Nahrungsmittel aus Treibhausgasen sollen das Klima schützen

Die Produktion von Nahrungsmitteln verursacht enorme Emissionen von CO2 und Methan und verbraucht Fläche, weshalb oft Wälder gerodet werden. Beides verschärft den Klimawandel. Der verringert die Fläche, die bewirtschaftet werden kann. Ein Teufelskreis. Einige Start-ups wollen ihn durchbrechen – mit Proteinen, die ausgerechnet aus Treibhausgasen produziert werden.

Von Wolfgang Kerler

Gerade hat der Weltklimarat IPCC seinen neuesten Bericht vorgelegt, der sich auf den Zusammenhang von Landnutzung und Klimawandel fokussiert. Das Ergebnis ist leider wieder einmal alarmierend. Hier nur ein paar Schlaglichter auf die Erkenntnisse des Gremiums, das aus 107 Wissenschaftlern aus 52 Ländern besteht:

Land- und Forstwirtschaft sind zusammen mit anderen Formen der Landnutzung für 23 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Rund 500 Millionen Menschen leben in Regionen, die sich aufgrund der Klimakrise in Wüsten verwandeln. Wenn sich nichts ändert, wird sich die Nahrungsmittelversorgung gerade von Menschen in Afrika, Asien, Lateinamerika und der Karibik deutlich verschlechtern. Dabei sind schon jetzt 820 Millionen Menschen unterernährt. Was also tun?

In ihrer Wortwahl sind die Experten recht diplomatisch. „Manche Ernährungsentscheidungen verbrauchen mehr Land und Wasser und verursachen mehr Emissionen von Treibhausgasen als andere“, wird Debra Roberts, die Co-Vorsitzende der IPCC-Arbeitsgruppe II, zitiert.

Proteine, gewonnen aus CO2 und Methan

Was Debra Roberts damit meinen dürfte: Wer viel Fleisch isst, insbesondere Rindfleisch, ist für viel mehr CO2- und Methan-Ausstoß verantwortlich als ein Vegetarier. Ein Gramm essbares Eiweiß aus Rindfleisch verbraucht nämlich 20-mal so viel Fläche und verursacht 20-mal mehr klimaschädliche Emissionen als ein Gramm pflanzliches Eiweiß, berichtet das Handelsblatt unter Berufung auf eine Expertin. Eine Kuh braucht zwar relativ wenig Platz, doch sie braucht viel Nahrung. Die muss erst angebaut werden. Und das geschieht oft auf Flächen für die Wald gerodet wurde.

Nun wollen gleich mehrere Start-ups aus verschiedenen Ländern das Problem lösen, indem sie entweder klimafreundliches Tierfutter oder gleich klimafreundliches Menschenfutter produzieren – und zwar aus Treibhausgasen und mithilfe von Mikroben. Daran erinnert hat mich heute dieser Tweet, danke an den Urheber. Schauen wir uns die einzelnen Beispiele einmal an.

Solarfoods

Das finnische Unternehmen Solar Foods, das von der europäischen Weltraumagentur ESA unterstützt wird, will aus Luft Nahrungsmitteln machen. Zumindest liest sich die Webseite zunächst so. Doch Luft allein reicht natürlich nicht, um das neuartige Proteinpulver Solein herzustellen, das so aussehen und schmecken soll wie Weizenmehl. Solar Foods braucht dafür Kohlendioxid, Wasser und Energie.

Das CO2 wird aus der Luft gewonnen und dann mit Wasser, Nährstoffen und Vitaminen vermengt. Dann folgt ein Gärungsprozess, für den Strom benötigt wird – Solar Foods verwendet, wie der Name der Firma schon sagt, Solarstrom dafür. Dabei entsteht dann das neue Protein. Wie genau das im Detail funktioniert, das verrät das Start-up noch nicht. Jedoch betont es, dass die Produktion unabhängig von Wind, Wetter und fruchtbarem Land stattfinden kann.

Auf den Markt kommen soll Solein im Jahr 2021, vermutlich zunächst als Zusatz in Jogurtprodukten oder Protein-Shakes. Denkbar wäre natürlich auch, dass es zum Rohstoff für fleischlose Burger-Patties wie von Beyond Meat oder Impossible Foods wird.

String Bio

Das indische Start-up String Bio verwendet nicht CO2, sondern Methan – ein noch schädlicheres Treibhausgas, das etwa von Kühen ausgestoßen wird, aber auch bei der Ölgewinnung oder der Kompostierung entsteht. Nach China ist Indien der zweitgrößte Verursacher von Methan-Emissionen.

Die Gründer von String Bio haben eine Technologie entwickelt, bei der Mikroben dazu gebracht werden, Methan in Eiweiß umzusetzen, und dieses in ihren Zellwänden einzulagern. Genau wie bei Solarfoods läuft dieser Prozess während einer Gärung ab, in einem Bioreaktor. Dann wird es getrocknet und zu Pellets gepresst. Das Tierfutter, das am Ende aus den Proteinen hergestellt wird, soll laut String Bio 30 bis 40 Prozent günstiger sein als die, die bisher auf dem Markt sind. Nächstes Jahr soll es erhältlich werden.

Dieser Artikel von Neo.Life hat mich auf String Bio aufmerksam gemacht:

Calysta

Die amerikanische Firma Calysta wurde bereits 2012 gegründet. Ihr Produkt FeedKind ist bereits erhältlich und wird seit 2016 in Großbritannien produziert. Genau wie String Bio setzt Calysta auf Mikroorganismen, die unter Zugabe von Methan (sowie von Sauerstoff und Stickstoff) in einem Bioreaktor durch einen Gärungsprozess Proteine erzeugen. Daraus wird Futter für Fische und Landtiere in Form von Pellets hergestellt.

Auf ihrer Webseite rechnet die Firma vor, dass für 40.000 Tonnen Eiweiß aus Rindfleisch eine Fläche von 17.856 Quadratkilometern verbraucht wird. Dieselbe Menge Eiweiß aus FeedKind benötige dagegen nur 0,04 Quadratkilometer.

Der große Durchbruch steht noch aus

Der Tweet, den ich vorhin bereits erwähnt habe, hat darauf hingewiesen, dass es durchaus Zweifler gibt, die an den Durchbruch dieser Technologie noch nicht glauben, die ursprünglich von der NASA angestoßen wurde. Einige Produkte sind noch nicht auf dem Markt, andere scheinen bisher ein Nischendasein zu führen. Doch angesichts des Zusammenhangs zwischen Landnutzung, Fleischkonsum und Klimawandel brauchen wir Alternativen, also Nahrung, die keine Fläche verbraucht und für möglichst wenig Treibhausgas-Emissionen verantwortlich ist.

Teaser-Bild: Das Eiweißpulver Solein von Solar Foods. Foto: Solar Foods

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Vielleicht können die @Biotech Expert/innen unter uns noch Beispiele beisteuern oder etwas genauer erklären, wie der Prozess funktioniert? (Gerne auch alle anderen)

Ansonsten für alle, die das Thema interessiert: Im Frühjahr haben wir in einem Artikel über einen ähnlichen technologischen Ansatz zur Erzeugung von Leder berichtet.