Einen Polarforscher hat Herzig, wie er scherzhaft einräumt, zwar nie als Kunden für seine „pneumatischen Membrankonstruktionen“ gewinnen können, aber so einige andere. Er hat mit seiner Firma bereits Fahrzeughangars, Gewächshäuser, provisorische Dächer, Pavillons für Messen und sogar eine drei Stockwerke hohe Nachbildung des Guggenheim-Museums für ein Kunstevent in Wien realisiert. Alles aus transparenten Folienkonstruktionen, die mit Luft gefüllt werden. „Sie sind sehr belastbar, die gehen nicht so einfach kaputt“, sagt er. Daher war sich der Architekt schon früh sicher, dass damit noch mehr geht – und seine Aufblasbauten auch jenseits der Erde tauglich sein könnten. Etwa auf dem Mond. Und darüber hinaus.

Kein dunkler Ort

Sonderlich viel sehen würde man von der Mondbasis nicht, die der Architekt Herzig mit Unterstützung der Astrophysiker Gabor Bihari und Norbert Kömle geplant hat. Denn die Aufblasstrukturen sollen nicht einfach auf die Mondoberfläche gesetzt werden. Dort wären sie schutzlos den enormen Hitze- und Kälteschwankungen ausgesetzt – sowie den Mikrometeoriten, die selbst Habitaten aus Metall gefährlich werden könnten. Stattdessen sollen Tunnel-, Blasen- und Schlauchelemente der Pneumo Planet getauften Anlage in Gräben gesetzt und mit dem staub- und felsartigen Regolit überschüttet werden, das die Mondoberfläche bedeckt. „Die Strahlung, die Temperaturen, das ist alles etwas, das man bedenken muss“, sagt Herzig. Die beste Methode, dem zu begegnen, sei einfach, die Anlage unter die Erde zu bringen. Vier bis 16 Meter sollen es sein, um idealen Schutz und eine gleichbleibend angenehme Temperatur im Inneren zu garantieren.

Dennoch soll die Station kein Ort der Dunkelheit sein. Ganz im Gegenteil. Die für 32 Astronauten ausgelegte Anlage soll über 16 jeweils 240 bis 245 Quadratmeter große Gewächshäuser in Form eines Donuts verfügen. Sie sollen in einen Vulkan-gleichen Kunstkrater eingearbeitet sein – so, dass ihre Innenseiten frei liegen. Darüber soll auf einem zehn bis 20 Meter hohen Gerüst ein kreisrunder Spiegel thronen, der die Sonnenstrahlen auf eine weitere Spiegelanlage im Krater reflektiert. Diese wiederum streut das Licht in die Gewächshäuser und die in geraden Linien angeschlossenen Gänge hinein. Dadurch soll ziemlich jeder Ort der Mondstation mit natürlichem Licht durchflutet werden. Darunter auch Schlaf- und Fitnessräume, eine Küche, Badezimmer, eine Krankenstation, ein Teleskopraum, ein Labor sowie eine Werkstatt. Am Ende jedes Ganges soll zusätzlich ein Fenster eingearbeitet sein, das auf die Mondoberfläche schauen lässt – und dadurch ein Gefühl von Offenheit liefert.

[Das, was wir da ausgearbeitet haben], das ist ein Vorschlag, es ist modular. Es kann beliebig erweitert werden.

Thomas Herzig

Nach Berechnungen von Herzig und seinen Kollegen könnte die Station mit ihren Gewächshäusern gänzlich autark funktionieren – in der Theorie jedenfalls. Zwei bis vier Ernten von verschiedenen Gemüsen und Früchten pro Jahr wären möglich. „Jedes Gewächshaus kann zwei Menschen versorgen“, sagt er. Ebenso könnte in den Gärten der biologische Abfall der Astronauten weitestgehend kompostiert und wiederverwendet werden. Wasser soll sich neben Aufbereitungsanlagen auch durch natürliche Kondensation recyclen lassen; genau wie die Luft. Für Strom sollen in die Spiegelanlagen integrierte Photovoltaikzellen sorgen – aber auch Brennstoffzellen oder ein kleiner Kernreaktor wären denkbar. Sollen mehr Astronauten auf die Basis kommen, könnte einfach angebaut werden. „[Das, was wir da ausgearbeitet haben], das ist ein Vorschlag, es ist modular“, sagt Herzig. „Es kann beliebig erweitert werden.“ Theoretisch spräche nichts dagegen, mit seinem Konzept eine kleine Stadt zu errichten, meint der Architekt.

