Kann man einen Server allein mit Solarstrom betreiben? Genau das will unser Redakteur Michael herausfinden und hat sich einen kleinen NAS-Server als Back-up-Lösung gebaut, dessen Strom von zwei Solarpaneelen kommt. Einige Unternehmen zeigen bereits, dass das auch in einem industriellen Maßstab machbar ist.
Von Michael Förtsch
Während ich diese Zeilen tippe, scheint gerade die pralle Sonne. Damit liefert sie mir kostenlosen Strom. Und das schon seit über zwei Jahren. Denn so lange ist es her, dass ich diesen Artikel hier schrieb. Ich versuchte darin, das Science-Fiction-Genre des Solarpunk zu erklären, das keine düsteren, sondern mehrheitlich positive Science-Fiction-Visionen zeichnet. Welche, in denen die Menschheit die Kurve gekriegt hat, was den Klimawandel und die Umweltverschmutzung angeht. Energie wird durch Solar-, Wind- und Wasserkraft erzeugt, Menschen leben nachhaltig und düsen mit Fahrrädern und Elektroautos umher. Natürlich gibt es in diesen Science-Fiction-Szenarien trotzdem noch Probleme und Konflikte, aber das ist eine ganze andere Geschichte – eben die hier.
Das Solarpunk-Thema hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Vor allem als ich realisierte, dass Solarpunk nicht nur ein Science-Fiction-Genre ist, sondern auch eine ganz reale Bewegung darstellt. Menschen versuchen im persönlichen Rahmen ein solarpunkiges Leben zu führen. Sie arbeiten daran, moderne Technologie und Nachhaltigkeit zusammenbringen. Sie gestalten beispielsweise automatisierte Gärten, versuchen E-Bike und E-Auto allein mit selbst geernteter Solar- und Windkraft zu betanken und andere auf dieser Reise mitzunehmen. Das fand ich toll! Und finde ich noch. Bereits kurz nach meinem Artikel habe ich daher erst eines und dann ein zweites Solarpaneel in ein freies Fenster montiert – was als Mieter eben gerade im Rahmen des möglichen ist. Beide speisen einen kleinen Solarstrom-Generator mit Batterie, die seitdem als Ladestation für Smartphones, Akkus und eine Nintendo-Switch agiert.
Aber ich fragte mich jetzt: Da muss doch noch irgendwie mehr gehen, oder? Es muss sich doch noch mehr des digitalen Lebens solarpunken lassen. Jedenfalls ein bisschen – und wenn auch nur für ein Experiment. Meine Idee: Warum nicht eine digitale Back-up-Lösung für den Rechner mit Strom aus der Sonne umsetzen? Denn das Gros meiner wichtigen Daten fließt derzeit in Cloud-Speicher-Dienste im Internet. Andere Daten sichere ich in gewissen Abständen händisch auf Festplatten. Daher hatte ich schon mehrmals über ein NAS nachgedacht – eine Network-Attached-Storage-Lösung, also Festplatten- oder SSD-Speicher, die mittels eines Computers direkt an das Heimnetz angeschlossen und erreichbar sind.
Selbstbau statt Kauf
NAS-Lösungen gibt es fertig in unterschiedlichen Varianten und Konfigurationen zu kaufen. Einige davon sind durchaus empfehlenswert und einfach zu nutzen. Aber für das, was sie tun, sind sie eigentlich auch ziemlich teuer und vergleichsweise hungrige Stromfresser. Also nichts, was ich an meiner kleinen Solarinstallation betreiben könnte oder wollte. Doch direkt unter meinem Fernseher stand schon ein Teil der möglichen Lösung. Nämlich ein kleiner Raspberry Pi 4, ein Mini-Rechner, der wenig größer als eine Kreditkarte ist, aber trotzdem einen vollwertigen und vor allem vielseitigen Computer darstellt. Er diente mir zeitweise als Media-Center, staubte in den letzten Monaten aber leider nur ein.
Tatsächlich braucht es vergleichsweise wenig, um einen Raspberry Pi in eine NAS-Lösung zu verwandeln – oder zumindest in das Kernmodul davon. Bei Heise.de oder dem MagPi Magazin gibt es gute Anleitungen. Kurz zusammengefasst: Es braucht den Raspberry Pi selbst, eine Micro-SD-Karte, einen Netzstecker, eine Tastatur, einen Bilderschirm, einen über USB anschließbaren Speicher und entweder ein aktives WLAN oder ein Ethernet-Kabel, das zu einem Router führt. Auf der Micro-SD-Karte wird die aktuelle Lite-Fassung des Raspberry Pi OS aufgespielt. Anschließend wird der Mini-Rechner mit eingeschobener Micro-SD-Karte gestartet. Mit einigen Befehlen wird der Rechner mit dem Internet verbunden, upgedated und dann wird über die Kommandozeile von Github die Open-Source-NAS-Software Open Media Vault geladen. Kaputt machen lässt sich da übrigens nichts. Das alles dauert weniger als eine Stunde.
