Im Kampf gegen das Coronavirus tragen viele Menschen nun Gesichtsmasken. Dadurch wird auch Videoüberwachung behindert. Denn viele Gesichtserkennungssysteme scheitern, wenn ein Teil des Gesichts verdeckt ist.
Von Michael Förtsch
Mittlerweile haben mehrere Studien und Experimente zuverlässig belegt, dass selbst das Tragen von einfachen Stoffmasken, die Ausbreitung des Coronavirus eindämmen kann. Denn sie schränken die breite Verteilung der Erreger beim Sprechen, Niesen und Husten ein. Daher sind Masken in vielen Ländern beim Einkaufen und in öffentlichen Verkehrsmitteln eine Pflicht. Wie nun eine Studie des US National Institute of Standards and Technology – kurz NIST – zeigt, haben die Masken noch einen Nebeneffekt, der vor allem Datenschützern und Anti-Überwachungaktivisten positiv stimmen dürfte: Die Masken helfen auch gegen Überwachungs- und Gesichtserkennungssysteme.
Für die Studie haben die Forscher des Instituts verschiedene Maskenformen in Schwarz und Hellblau erprobt. Die wurden, um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, einfach digital über Fotos von verschiedenen Personen gelegt. Anschließend wurde mit 89 häufig eingesetzten Gesichtserkennungssystemen versucht, die Gesichter der Personen zu erkennen und zu identifizieren. Darunter waren Systeme von Samsung, Panasonic, Taiwan AI Labs, Tencent, Trueface.ai und VisionLabs. Die akkuratesten der verglichenen Systeme sollen Menschen ohne Maskierung mit einer Fehlerquote von bis zu 0,3 Prozent ausmachen können.
Mit Maske stieg die Fehlerrate drastisch. Viele der getesteten Systeme scheiterten an jedem zweiten Bild – konnten die Person also gar nicht oder nur fehlerhaft identifizieren. Nur einigen Systemen war bei Maskenträgern noch eine Identifikation mit einer 20-Prozent-Trefferrate möglich. Dabei sorgten Masken, die Kinn und Wangen umschließen für fast eine doppelt so hohe Fehlidentifikationsrate wie runde Masken, die nur Mund und einen Teil der Nase einschließen. Ebenso sorgen schwarze Masken für eine „zuverlässigere Fehlidentifikation“ als welche, die in Hellblau gehalten sind. Denn die schwarzen Masken lassen die KI-Systeme die Konturen und die grundlegende Gesichtsform deutlich schwerer extrapolieren.
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Laut der Studie ist auch ausschlaggebend, „wie hoch“ die Maske ausfällt. Masken, die mehr von der Nase verdecken bieten einen stärkeren Überwachungsschutz als welche, die nur einen kleineren Teil der Nase einschließen. Teilweise ist durch eine hoch sitzende Maske bis zu 70 Prozent der Gesichtspartien bedeckt, die von Algorithmen zu einer Identifikation herangezogen werden. Denn viele der Systeme setzen zur Ermittlung allen voran auf die Abstände zwischen Mund, Nase, Augen und Kinn. Das ist etwas, das US-Sicherheitsdienste wie die Homeland Security verunsichert, die nun Lücken in ihren Überwachungsstrukturen befürchten.
Jedoch bedeuten Masken nicht, dass nun jeder vor Gesichtserkennungstechnologien besser geschützt ist. Viele Entwickler arbeiten an oder haben bereits Gesichtserkennungssysteme, die Menschen trotz Vermummung und Verschleierung mit hoher Treffsicherheit erkennen können sollen. Beispielsweise indem sie die Form der Augen, des Schädels, die Augenfarbe, Narben und Falten und andere eher marginale Merkmale zur Identifikation heranziehen. Ebenso haben einige Entwickler und Forscher auch schon explizit begonnen, Künstliche Intelligenzen für Gesichtserkennungsalgorithmen mit Bildern von Menschen zu trainieren, die Masken tragen. Daher will das US National Institute of Standards and Technology in einer weiteren Studie eben solche Systeme auf ihre Treffsicherheit hin untersuchen.
Teaser-Bild: Getty Images / EMS-FORSTER-PRODUCTIONS