Ein Piecks? Kein Problem!

Dass manche die Vorstellung einer aufblasbaren Mondstation amüsant finden, kann der Architekt aus Österreich durchaus nachvollziehen. Doch über Ängste, dass etwa das gesamte Habitat einfach in sich zusammenfällt, wenn ein Astronaut eine Gabel fallen lässt oder eine Wand mit einem Schraubenzieher anpickst, kann er nur schmunzeln. „Ein Piecks würde da nicht viel machen“, lacht er. „Man würde merken, oh, da ist irgendwo ein Leck – da lässt der Druck leicht nach.“ Aber dann würde es genügen, das Leck ausfindig zu machen und „fix mit einem Pflaster [zu] dichten“, wie Herzig sagt, – wie bei Aufblasstrukturen, die er bereits in den letzten Jahren entwickelt hat. Zusätzlich würden bei einer Mondbasis zur Erhöhung der Sicherheit zwei Lagen an Folie genutzt und mit einer Schweißnaht die einzelnen Bauelemente in separate Luftkissen unterteilt. Ein Loch würde dadurch nicht die gesamte Anlage betreffe. Bei größeren Strukturen könnten leichte Metallgestänge für zusätzliche strukturelle Integrität sorgen. Auch das hat sich auf der Erde bereits bewährt.

„Vom Prinzip her gibt’s viele Ähnlichkeiten [zu unseren Aufblasbauten auf der Erde]“, betont Thomas Herzig. Dennoch gebe es natürlich auch Herausforderungen, das System der Gebäude aus pneumatischen Folienkonstruktionen auf den Mond zu bringen. Darunter sei zuvorderst, das passende Material für die Folien zu finden. Denn: „Die Folienstoffe, die wir hier auf der Erde verwenden, die können wir da wohl nicht nutzen“, sagt der Architekt. Sie seien schlichtweg nicht für die Umweltfaktoren, die auf dem Mond herrschen, gedacht und zugelassen. Daher müsste nach passenden Materialien gesucht werden. Ein Kandidat sei biaxial orientierte Polyester-Folie – bekannt als Mylar –, die glänzende Folie, die bereits Satelliten und Landemodule vor Strahlung, Hitze und Kälte schützt. „Mylar ist belastbar“, sagt Herzig. „Allerdings hat es noch niemand für große aufblasbare Konstruktionen verwendet.“

Dass sich ein passendes Material findet, da ist Thomas Herzig ziemlich zuversichtlich. Und offenbar auch die Europäische Weltraumorganisation ESA. Sie unterstützte das Konzept des österreichischen Architekten und seines Unternehmens und die Ausarbeitung einer detaillierten Studie bereits mit 100.000 Euro. Im nächsten Schritt würde Herzig gerne einen zunächst kleineren Prototypen der Anlage bauen, der die Umsetzbarkeit beweist und eventuelle Probleme ausfindig machen lässt. „Einen großen Teil der Anforderungen kann man bereits auf der Erde testen“, sagt er. Aber das sei sehr aufwendig und teuer. Daher hänge es nun von einer weiteren Finanzierung ab, ob und wie es mit der Aufblasmondstation weitergeht.

Bald auch im Erdorbit?

„Ich bin schon Realist und will nicht irgendwelchem Wunschdenken verfallen“, sagt Thomas Herzig. Er könne natürlich nicht sagen, ob seine Idee für eine Mondstation irgendwann Wirklichkeit wird. Aber das Konzept seiner Firma sei „state of the art“ und vieles spräche dafür, es aufzugreifen. „Wenn man es mit anderen Konzepten vergleicht, dann sprechen die Fakten für uns – für unser Konzept“, meint der Architekt. Wenn es ausentwickelt würde, wäre es wohl schnell umsetzbar. Es ließe sich leicht mit Raumschiffen wie dem Starship von SpaceX von der Erde zum Mond transportieren und auch die Wartung wäre nicht sonderlich aufwendig.

