In wenigen Jahren von der Idee zur eigenen Fabrik: Das Start-up Planet A Foods beginnt in Tschechien mit der Herstellung von Nocoa, seiner Schokolade ohne Kakao. Im September sollen Süßigkeiten mit Nocoa in die Supermärkte kommen. Ein erster Onlineshop verkauft sie sogar schon jetzt. In Zukunft will Planet A Foods auch nachhaltige Alternativen zu Palmöl oder tierischen Fetten anbieten.
Von Wolfgang Kerler
Das Timing hätte besser sein können. Aus der Privatwohnung von Maximilian Marquart, wo er und seine Schwester Sara anfangs mit acht Thermomixen experimentierten, war Planet A Foods längst herausgewachsen. Und das professionelle Equipment am Firmensitz in Planegg bei München reichte zwar für die Erforschung und Entwicklung der Produkte, nicht aber für den nächsten Schritt: die Eroberung des Massenmarkts. Dafür musste eine eigene Schokoladenfabrik her. Ausgerechnet im Frühjahr 2022.
In normalen Zeiten wäre das kein Problem gewesen. Denn obwohl Planet A Foods seine Nocoa-Schokolade nicht aus Kakaobohnen, sondern aus fermentiertem Hafer und Sonnenblumenkernen herstellt, brauchte das Start-up keine ausgefallene Maschinerie. Die nachhaltige Kakaoalternative kann mit Standardgeräten für die Schokoladenindustrie und für Brauereien hergestellt werden. Vorausgesetzt, es gibt bezahlbaren Strom sowie eine Fertigungshalle. Alles Dinge, die vor einem Jahr kaum zu bekommen waren.
„Wegen der Chipkrise hatten neue Maschinen, vor allem die Elektronikkomponenten, viel zu lange Lieferzeiten von 18 Monaten und mehr“, erinnert sich Firmenchef Maximilian Marquart im Gespräch mit 1E9. „Für ein Start-up, das mit Venture Capital finanziert ist, eine Katastrophe.“ Also schaute er sich nach gebrauchten Geräten um, die dann für Planet A Foods erneuert und überarbeitet wurden. „Dann hatten wir eine Produktionsanlage, aber noch keine Halle, die dazu passt.“ Ein zunächst geplanter Standort in Franken scheiterte nämlich an deutscher Bürokratie und den Anwohnern.
Er wandte sich also an den Präsidenten des Süßwarenverbands. Kennt der vielleicht jemanden mit einer passenden Halle? Und tatsächlich: Maximilian wurde mit Johann Seidl, dem Inhaber einer Confiserie in der Nähe von Regensburg, bekanntgemacht. Ein Glücksfall. „Ich bin zu ihm hingefahren und habe ihm ein Probierpaket mitgebracht. Das fand er dann so genial, dass er gesagt hat: Klar vermiete ich euch meine Halle in Tschechien, aber ich würde dann auch gerne euer Produkt einsetzen.“
Planet A Foods konnte also ab August nach und nach mit seinen Maschinen in eine Halle nahe der tschechisch-deutschen Grenze ziehen, was auch deshalb attraktiv war, weil es in Tschechien damals schon eine Gaspreisbremse gab. Und einen weiteren Abnehmer für Nocoa hatte die junge Firma obendrein gefunden.
Schokoladenproduktion mit 92 Prozent weniger CO2-Ausstoß
Doch warum will Planet A Foods für seine Schokolade eigentlich auf Kakao verzichten? Dafür nennt das Start-up gleich mehrere Gründe. Einer davon ist der Klimaschutz. Die Produktion eines Kilos Nocoa soll 92 Prozent weniger CO2-Emissionen erzeugen als die Herstellung normaler Schokolade. Außerdem steht die Schokoladenindustrie immer wieder in der Kritik, weil für den Anbau von Kakao Regenwälder gerodet werden und insbesondere in Westafrika mehr als eine Million Kinder in der Kakaoindustrie arbeiten müssen. Hinzu kommt, dass Kakaobäume von der Klimaerwärmung bedroht sind. In Zukunft könnten also Lieferketten zusammenbrechen.