Etwas komplexer wird es da schon mit Open Media Vault selbst. Um darauf zuzugreifen, müssen der Raspberry Pi und seine IP-Adresse im eigenen Netz gefunden werden. Das geht über den heimischen Router oder ebenfalls mit Linux-Befehlen. Ist das geschafft, kann die Benutzeroberfläche von Open Media Vault im Browser eines anderen Computers angesteuert werden. Und in der lässt sich geradezu erschlagend viel einstellen und konfigurieren. Aber zunächst genügt es hier, die zwischenzeitlich angeschlossene SSD einzurichten – in meinem Fall zunächst eine 120-Gigabyte-SSD, die noch von einem Reparaturprojekt übrig war und über einen SATA-zu-USB-Anschluss am Pi steckt. Die SSD wird dann als Datenspeicher eingewählt, mit einem Linux-Data-System namens EXT4 formatiert, in das NAS eingebunden und kann nun im öffentlich im Netzwerk oder nur für bestimmte Nutzer freigegeben werden.
Dadurch lässt sich die SSD nun einfach als Netzlaufwerk auf einem Computer einrichten, über Back-up-Lösungen wie Veeam Agent oder Duplicati befüllen und dadurch Daten sichern. Das funktioniert! Richtig gut sogar. Mit etwas mehr Einrichtungs- und Konfigurationsarbeit lässt sich auf das NAS auch aus dem Internet zugreifen. Tatsächlich ist Open Media Vault unheimlich flexibel und bietet auch zahlreiche Erweiterungen, die so eine Eigenkonstruktion durchaus mit kommerziellen NAS-Lösungen konkurrieren lässt.
Dazu kommen noch andere Vorteile: Der Raspberry Pi 4 kommt mit einem eingebauten WLAN-Modul und kann, aber muss nicht über ein Kabel an einen Router angeschlossen werden. Der Wifi-Chip des Pi 4 schafft bis zu 100 Mbyte pro Sekunde. Das ist keine Spitzenklasse. Aber wer sein Pi-NAS nicht unbedingt als Media-Server für HD- und 4K-Filme nutzen will, sondern als einfache Back-up-Lösung, der hat damit eine starke Hardware, die sich auch in einem Schrank oder einer Zimmerecke verstauen lässt.
Ebenso lässt sich ein Raspberry-Pi-NAS später recht einfach aufstocken. Etwa mit Modulen, die auf die Original-Platine aufgesetzt werden und den Raspberry Pi 4 mit vier SATA-Anschlüssen und einer aktiven Kühlung ausrüsten. Darüber können direkt SSDs oder 2,5-Zoll-Festplatten aufgesteckt oder große Festplatten via Kabel angebunden werden. Dadurch sind mehrere Terabyte an Speicher machbar. Und natürlich lässt sich dieser Raspberry Pi nicht nur als dummes NAS verwenden. Mit NextCloud und OwnCloud gibt es auch Software, die ihn in ein Drobox-artiges Speichersystem verwandeln kann. Und übrigens: Wem dieser nackte Raspberry-Pi-Speicher nicht gefällt, der kann natürlich auch eine professionelle Hülle dafür kaufen oder sich einfach selbst ein Gehäuse mit einem 3D-Drucker basteln.
Allein mit Sonnenkraft
Mein kleines NAS läuft bereits seit einigen Tagen ohne Probleme. Also, okay, nicht ganz. Weil große Datentransfers wie eine Bibliothek von RAW-Fotodateien schon für ordentlich Last sorgten, lief der Raspberry Pi zeitweise etwas heiß. Das besorgte mich. Daher habe ich den Mini-Rechner mittlerweile in ein dickes Alu-Gehäuse eingefasst, das die Hitze auch ohne Lüfter recht effektiv ableitet. Das wichtigste jedoch, denn darum geht es eigentlich bei diesem Experiment: Die kleine NAS-Lösung läuft rein mit kostenloser und grüner Sonnenenergie .
Angeschlossen sind der Mini-Rechner und die gekoppelte SSD an meinen Solarstrom-Generator, der maximal 400 Kilowattstunden an Strom speichert. Die Frage ist natürlich: Lässt sich das NAS durchgehend mit Strom aus Sonnenlicht versorgen? Die ehrlich Antwort: Gut möglich, sollte eigentlich, vielleicht, aber ich weiß es nicht mit Sicherheit.
Ein Raspberry Pi 4 verbraucht im Leerlauf rund 37 Kilowattstunden im Jahr. Unter hoher Last ist es mehr: Ich rechne da mal pessimistisch mit 45 bis 60 Kilowattstunden. Nun bin ich kein Pi-Experte und habe sicher den ein oder anderen Faktor vergessen. Aber grob dürfte das so hinhauen. Die SSD dürfte keinen allzu großen Einfluss auf den Gesamtverbrauch haben. Denn eine SSD ist deutlich sparsamer als eine Festplatte. Allein schon, da es keine Platten gibt, die in Rotation versetzt werden müssen. Eine nicht spezialisierte HDD verbraucht pro Stunde 1,875 Wattstunden. Eine SSD weniger als die Hälfte, nämlich rund 0,833 Wattstunden pro Stunde. Das wären lediglich 7,297 Kilowattstunden pro Jahr.
