Allein in unserer Milchstraße könnten 36 intelligente Zivilisationen zu Hause sein. Das ist das Ergebnis einer Studie von britischen Astronomen. Laut den Forschern könnten die Außerirdischen auch die Möglichkeit besitzen, einander – und damit auch uns – zu kontaktieren.
Von Michael Förtsch
In Science-Fiction-Serien wie Star Trek stoßen interstellare Reisende alle paar Lichtjahre auf eine neue Form von intelligentem außerirdischem Leben. Laut einer Berechnung von Forschern der britischen University of Nottingham um Christopher Conselice könnte diese Vorstellung näher an der Realität sein als bislang gedacht. Als Basis zogen sie die Drake-Gleichung heran, die der Astrophysiker Frank Drake im Jahre 1961 aufgestellt hatte. Die auch als SETI- oder Green-Bank-Formel bekannte Gleichung berücksichtigt folgende sieben Faktoren, um eine Abschätzung über die mögliche Anzahl von intelligenten Zivilisationen zu ermöglichen:
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Die Anzahl von Sternen, die sich pro Jahr in einer Galaxie bilden.
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Der Anteil der Sterne, die ein Planetensystem besitzen.
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Der Anteil der Planeten, die sich innerhalb einer Ökosphäre befinden und dadurch Leben ermöglichen.
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Der Anteil von Planeten, auf denen nach derzeitigen Erkenntnissen tatsächlich Leben entsteht.
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Der Anteil von Lebensformen, die eine Intelligenz ausbilden.
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Der Anteil von intelligentem Leben, das Interesse daran entwickelt, mit anderen Lebensformen zu kommunizieren.
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Die Dauer, die eine solche Zivilisation überdauern kann – bevor sie sich selbst auslöscht oder durch natürliche oder kosmische Ursachen zerstört wird.
Das Problem: Für mehrere der Faktoren existieren keine auch nur annähernd konkreten Daten – da hierfür die Galaxie deutlich besser erforscht und außerirdisches Leben gefunden und dessen Entstehung und Verschwinden studiert werden müsste. Daher haben Christopher Conselice und seine Kolleginnen und Kollegen die Formel angepasst, um abseits von qualifizierten Schätzungen und Grundannahmen auch besser bekannte statistische Daten und neue astronomische Erkenntnisse einzubinden. Die sollen es einfacher machen, die Wahrscheinlichkeit von Leben in unserer galaktischen Nachbarschaft abzuschätzen.
„Unsere Berechnung umfasst die galaktische Sternentstehungsgeschichte, die Verteilung der Metallizität und die Wahrscheinlichkeit, dass Sterne erdähnliche Planeten in ihren bewohnbaren Zonen beherbergen – unter bestimmten Annahmen, die wir als die astrobiologisch-kopernikanisch schwache und starke Bedingungen beschreiben“, schreiben die Autoren in ihrer Studie, die im The Astrophysical Journal veröffentlicht wurde. Sie gehen dabei vom vom kopernikanischen Prinzip aus – also der Annahme, dass die menschliche Zivilisation im Grunde nichts Besonderes darstellt und sich andere Zivilisationen durchaus ähnlich entwickeln könnten.
Oder, wie Conselice der Zeitung The Guardian sagt: „Im Grunde gingen wir davon aus, dass sich intelligentes Leben auf anderen (erdähnlichen) Planeten ebenso wie auf der Erde bilden würde. Also, dass es sich innerhalb wenigen Milliarden Jahren automatisch als natürlicher Teil der Evolution herausbildet.“ Schließlich seien die Erde und das intelligente Leben darauf der einzige belastbare Referenzwert, der greifbar ist.
Warum hört uns keiner?