Um diese Probleme anzugehen, gründeten Sara und Maximilian Marquart – sie promovierte Lebensmittelchemikerin, er promovierter Ingenieur – 2021 ihre Firma. Sie wollen Lebensmittel, die unter problematischen Bedingungen hergestellt werden, durch nahhaltige Alternativen ersetzen. Kakao gingen sie dabei als erstes an, weshalb die Firma zunächst unter dem Namen QOA startete. Im vergangenen Jahr folgte dann die Umbenennung in Planet A Foods.
Ihre Nocoa-Schokolade soll genauso gut schmecken wie das Original aus Kakao, wird aber aus regionalem Getreide hergestellt. Für Verkostungen produzierten die Geschwister und ihr inzwischen rund 20-köpfiges Team schon Pralinenkollektionen oder kooperierten mit Eisdielen, um kakaofreies Schokoladeneis zu verkaufen. Doch immer handelte es sich dabei um kleinere Aktionen. Mit der neuen Fabrik soll sich das ändern.
Planet A Foods will in den nächsten Jahren zum wichtigen Zulieferer der Lebensmittelindustrie werden, damit diese Produkte mit Nocoa auf den Markt bringen kann. „Wir wollen nicht die exklusiven, hochpreisigen Schokoladen ersetzen, die werden immer aus Kakao hergestellt werden“, sagt Maximilian. „Aber wir wollen der herkömmlichen Milchschokolade bei vielen anderen Produkten, wie zum Beispiel Schokokeksen, Smarties, Schokomüslis oder -joghurts, Marktanteile abnehmen.“ Bei Rewe, Edeka und anderen Supermärkten sollen schon ab September 2023 Süßigkeiten in den Regalen stehen, in denen Nocoa steckt. Erkennbar am „Nocoa Inside“-Label. Wer Nocoa früher testen will, kann das schon jetzt tun: beim Vermieter von Planet A.
750 Kilogramm Nocoa pro Stunde
Ende 2022 waren alle Maschinen in der tschechischen Fabrikhalle installiert, im Januar begannen die ersten Testläufe. Vor zwei Wochen erhielt die Produktionsstätte dann die notwendige IFS-Zertifizierung, um die Lebensmittelindustrie beliefern zu können. Unter voller Auslastung läuft sie allerdings noch nicht.
„Die Anlage kann 750 Kilogramm Nocoa pro Stunde produzieren“, sagt Maximilian. „Also genug für 7.500 Tafeln Schokolade.“ Doch noch müssen Abläufe perfektioniert werden und noch werden die Maschinen vom Forschungs- und Entwicklungsteam betrieben, nicht von Arbeitern im Schichtbetrieb. In den nächsten Monaten soll sich das ändern, erklärt Maximilian, zumal die Industrie derzeit ohnehin erst einmal nur Probelieferungen bekommt. „Unsere Kunden haben zum Teil riesige Produktionslinien. Die wollen natürlich sehen, ob das Material bei ihnen genauso funktioniert wie Schokolade. Also sagen sie: Schickt uns mal eine Tonne von eurem Material, dann können wir eine Stunde auf der Linie produzieren.“
Nur ein Kunde darf schon jetzt Produkte mit Nocoa verkaufen: die Confiserie Seidl vom Vermieter des Start-ups. Seit ein paar Tagen können dort im Onlineshop dragierte Nüsse, Schokoladentafeln oder auch Erdnuss-Crunch bestellt werden. „Ich würde mich natürlich freuen, wenn die Leute das positiv aufnehmen“, sagt Maximilian Marquart. „Das ist der erste Schritt, der Lackmustest, wie man so schön sagt, bevor es dann im September in den großen Handel geht.“
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Und auch die übrigen nachhaltigen Produkte, zum Beispiel nachhaltige Alternativen zu Palmöl und Kokosöl oder zu tierischen Fetten, die dann in pflanzenbasiertem „Fleisch“ verwendet werden könnten, befinden sich noch in der Entwicklung. „Wir wollen ein Multi-Produkt-Sortiment aufbauen“, sagt der Firmenchef. Dass andere Start-ups wie Voyage Foods aus den USA oder WNWN aus Großbritannien ganz ähnliche Pläne verfolgen, bereitet ihm dabei keine Sorgen. Im Gegenteil: „Der Markt ist einfach reif.“
Titelbild: Planet A Foods
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