Insgesamt dürfte das Mini-NAS über das Jahr bei einem 24/7-Betrieb also im günstigsten Falle um die 45 und ärgsten Falle bis zu 67 Kilowattstunden verbrauchen. Da meine kleine Solarinstallation alles andere als ideal ausgerichtet ist, kommen an Wolkentagen zwischen 90 und 145 Wattstunden herum. An hellen Sommertagen und mit direkter Einstrahlung hingegen können es zwischen 350 und 550 Wattstunden sein. An diesigen Regen- und dunklen Wintertagen sind es manchmal nur 5 bis 35 Wattstunden. Das wären rechnerisch im Jahresdurchschnitt 74,4 Kilowattstunden. Wirklich realistisch ist aber eher etwas mehr.
Theoretisch liefert meine Solaranlage also genug, um den kleinen Server dauerhaft am Laufen zu halten. Jedenfalls wenn das Laden von Smartphones, der Nintendo Switch und Kamera-Akkus nicht allzu viel nebenbei verbraucht und die Batteriekapazität nicht allzu stark degeneriert. Oder wenn es nicht allzu lange Regenphasen gibt, bei denen der Himmel über Wochen grau und dunkel ist – und die Batterie daher keine Ladepuffer bilden kann. Es sind also einige Knackpunkte, aber es scheint machbar. Heißt: Es kommt auf den Versuch an, um zu sehen, ob es wirklich funktioniert.
Grüne Datenzentren
Was ich hier mit einem Mini-Nas versuche, das proben andere bereits in anderer und in Teilen auch weitaus größerer Konstellation. Der Tech-Autor und Umweltaktivist Kris De Decker hat 2018 bespielsweise eine rein mit Solarstrom betriebene Online-Ausgabe des Low-Tech-Magazines gestartet, das seit 2007 existiert. Die läuft mittels eines 50-Watt-Solarpanels, einer Batterie und eines Olimex-A20-Computers, der durchaus mit einem Raspberry Pi 4 vergleichbar ist. Damit das funktioniert und nicht mit jedem Abruf zu viel Strom verbraucht wird, musste auch die Website angepasst werden. Im Gegensatz zum Original ist die Solar-Version vollkommen statisch; sie kommt ohne Scripte und Animationen aus. Bilder sind drastisch heruntergerechnet und jede Artikelseite dadurch hinsichtlich Daten viel kleiner. Und wenn die Sonne nicht scheint, die Batterie nicht länger Strom liefern kann, dann geht die Solar-Website einfach offline. Das passiert dank des sonnigen Wetters in Barcelona nur 400 Stunden pro Jahr.
Dass ein rein solarer Web-Dienst auch zuverlässiger und noch größer geht, das zeigt der kleine Web- und Cloud-Hoster Affordable Internet Services Online – oder AISO – in den USA. Der betreibt in einer 185 Quadratmeter großen Halle in Kalifornien das wohl erste vollumfänglich mit Photovoltaik betriebene Rechenzentrum der Welt. Dass das möglich ist, ist aber nicht nur zahlreichen Solarpaneelen und Batteriespeichern zu verdanken, sondern auch einem cleveren Design des Data Centers. Statt Leuchtstoffröhren gibt es Skylights und LED-Lampen. Die Wände sind mit 30 Zentimeter dicken Kompositmaterial aus Recyclingkunststoff gedämmt. Nicht mit Solarstrom, aber mit Windkraft läuft übrigens eine kleine Serverfarm in Norddeutschland.
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Jetzt Mitglied werden!Es geht aber noch eine Nummer größer. Im Jahr 2020 hat Google einen Vertrag mit dem Energieversorger NV Energy in Nevada, USA abgeschlossen. Der liefert seit Februar 2021 Strom- und Batteriekapazitäten für das neue 70.000 Quadratmeter große Data Center des Tech-Unternehmens in Henderson, Nevada. Reinen Sonnenstrom, der mit Solarfarmen im Bundesstaat gewonnen wird. Zukünftig soll ein Großteil der Energie vom zur Fertigstellung wohl größten Solarkraftwerk im Land und dem achtgrößten der Welt kommen Denn nicht weit entfernt vom Rechenzentrum entsteht derzeit das Gemini-Kraftwerk mit über 2 Millionen Solarpaneelen, das ab dem Jahr 2023 ganze 690 Megawatt an Strom erzeugen und in einem Batteriesystem bis zu 1.400 Megawatt davon speichern soll. Damit soll dieses Google-Rechenzentrum zu 100 Prozent mit Strom aus Solarzellen versorgt werden. Das ist dann schon ziemlich solarpunk .
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