Dieser Künstler will eine Solar-Raumstation im Mondorbit bauen – die ESA unterstützt ihn

Es ist ein neues Wettrennen zum Mond entbrannt. Doch diesmal wollen verschiedene Nationen zum Erdtrabanten, um dann auch dort zu bleiben. Forschungsstationen und ‚Monddörfer‘ sind geplant. Die müssen mit Strom versorgt werden. Ein Lösungsansatz kommt aus der Schweiz: Ein Start-up will eine mit Solarpaneelen ummantelte Raumstation entwerfen, die sauberen Strom zur Oberfläche sendet. Das Konzept wird von der ESA gefördert – und könnte irgendwann für die Erde genutzt werden.

Von Michael Förtsch

Seine Oberfläche ist grau, ziemlich staubig und steinig. Dazu kann es mit Temperaturen von 130 Grad Celsius bis zu -160 Grad Celsius wahlweise tödlich heiß oder kalt werden. Dennoch ist der Mond nach Jahrzehnten wieder in den Fokus gerückt. Wissenschaftliche als auch wirtschaftliches Interesse haben ein neues Wettrennen entfacht. Die USA wollen mit dem Artemis-Programm die erste Frau auf den Mond bringen und eine dauerhafte Niederlassung auf der Oberfläche aufbauen. Russland und China wollen eine gemeinsame Station auf dem Erdtrabanten errichten. Die europäische Raumfahrtbehörde ESA träumt sogar von einem Moon Village, das von verschiedenen Nationen der Welt betrieben und genutzt werden soll – und zum Sprungbrett zum Mars und den anderen Planeten unseres Sonnensystems werden könnte. Die Anläufe für einige dieser ambitionierten Pläne sollen noch vor dem Ende dieses Jahrzehnts starten.

Eine Station auf dem Mond aufzubauen alleine genügt jedoch nicht. Sie muss auch dauerhaft betreibbar sein – und dafür braucht es vor allem eines: elektrischen Strom. In China wird daher darüber nachgedacht, kleine Kernreaktoren auf die Mondoberfläche zu transportieren. Weitaus sicherer wäre jedoch Solarenergie, die natürlich nur fließt, wenn die Paneele im Sonnenlicht stehen. Darin sieht Arthur Woods jedoch weniger ein Problem als vielmehr eine interessante Herausforderung. Der 1948 in den USA geborene, aber seit mehreren Jahrzehnten in der Schweiz lebende Künstler kennt das Weltall. Er wuchs unweit des Kennedy Space Centers in Florida auf, im Jahr 1993 reiste seine Skulptur Cosmic Dancer zur russischen Raumstation Mir. Zwei Jahre darauf organisierte er mit Ars Ad Astra die erste Kunstausstellung in der Erdumlaufbahn und wirkte seitdem an zahlreichen Studien rund um die Raumfahrt mit.

Es gibt keine nachhaltigen terrestrischen Energieoptionen, die für die Energieversorgung unserer Gesellschaft ausreichen.

Arthur Woods

Mit seinem Start-up AstroStrom will Arthur Woods nun die Energieprobleme der Welt und ihrer zukünftigen Außenposten auf anderen Himmelskörpern lösen. Oder es zumindest versuchen. Denn: „Es gibt keine nachhaltigen terrestrischen Energieoptionen, die für die Energieversorgung unserer Gesellschaft ausreichen“, sagt Woods im Gespräch mit 1E9. Die extraterrestrische Lösung sieht er in Space-based solar power: in Solarkraftwerken, die im All schweben. Da im Weltraum keine Atmosphäre vorherrscht, die die Sonnenstrahlung abschwächt und sich die Kraftwerke stets ideal zur Sonne positionieren können, könnten sie 24 Stunden am Tag elektrischen Strom generieren. Sie wären dadurch deutlich effektiver als es je ein Solarkraft auf der Erdoberfläche sein könnte. Mit Mikrowellen- oder Laserstrahlen würde die Energie dann dorthin gesendet, wo sie gebraucht wird.