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„Rational betrachtet stehen die Chancen also gut für unser Projekt, wenn die ESA den Schritt wagt, eine Mondbasis zu bauen“, argumentiert Herzig. „Oder jemand anderes.“ Denn er stehe mit seiner Firma grundsätzlich auch Angeboten offen, mit anderen Raumfahrtbehörden oder Privatunternehmen zusammenzuarbeiten. „Elon Musk hat sich noch nicht gemeldet“, scherzt Herzig. „Aber wenn der uns jetzt gute Konditionen und Bedingungen bietet, ich glaube, da würden wir nicht ‚nein‘ sagen. […] Aber ich bin auch etwas europäisch patriotisch. Am liebsten wäre es mir, wenn wir das mit der ESA machen könnten.“ Dabei müsse es auch nicht bei der Mondstation bleiben.

Rational betrachtet stehen die Chancen also gut für unser Projekt, wenn die ESA den Schritt wagt, eine Mondbasis zu bauen.

Thomas Herzig

Der Architekt hat auch schon die Idee für eine Basis auf dem Mars bereitliegen. Außerdem würde er gerne eine Raumstation für den Erdorbit konzipieren, die mit seinen aufblasbaren Bauelementen funktioniert. „Das wäre natürlich eine Herausforderung. Denn eine Station zu entwerfen, die auf einem anderen Himmelkörper steht, da kann man noch auf Erfahrungen von der Erde zurückgreifen“, sagt der Österreicher. „Aber etwas im luftleeren Weltraum bauen, das ist etwas anderes. Da bestehen ganz andere Anforderungen an die Membranen und da muss noch viel mehr bedacht werden.“

Eine aufblasbare Rakete wie sie Adolar aus der ungarischen Trickfilm-Serie gebaut hat, die ist für ihn nicht in Aussicht. Jedenfalls nicht wirklich. Denn Herzig hat zwar durchaus auch einen Einfall für ein interstellares Raumschiff. Aber diese Idee sei mittlerweile überholt und aufblasbar wären hier nur die Quartiere für die Mannschaft gewesen.

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Hallo, faszinierende Idee. Vielleicht kann man damit ein deutsches Patent koppeln: Konstruktion und Verwendung von Quinta-Eder-Bauelementen, Offenlegungsschrift bei Deutschem Patent und Markenamt, DE 10 2014 018 723 A1 2015.07.30. Ziel dieses Patents ist es gewesen, Gittermasten aus standardisierten identischen Bauteilen zusamensetzen zu können, ohne Verschraubungen verwenden zu müssen. Die ganze Technik basiert auf Verklemmungen. Die Quinta-Eder-Bauelemente sind bereits im 3D-Druckverfahren erstellt worden und zu einem beispielhaften kleinen Gitterbalken zusammen gesetzt worden. Vorteil der Konstruktion ist, dass die Bauelemte im 3D-Druckverfahren praktisch an beliebiger Stelle hergestellt werden können, wenn ein entsprechender 3D-Drucker vorhanden ist. Der kann z.B. auch auf dem Mond stehen und die Programme zur Steuerung werden dorthin gebeamt. So würde der Materialtransport entfallen, wenn sich herausstellen sollte, dass auf dem Mond notwendiges Rohmaterial vorhanden ist. Sollte Interesse bestehen stehe ich gerne zum Gespräch zur Verfügung. Das Patent an sich ist nur noch Stand der Technik. Die Patentgebühren wurden zu teuer. VG Kf

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Ein überaus spannendes Thema - gefällt mir gut!

Bei meinen Zukunftsforschungen bin ich bei ähnliche Herangehensweisen und Modellen, mit minimalen Materialeinsatz, gelandet.
Es wäre mir eine große Freude, diesbezüglich einen DeepDive mit einer Expertenrunde auf die Beine zu stellen. Insbesondere in Kombination mit AgriPV, ein zukunftsträchtiges Modell.

Mein Forschungsthema - „Akut Lebensmittelversorgung weltweit mit Gewächshäuser der nächsten Generation“

warum nicht auch auf dem Mond :wink:

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