Laut der Berechnung der britischen Astronomen dürften wohl 36 Zivilisationen in unserer Milchstraße existieren, die sowohl intelligent und zur interstellaren Kontaktaufnahme fähig sind. Die Zahl ist, wie Christopher Conselice einschränkt, natürlich keineswegs absolut oder gar richtig , sondern nur wahrscheinlich. „Es sollte mindestens ein paar Dutzend aktive Zivilisationen in unserer Galaxie geben, unter der Annahme, dass es fünf Milliarden Jahre dauert, bis sich intelligentes Leben auf anderen Planeten, wie auf der Erde, bildet“, sagt der Wissenschaftler. „[Wenn intelligentes Leben] auf wissenschaftlich nachvollziehbare Art entsteht und nicht nur auf zufällige Weise oder auf eine sehr einzigartige Weise, dann würde man zumindest so viele Zivilisationen innerhalb unserer Galaxie erwarten.“
Mit diesen anderen Zivilisationen aber auch in aktiven Kontakt zu treten, könnte jedoch schwierig werden. Schätzungen von Conselice zufolge dürfte die nächste außerirdische Spezies nämlich um die 17.000 Lichtjahre von der Erde entfernt leben. Entsprechend lange würde es dauern, bis uns ein Ruf von ihnen erreicht – oder unsere bisherigen Aussendungen ins All bei den Aliens eintreffen. Fände sich eine Zivilisation in nächster Nähe von uns, wäre das für den Forscher eine bemerkenswerte Entdeckung. Denn das würde bedeuten, dass die Annahmen, wie und wie lange Zivilisationen entstehen und andauern, überdacht werden müssten.
„Unsere neue Forschung legt nahe, dass die Suche nach außerirdischen intelligenten Zivilisationen nicht nur die Existenz von Lebensformen aufzeigt, sondern uns auch Hinweise darauf gibt, wie lange unsere eigene Zivilisation fortbestehen wird“, sagt Conselice „Wenn wir feststellen, dass intelligentes Leben weit verbreitet ist, dann würde das zeigen, dass unsere Zivilisation noch viel länger als ein paar hundert Jahre existieren könnte, wenn wir aber feststellen, dass es in unserer Galaxie keine aktiven Zivilisationen gibt, dann ist das ein schlechtes Zeichen für unsere eigene langfristige Existenz.“
Bereits in den 1950ern befasste sich der Physiker Enrico Fermi mit der Frage, warum bisher keine außerirdische Zivilisation mit der Menschheit in Kontakt getreten ist. In der Folge entwickelten sich mehrere Annahmen. Darunter, dass wir alleine im All sind, Aliens den Kontakt mit uns und anderen Zivilisationen meiden, Außerirdische schlichtweg kein Interesse an Kontaktaufnahmen haben oder: dass wir die anderen intelligenten Zivilisationen bislang einfach verpasst haben. Also, dass sie bereits existierten, aber sich selbst auslöschten oder durch ein Ereignis oder feindliche Zivilisationen ausgelöscht wurden, bevor sie beispielsweise auf andere Planeten expandieren und sich weiter entwickeln und dadurch überdauern konnten.
Vielleicht ist die Erde ein Sonderfall
Sowohl die Drake-Gleichung als auch das kopernikanische Prinzip sind nicht unumstritten. Daher wurde die Drake-Gleichung bereits mehrfach hinterfragt, erweitert und kritisiert. Beispielsweise wendete der Biologe Ernst Mayr einst ein, dass die Formel von Drake außer Acht lasse, dass sich auf einem Planeten wie der Erde, der biologisches Leben zulässt, unter Milliarden von Lebensformen nur eine intelligente Art herausbildet, die die Fähigkeit besitzt, komplexe Technologien zu entwickeln. Genau diese Wahrscheinlichkeit beziehungsweise Unwahrscheinlichkeit müsse berücksichtigt werden.
Im Jahr 2000 argumentierten der Geologe Peter Ward und der Astrobiologe Donald E. Brownlee in ihrem Buch Rare Earth gegen das kopernikanische Prinzip. Ihrer Rare-Earth-Hypothese zufolge sei die Entstehung der menschlichen Zivilisation durchaus sehr besonders. Sie sei der sehr günstigen und sehr seltenen Ausgangslage auf der Erde zu verdanken. Die Masse der Erde, das natürliche Magnetfeld, das vor kosmischer Strahlung schützt, die Lage der Erde im Sonnensystem, die Zusammensetzung des Sonnensystems selbst, das Vorhandensein von Wasser und bestimmten Mineralien – und zahlreiche weitere Faktoren – würden den Planeten zu einem echten Sonderling in der Galaxie und vielleicht sogar dem Universum machen. Deshalb könnte die Entstehung von intelligentem Leben die totale Ausnahme sein.
Teaser-Bild: NASA