Ist es jetzt endlich möglich?

Die Idee für Solarkraftwerke im All ist keineswegs neu, sondern bereits sehr alt. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts legte der russische Autor und Erfinder Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski das Konzept dar. Rund 30 Jahre später veröffentlichte der Autor Isaac Asimov eine Geschichte, in der er ein Solarkraftwerk im Weltraum beschreibt. Seitdem gab es immer wieder Anläufe von Raumfahrtagenturen und Privatunternehmen, diese Idee in die Wirklichkeit zu hieven und günstigen Strom aus dem All zur Realität zu machen. Meist wurden dafür gigantische Flächen und Trichter-Konstrukte aus Solarpaneelen vorgeschlagen, die vor die Sonne geschoben werden sollten. Die Idee von Arthur Woods sieht etwas anders aus.

Gemeinsam mit dem renommierten Architekten Andreas Vogler, der bereits Hochgeschwindigkeitszüge, Kirchen und Mondbasen designet hat, klügelte Woods den Plan für eine Raumstation im Orbit des Mondes aus. Die Greater Earth Lunar Power Station – oder auch GEO-LPS – gleicht grundsätzlich frühen Raumstationskonzepten der NASA. Sie sieht auf Konzeptbildern aus wie ein riesiger Donut, der stetig rotiert und dadurch in den Ringen eine Gravitation simuliert. Die aus Tonnen-artigen Bauteilen bestehende Struktur soll beim GEO-LPS jedoch rundherum mit Solarpaneelen verkleidet sein – und zwischen denen ein Fächer aus Solarfächern aufgezogen werden könnte.

Im Zentrum, angeschlossen über lange Röhren, soll sich ein zentrales Habitat befinden, das aus einer Kugel aus verkleidetem Mondmaterial besteht und an dem Astronauten und Touristen ankommen. Denn geht es nach Woods und Vogler soll das Kraftwerk mehr oder minder ein Urlaubsressort darstellen. In einem Konzeptplan finden sich Ringsegmente, in denen Golfkurse, Parkanlagen, Hotelzimmer, Wellness Center und Gewächshäuser untergebracht werden sollen. Fast schon nebenbei soll mit den riesigen Solarflächen der Strom erzeugt und mit einer breiten Mikrowellenantenne zu einem Empfänger auf der Mondoberfläche gebeamt werden.

Viele der Konzepte, auf denen unser Projekt basiert, wurden von großartigen Wissenschaftlern und Ingenieuren in den 60er- und vor allem in den 70er-Jahren, während der Ölkrise im letzten Jahrhundert, entwickelt.

Andreas Vogler

„Viele der Konzepte, auf denen unser Projekt basiert, wurden von großartigen Wissenschaftlern und Ingenieuren in den 60er- und vor allem in den 70er-Jahren, während der Ölkrise im letzten Jahrhundert, entwickelt“, sagt Andreas Vogler im Gespräch mit 1E9. „Damals war die Raumfahrt noch in Ihren Kinderschuhen.“ Viele Konzepte, die seinerzeit noch unmöglich waren, wären heute oder zumindest bald umsetzbar. Sie erschienen infolge von „technologischen, ökologischen und ökonomischen Entwicklungen“ der letzten 20 Jahre nun in einem neuen Licht. Das beträfe nicht nur die Station selbst, sondern auch wie sie konstruiert werden soll.

Geht es nach Woods und Vogler sollen zumindest Teile der Station mit Ressourcen hergestellt werden, die sich auf dem Mond ernten und verarbeiten lassen. Unter anderem die Solarzellen selbst. Denn Silizium, Aluminium und Eisen könnten aus dem Mondgestein extrahiert werden. Auch Glas lässt sich mit hohen Temperaturen auf dem Mond fertigen. Theoretisch bräuchte es dafür auch keine Menschen. Roboter könnten diese Arbeit vollautomatisiert erledigen. Zum Zusammenbau könnten die Bauelemente dann mit einer Art Raumkatapult in den Orbit des Mondes gefeuert werden. Auch diese Ideen sind nicht neu, sondern wurden teils schon vor Jahrzehnten bei der NASA debattiert.

Es braucht Zeit

Die Idee einer Solar-Raumstation im Mondorbit, die Basen auf der Oberfläche mit riesigen Mengen an Strom versorgt: sie klingt noch ziemlich nach Science Fiction. Ob, wann und wie die GEO-LPS machbar wird, das kann Woods noch nicht im Detail beantworten. Auch wie viel Strom sie erzeugen könnte, ließe sich jetzt noch nicht sagen. Es gebe „Ideen und Schätzungen“, sagt er. Aber viel hänge auch von Faktoren ab, die noch nicht bekannt sind. Darunter beispielsweise, welche Art von Solarzellen sich mit den vorhandenen Ressourcen auf dem Mond fertigen lassen und wie sich die Technologie in den kommenden Jahren weiterentwickelt.

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Außerdem gestehen Woods und Vogler ein, dass es natürlich noch Herausforderungen und Fragen gibt, die schon seit Jahren zu Kritik am Konzept der Idee der space-based solar power führen. Unter anderem, dass bei Übertragung von den Kraftwerken zu Bodenstationen enormen Energiemengen verloren gehen. „Aber wir bewegen uns hier im typischen Umfeld einer disruptiven Technologie“, sagt Vogler. „An der drahtlosen Energieübertragung ist zu arbeiten, ganz klar, aber im Vergleich zu Solar- und Windenergie auf der Erde, liefert ein Power Satellit die einzige Form der Sonnenenergie, die 24 Stunden verfügbar ist und somit keine Speichertechnologien wie Batterien braucht.“

Auch aus diesen Gründen hat der Plan von Woods und Vogler überzeugt – und zwar die europäische Raumfahrtagentur ESA, die das Konzept der Solarkraftwerke im All in den kommenden Jahren stärker erforschen will. „Wir haben einen einjährigen Auftrag erhalten, um die Machbarkeit der Erzeugung von Solarenergie auf dem Mond aus Mondmaterialien zu untersuchen“, sagt Woods. Dafür sollen bei AstroStrom nun Studien durchgeführt werden, wie sich auf dem Mond Solarzellen fabrizieren und dann nutzen lassen. Dafür sei Woods bereits mit zahlreichen Forschern in Kontakt, die seine Vision teilen oder als faszinierende Möglichkeit erachten.

Wenn wir nachweisen können, dass das [mit der space-based solar power ] funktioniert, dann könnte [diese Technologie] auch zur Erzeugung sauberer Energie für die Erde eingesetzt werden

Andreas Vogler

Der Weltraumkünstler und der Architekt Andreas Vogler sehen nicht nur in ihrem eigenen Plan, sondern generell in space-based solar power riesiges Potential – und sogar eine Notwendigkeit, wenn die Menschheit weiter ins All vorstoßen soll. „In diesem Jahrzehnt sind mehrere Mondmissionen geplant, sowohl robotische als auch mit Astronautinnen“, sagt Vogler. „Deshalb ist die Situation so kritisch.“ Die Raumfahrt, die Wissenschaft und auch die Energieforschung könnten es sich nicht erlauben, nochmal einzuschlafen, wie es nach der letzten Landung auf dem Mond geschehen ist. Daher müsse jetzt begonnen werden, zu konzipieren, zu forschen und auch zu investieren. Auch weil all das irgendwann auch der Erde zugutekommen könnte. „Wenn wir nachweisen können, dass das [mit der space-based solar power ] funktioniert“, sagt Woods, „dann könnte [diese Technologie] auch zur Erzeugung sauberer Energie für die Erde eingesetzt werden.“

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